CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt will die AfD inhaltlich bekämpfen und überflüssig machen. „Wir müssen die Breite des bürgerlichen Wählerspektrums abdecken, verloren gegangene Wähler zurückholen und so die AfD überflüssig machen", sagt er im Interview mit der Passauer Neuen Presse. Zudem spricht er sich für die Koppelung von EU-Mitteln an die Aufnahme von Flüchtlingen aus. Das Interview lesen Sie hier:

EU-Kommissar Oettinger fordert drei Milliarden Euro pro Jahr mehr von Deutschland – Höhere Beiträge oder Einsparungen in Brüssel?

Eine kleinere Europäische Union ohne Großbritannien kann nicht deutlich mehr Geld ausgeben wollen. Haushaltskommissar Oettinger muss als erstes erklären, an welcher Stelle die Europäische Union Einsparungen vornehmen wird. Auch die Sinnhaftigkeit und der Nutzen von Strukturförderungen in Europa muss überprüft werden. Erst, wenn das Einsparpotenzial klar ist, kann man über höhere Beiträge reden. Die Größenordnung ist dabei noch vollkommen offen. Günther Oettinger sollte lieber eine Hausnummer für Einsparungen nennen als Milliardenforderungen an Deutschland zu stellen. Wir wollen, dass die positiven Leistungen der EU erhalten werden und auch zusätzliche Aufgaben wie die Sicherung der Außengrenzen bewältigt werden können. Natürlich braucht es dazu finanzielle Mittel. Wir verweigern uns nicht. Es wird aber auch keinen Blankoscheck aus Deutschland geben.

Kanzlerin Angela Merkel will die Strukturmittel der EU an die Aufnahme von Flüchtlingen knüpfen. Ein kluger Plan?

Die Koppelung von EU-Mitteln an die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine konsequente Haltung. Deutschland ist größter Nettozahler und Geldgeber in der EU. Solidarität kann in Europa keine Einbahnstraße sein. Das heißt, dass nicht nur finanzielle Beiträge solidarisch geteilt werden, sondern auch Aufgaben und Lasten. Dazu gehört auch die Verteilung von Flüchtlingen. Unsere osteuropäischen Partner haben die gleichen Interessen wie wir: dass sich die Jahre der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 nicht wiederholen dürfen. Das bedeutet auch, dass die Umverteilung von Flüchtlingen nicht die alleinige Lösung ist. Wir müssen die Außengrenzen Europas konsequent besser schützen und gleichzeitig Fluchtursachen bekämpfen. Wenn das klare Signal an unsere osteuropäischen Nachbarn geht, dass die ganze EU die illegale Migration wirksam bekämpft und die Länder, die ihre Grenzen schützen, auch unterstützt, kann ich mir eine gemeinsame Lösung vorstellen.

Haushaltskommissar Oettinger warnt Polen und Ungarn, sie müssten Europas Grundwerte respektieren, sonst würden ihnen die Zuweisungen aus Brüssel gekürzt…

Das wäre eine Umdrehung zu viel. Jetzt eine Verbindung herzustellen zwischen politischen Entwicklungen innerhalb der EU und finanziellen Leistungen wäre falsch. Die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien und unseren Grundwerten gilt in der Europäischen Union immer und ganz unabhängig von finanziellen Leistungen.

Zum Richtungsstreit in der Union: CDU-Vizechef Armin Laschet sagt, das Konservative sei nicht der Markenkern der CDU – Wo bleibt der Widerspruch der CSU?

Das Konservative ist von jeher ein Markenkern der Unionsparteien und damit identitätsstiftend, und das muss auch so bleiben. Gerade in einer Zeit, in der es doch erkennbar keine linken Mehrheiten in Deutschland gibt, sondern die Mehrheit bürgerlich konservativ wählt, müssen wir das stärker betonen als in der Vergangenheit. Die Union muss das bürgerliche Spektrum voll abdecken, von der Mitte bis zur demokratischen Rechten.

Der Grundsatz von Franz Josef Strauß gilt auch heute: Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Diesen Zustand müssen wir wieder herstellen. Bürgerlich-konservativ – das heißt christlich-sozial im Menschenbild, klare Kante in der Innen- und Sicherheitspolitik, fortschrittlich in der Wirtschafts- und Innovationspolitik. Das ist und bleibt unser Markenkern.

Kritiker werfen CDU-Chefin Angela Merkel vor, die Partei zu weit nach links gerückt und sozialdemokratisiert zu haben…

Der Vorwurf ist mir zu einfach. Es geht darum, dass wir in Gemeinsamkeit von CDU und CSU die Breite des bürgerlichen Wählerspektrums abdecken, verlorengegangene Wähler zurückholen und so die AfD überflüssig machen. Die AfD muss wieder aus dem Bundestag verschwinden. Die Politik im Ganzen trägt miteinander Verantwortung, dass rechts der Mitte ein politischer Raum in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten entstanden ist, den andere für sich nutzen. Die AfD hatte ihren Nukleus in der Euro-Krise. In der Flüchtlingskrise ist sie dann wieder stark geworden. Da kann man klar erkennen, wo der Nachholbedarf der etablierten Parteien liegt. Daraus müssen wir die Lehren ziehen: Zuwanderung begrenzen und Migranten zurückführen, die kein Bleiberecht haben oder kriminell sind. Es bringt wenig, wenn man gegen die AfD nur die Nazi-Keule schwingt. Wir müssen sie inhaltlich bekämpfen und überflüssig machen.

CSU-Chef Horst Seehofer will Innen- und Heimatminister werden. Soll das Super-Ressort zum Anti-AfD-Ministerium werden?

Heimat hat in einer sich weiter globalisierenden Welt eine wachsende Bedeutung. Heimat gibt den Menschen Sicherheit, Bodenhaftung und Geborgenheit. Wir wollen dafür sorgen, dass sich unsere Heimat in Deutschland gleichwertig entwickeln kann. Der soziale Zusammenhalt, die kulturelle Identität zum Beispiel sind Megathemen einer aktuellen gesellschaftlichen Debatte. Strukturpolitische Maßnahmen in den Regionen – all das ist Teil eines Heimatministeriums.

Am Montag hat die CDU ihren Parteitag, Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wird zur neuen Generalsekretärin gewählt. Verkörpert Sie die konservative Erneuerung, die Sie sich erhoffen?

Der Vorschlag, Annegret Kramp-Karrenbauer zur Generalsekretärin zu wählen, ist ein herausragender Coup von Bundeskanzlerin Merkel. Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine Programmdebatte angekündigt, die sowohl auf den christlich-sozialen als auf den konservativen Wurzeln beruhen soll. Das sind genau die richtigen Signale. Ich bin mir sicher, dass Frau Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin auch einen neuen Stil der politischen Debatte prägen wird.

Wo ist der Widerhall nach ihrem Aufruf zu einer konservativen Revolution?

Ich habe einen Debattenbeitrag geschrieben. Den Widerhall hat es doch unüberhörbar gegeben. Wir führen doch seit langem mal wieder eine intensive Debatte über das, was uns ausmacht – mit einer klaren Botschaft: Es sind die bürgerlich-konservativen Werte. Dazu gehören die christlich-abendländische Leitkultur, Heimat, Freiheit, Humanität, Eigenverantwortung und Leistungs- und Chancengerechtigkeit. Deutschland lebt und denkt bürgerlich, aber trotzdem dominiert in vielen öffentlichen Diskussionen ein linker Meinungsmainstream. Das müssen wir überwinden und wieder Deckungsgleichheit herstellen zwischen dem, was die Mehrheit lebt und dem, was mehrheitlich diskutiert wird. Das leistet die aktuelle bürgerliche Debatte.

Die Union hat seit den 68ern doch die überwiegende Zeit regiert und den Kanzler gestellt. Trotzdem haben die Linken die Meinungsführerschaft erobert?

Die Mehrheit der Menschen teilt die politische Einschätzung der bürgerlichen Parteien. Das zeigt die Lebensrealität in unserem Land und das hat sich auch in den Wahlergebnissen niedergeschlagen. Der sogenannte politisch korrekte Meinungsmainstream suggeriert aber etwas anderes. Das ist das Erbe der 68er. Deren Führungsfiguren kamen damals aus den Hörsälen und Redaktionen, aber nicht aus den Reihenhäusern und Fabriken. Damit sind sie zwar nahe an die Macht gekommen, aber weit weg von den Menschen geblieben.

Großen Wirbel gab es über die Hundeposse beim SPD-Mitgliederentscheid über Schwarz-Rot. Für wie seriös und legitim halten sie die Abstimmung?

Ich kann nichts Falsches daran erkennen, wenn die SPD für sich entscheidet, per Mitgliederentscheid die Legitimation für den Eintritt in die Große Koalition zu erreichen. Manipulationen müssen natürlich mit aller Sorgfalt ausgeschlossen werden. Spätestens wenn auf dem Stimmzettel eine Hundepfote statt einer Unterschrift ist, würde das sicher jemandem in der SPD auffallen.

Die SPD ist im Umfragetief, liegt nur noch bei 17 Prozent. Machen Sie sich Sorgen um den vermutlichen künftigen Koalitionspartner?

Der Umfrage-Absturz ist ein Ergebnis des unverantwortlichen Verhaltens nach der Bundestagswahl, der Weigerung, über eine Regierungsbildung zu sprechen. Auch die Personaldebatten haben viel zu lange gedauert. Ich gehe davon aus, dass sich die SPD nach dem Führungswechsel wieder stabilisiert.

Mit Andrea Nahles ist die SPD gut aufgestellt?

Andrea Nahles ist eine starke Persönlichkeit an der Spitze dieser Partei. Wie erfolgreich sie sein wird, zeigt die Zukunft.

Was passiert, wenn die SPD-Mitglieder Nein zur GroKo sagen?

Mein Gefühl sagt mir, dass die SPD-Basis für die GroKo stimmen wird. Bei einem Nein landen wir unweigerlich bei Neuwahlen.

Zur Dieselkrise: Kommenden Dienstag wird das Fahrverbots-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwartet. Haben Sie in ihrer Zeit als Bundesverkehrsminister zu wenig getan, um die Dieselfahrer zu schützen und für saubere Luft zu sorgen?

Nein. Aber es gibt eine inzwischen in Teilen ideologisch geführte Auseinandersetzung. Mir geht es darum, wie die Grenzwerte in den Städten eingehalten werden können. Bei dieser Frage wurden auch Fortschritte gemacht; so ist der NOx-Wert in der Luft seit den 1990-Jahren um rund 70 Prozent reduziert worden und die Belastung nimmt weiter ab. Wir müssen aber schneller werden, daran arbeiten wir seit Jahren konsequent.

Die Bürgerinnen und Bürger haben den gegenteiligen Eindruck…

Wer vermittelt denn diesen Eindruck? Ich habe auf die teils ideologisch geführte Debatte hingewiesen. Richtig ist, in vielen Städten finden die Umrüstungen vom ÖPNV auf emissionsarme Antriebe zu langsam statt. Kommunale Flotten, Taxis, Lieferverkehre können auf alternative Antriebe umgestellt werden. Es ist wirkungsvoller, Fahrzeuge, die sich tagtäglich in der Stadt bewegen, emissionsfrei zu machen, als dem Dieselfahrer vom Land, der einmal im Monat in die Stadt fährt, die Einfahrt zu verweigern.

Warum werden VW, Daimler und Co. nicht gezwungen, die Wagen mit den umstrittenen Abschalteinrichtungen und veralteten Katalysatoren nachzurüsten?

Fahrzeuge mit Betrugssoftware müssen zwingend in einen rechtskonformen Zustand versetzt werden. Das geschieht längst. Ob Hardwarenachrüstungen bei älteren Dieseln sinnvoll und überhaupt möglich sind, wird gerade von Experten geprüft. Ich gehe davon aus, dass die Ergebnisse in Kürze vorliegen werden.

Rechnen Sie mit Fahrverboten?

Ich lehne generelle Fahrverbote auch weiterhin ab. Das ist der falsche politische Weg. Eine Blaue Plakette, wie sie von den Grünen gefordert wird, würde zu flächendeckenden Fahrverboten für die Besitzer von Diesel-Autos führen. Das käme einer Enteignung von Diesel-Fahrern gleich und ist nicht zu rechtfertigen.

Das Interview in der Passauer Neuen Presse finden Sie hier.

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