Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Susanne Hierl in der Bundestagsdebatte zur unverzüglichen Nachbesserung der Bekämpfung von Kinderehen, 21.3.2024:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wie stellen Sie sich das Leben einer 14- oder 15-Jährigen vor? Ich denke an meine Tochter: Sie ist in diesem Alter zur Schule gegangen, hat ihre Freunde getroffen und konnte ihre Kindheit und Jugend unbeschwert genießen. Wir denken nicht daran, dass Mädchen in diesem Alter bereits verheiratet sind und vielleicht auch schon ein Kind haben. Für viele Mädchen ist dies aber Realität. Sie haben damit keine unbeschwerte Kindheit, keinen Zugang zu Bildung und damit auch keine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Nach Aussage von Save the Children sterben täglich 60 Mädchen weltweit an den Folgen von Frühehen.
Ich denke, wir sind uns einig: Wir alle wollen keine Anerkennung von Kinderehen. Wenn das aber unsere gemeinsame Überzeugung ist, warum liegt dann bis heute noch kein Entwurf für Änderungen zum Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vor?
Mit diesem Gesetz der Großen Koalition – das übrigens Heiko Maas verantwortet hat – wurden ab Juli 2017 Ehen, die von Beteiligten im Alter unter 16 Jahren – auch im Ausland – geschlossen wurden, für unwirksam erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Februar 2023 – Sie hatten jetzt also über ein Jahr Zeit – festgestellt, dass Kinderehen auch ohne Einzelfallprüfung als unwirksam erklärt werden können. Jedoch hat es die Gültigkeit der Regelung an die Bedingung geknüpft, dass den meist jungen Mädchen Versorgungs- und Unterhaltsansprüche gewährt werden. Es gibt eine Übergangsfrist zum 30. Juni, und wenn die Anpassung nicht rechtzeitig kommt, sind Kinderehen in Deutschland wieder anerkannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, ich habe der Presse und Ihren Ausführungen entnommen, dass Sie wohl eine Einigung hin zur Unwirksamkeit der Kinderehen erzielen konnten; ganz klar geworden ist das in den Aussagen nicht.
Wir als Union würden diese Lösung begrüßen, bringt sie doch die Ächtung der Kinderehe deutlich zum Ausdruck und lässt keinen Spielraum für Spekulationen, wir würden am Ende Kinderehen doch tolerieren. Darf man den Aussagen in der Presse Glauben schenken, so soll der Referentenwurf noch im Laufe des Aprils auf den Tisch gelegt werden. Man möchte mit Goethe sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“
Was wir allerdings noch nicht wissen: Wie werden Sie die vom Gericht auferlegten Punkte regeln? Weder Frau Kaddor noch Frau Helling-Plahr konnten eine Aussage dazu machen. Vielleicht lassen uns Frau Breymaier und Frau Krumwiede-Steiner an ihren Gedanken teilhaben.
Handeln Sie endlich, und verhindern Sie so, dass Kinderehen in Deutschland in Zukunft wieder zulässig sind!
Herzlichen Dank.
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