Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Andrea Lindholz in der Bundestagsdebatte zur Fachkräfteeinwanderung, 23.06.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 
Meine sehr geehrten Damen und Herren! 

Nur drei Jahre nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz von Union und SPD hat die Ampel Änderungsvorschläge im Bereich der Arbeitsmigration vorgelegt. Wir hätten uns zunächst die Auswertung des im Jahr 2020 beschlossenen Gesetzes gewünscht und den Abbau von Bürokratie.

Einwanderung echter Fachkräfte steuern

Aber Vorschläge in diesem Bereich verdienen natürlich eine unvoreingenommene Prüfung. Ja, es ist so: Wir brauchen gut qualifizierte Zuwanderer auch aus Nicht-EU-Staaten, zum Beispiel in der IT-Branche oder im Gesundheitsbereich; denn die 1,7 Millionen offenen Stellen hierzulande werden wir nicht alle mit Menschen aus Deutschland und aus der EU besetzen können, auch wenn das natürlich ein vorrangiges Ziel bleibt.

Wer sich aber den Gesetzentwurf und die Änderungen der Beschäftigungsverordnung anschaut, der wird feststellen: Da steht zwar „Fachkräfteeinwanderung“ drauf, aber es ist vor allem die Zuwanderung von Geringqualifizierten aus aller Welt und ein neues Bleiberecht für Ausreisepflichtige.

Es ist daher an vielen Stellen auch gerade keine Weiterentwicklung. Es ist ein Risiko. Es ist nicht modern. Es ist eine Mogelpackung, und es ist vor allen Dingen nicht die Lösung für unser Fachkräfteproblem in Deutschland.

Einzelne Änderungen sind durchaus zu begrüßen, zum Beispiel die Ausweitung der Bluecard-Regelungen für Hochqualifizierte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf aber nicht zu Lohndumping und Teilzeitarbeit führen. Auch die flexibleren Rahmenbedingungen für ausländische Studenten begrüßen wir ausdrücklich.

Wir haben aber drei zentrale Kritikpunkte:
Erstens. Die Anforderungen an die Qualifikation der Zuwanderer werden massiv gesenkt. Das betrifft das Ausbildungsniveau. Das betrifft Ausbildungsstandards und das Sprachniveau. Damit wird die gute Qualität von Arbeitsergebnissen in der Zukunft gefährdet.

Zweitens. Mit Ihrem speziellen Punktesystem – das sage ich vor allem an die FDP gerichtet – schaffen Sie ein Ampelbürokratiemonster, von dem vor allen Dingen Ausländer ohne Jobangebot und ausreichende Qualifikation profitieren. Sie haben noch in dieser Woche – und das nennen Sie „fortschrittlich“ – das Sprachniveau auf die Stufe A1 abgesenkt. Das bedeutet, jemand verfügt über einen Wortschatz von 300 aktiven Wörtern. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht am Arbeitsmarkt vorbei. Denn mehr als Dreiviertel der 1,7 Millionen offenen Stellen können nur durch Fachkräfte und Hochqualifizierte besetzt werden.

Jetzt kommen wir noch zu dem Spurwechsel, den Sie jetzt vollendet haben. Von diesem Spurwechsel profitieren über 250.000 Asylbewerber. Ich sage Ihnen eines: In der jetzigen Lage setzen Sie damit neue Anreize für illegale Zuwanderung nach Deutschland, und Ihr Stichtag schafft auch keine Abhilfe.

Ich sage Ihnen auch: Das ist in der aktuellen Migrationskrise genauso das falsche Signal wie die Tatsache, dass Sie das Wort „Begrenzung“ aus dem Aufenthaltsgesetz streichen, weil Sie in Wahrheit die Begrenzung schon aufgegeben haben, auch wenn Sie hier regelmäßig – vor allem die Kollegen der FDP – das Gegenteil erzählen.

Es gab ja eine gute Anhörung zu diesem Thema. In der Anhörung wurde uns ganz klar gesagt: Was es braucht, sind vor allen Dingen nicht gesetzliche Änderungen, sondern die bürokratischen überlangen Visaverfahren müssen beschleunigt werden. Wir schlagen deshalb in unserem Entschließungsantrag die Einrichtung einer neuen digitalen Bundesagentur für Einwanderung vor, die sogenannte Work-and-Stay-Agentur, weil man mithilfe der Digitalisierung von Anfang an wirklich qualifizierte junge und ältere Menschen auf der ganzen Welt relativ schnell, gut und einfach informieren kann. Das wäre ein echter Paradigmenwechsel.

Fachkräfteeinwanderung und Asylmigration nicht vermischen

Wir wollen nicht an der Qualifizierung schrauben; denn Qualifizierung ist der Dreh- und Angelpunkt für Chancen in unserem Land. Wir wollen auch nicht Fachkräfteeinwanderung und Asylmigration vermischen, sondern wir wollen sie ausdrücklich trennen.

Das ist der richtige Weg für Deutschland, und das ist der richtige Weg für die Beseitigung des Fachkräftemangels, den wir in Deutschland haben.

Vielen Dank.

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