Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Andrea Lindholz in der Bundestagsdebatte zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems am 15.6.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Heute vor einer Woche haben sich die EU-Innenminister auf eine Position für ein neues Gemeinsames Europäisches Asylsystem verständigt. Bei nüchterner Betrachtung muss man allerdings sagen: Aus deutscher Sicht kann man damit nicht ganz zufrieden sein.

Ja, es ist ein guter Schritt gelungen, dass man sich auf ein verpflichtendes Grenzverfahren an der europäischen Außengrenze geeinigt hat – das ist ein Schritt in die richtige Richtung; wir als Union haben das immer gefordert –; aber die 30.000 Plätze, die man hier vereinbart hat, dürften zu wenig sein. Im vergangenen Jahr gab es allein EU-weit fast 1 Million Asylverfahren, und die Zahlen steigen weiter.

Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten erforderlich

Es ist noch völlig unklar, ob die Grenzverfahren am Ende so auch tatsächlich kommen. Die Grünen sind in Teilen ja schon dagegen Sturm gelaufen. Die SPD-Innenministerin hat bereits angekündigt, bei den weiteren Verhandlungen wolle man die Beschlüsse noch aufweichen. Vor allen Dingen braucht es natürlich neben effektiven Grenzverfahren auch ausreichend Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten.

Wir sehen es als besonders kritisch an, dass immer davon gesprochen wird, es gebe jetzt einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus bei der Aufnahme. Das ist falsch. In der Presseerklärung des Rates wurde ausdrücklich gesagt: Kein Mitgliedstaat wird jemals verpflichtet sein, Übernahmen vorzunehmen. Damit ist völlig klar: Am Ende werden es wieder nur einige wenige Staaten sein, die überhaupt Asylbewerber aufnehmen werden. Das ist gerade aus unserer Sicht schwierig; denn damit ist für Deutschland nicht viel gewonnen. Wir haben als eines der großen Länder in den vergangenen Jahren viele Asylbewerber aufgenommen, versorgt und integriert. Allein im letzten Jahr wurde ein Viertel aller Asylanträge in der Europäischen Union hier in Deutschland gestellt. Insofern braucht es für uns signifikante weitere Änderungen.

Akzeptanz für Asylverfahren erhalten

Wir stehen nach wie vor – wir haben das immer gezeigt – zu unserer humanitären Verpflichtung. Aber wir sehen ganz klar: Wenn wir die Akzeptanz für Asylverfahren und die Aufnahme von Asylbewerbern und wirklich Schutzbedürftigen erhalten wollen, dann müssen wir Veränderungen vornehmen. Wir müssen Anreize senken, und wir müssen die Zahlen begrenzen. Wir müssen die Anreize senken, damit die Menschen sich überhaupt nicht erst auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer machen. Erst kürzlich kam es wieder zu genau so einem tragischen Unglück vor der griechischen Küste. Ich nenne hier nur zwei Stichworte: „Hilfe vor Ort“ und „Hilfe in den Anrainerstaaten“. Da kommt von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, rein gar nichts.

Als Unionsfraktion fordern wir die Bundesregierung auf, in den weiteren Trilogverhandlungen ganz klar Folgendes zu vertreten: Oberstes Ziel bei der GEAS-Reform muss eine nachhaltige und spürbare Entlastung Deutschlands sein. Das bedeutet ganz konkret drei Punkte:

Erstens. Die Grenzverfahren dürfen nicht weiter aufgeweicht werden. Schon jetzt sind sie nur auf einen Bruchteil der Asylbewerber anwendbar.

Zweitens. Bei der Verteilung von Asylbewerbern in der EU dürfen künftig nur enge Familienbeziehungen eine Rolle spielen.

Drittens. Die Durchführung von Asylverfahren in sicheren dritten Staaten muss als Option erhalten bleiben.

Bei allen drei Punkten wollte Frau Faeser, die Innenministerin, das Ganze bereits in den Verhandlungen schwächen. Die anderen Mitgliedstaaten haben hier zum Glück nicht mitgemacht. Sie ist damit isoliert. In den weiteren Verhandlungen darf die Bundesregierung diese Beschlüsse der Innenminister jetzt nicht weiter hintertreiben.

Wir haben noch eine weitere, eine vierte Forderung an die Bundesregierung. Hören Sie bitte auf, so zu tun, als würde der Beschluss von letzter Woche in der aktuellen Migrationskrise irgendwie helfen. Selbst wenn die GEAS-Reform nächstes Jahr beschlossen werden würde, dann würde sie erst ab 2026 gelten und damit auch erst ab dann greifen. Von einem Erfolg kann man auch erst dann sprechen, wenn die irreguläre Migration in die EU und nach Deutschland tatsächlich und spürbar sinkt. Das ist also alles erst mal ein Fernziel, das letzte Woche verein-bart worden ist.

Unsere Kommunen benötigen jetzt Hilfe

Wir hören es jede Woche: Unsere überlasteten Kommunen benötigen jetzt Hilfe. Die Asylzahlen müssen jetzt sinken. – Seit dem Flüchtlingsgipfel beim Bundeskanzler vor einem Monat – wir erinnern uns – ist nichts passiert, aber auch gar nichts. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt auf nationaler Ebene Vorkehrungen treffen. Sie muss die Kommunen entlasten. Neben den finanziellen Entlastungen nenne ich Ihnen drei Punkte:

Erstens: lageangepasste Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen, solange die europäischen Außengrenzen nicht hinreichend geschützt sind.

Zweitens: eine Reduzierung von Fehlanreizen.

Drittens: intensive Gespräche mit den Nachbarländern und der Türkei, damit das Durchwinken nach Europa und Deutschland endlich abgestellt wird.

Druckversion
Mehr zum Thema
Außerdem wichtig