Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Andrea Lindholz in der Bundestagsdebatte zum Thema Staatangehörigkeitsrecht am 25.5.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am vergangenen Freitag hat die Ampel einen ersten konkreten Vorschlag für ein vermeintlich modernes Staatsangehörigkeitsrecht vorgelegt. Nach näherer Durchsicht muss man allerdings sagen: Wenn das ein modernes Einbürgerungsrecht sein soll, dann hat die Ampel die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt. 

Mitten in einer schweren Migrationskrise legt die Regierung einen Gesetzentwurf vor, der die Voraussetzungen für die Einbürgerung absenkt und damit weitere Anreize für die ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland. Bundesministerin Nancy Faeser schafft und der vor allen Dingen die Bedeutung der Einbürgerung für die Integration von Ausländern in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt schwächt. 

Das ist nicht modern, sondern das ist realitätsfern und schädlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. 

Die Ampel will die bis zur Einbürgerung erforderlichen Aufenthaltszeiten nahezu halbieren, und zwar von derzeit regelmäßig acht auf fünf und in bestimmten Fällen von sechs auf drei Jahre. Auch irregulär nach Deutschland gekommene Flüchtlinge können damit künftig wesentlich früher einen Einbürgerungsantrag in Deutschland stellen. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind völlig falsche Signale. 

Denn Integration braucht Zeit, und Zeit ist an dieser Stelle mehr als nur Arbeit und Sprache. Eine Einbürgerung muss am Ende einer gelungenen Integration stehen, und nicht an ihrem Anfang. 

Mit den bisherigen Mindestzeiten von acht und sechs Jahren liegt Deutschland im Übrigen im europäischen Mittelfeld. Selbst das einst liberale Schweden, das Sie ja früher, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, so gerne zitiert haben, denkt mittlerweile wieder über eine Verlängerung von fünf auf acht Jahre nach. Die von SPD, Grünen und FDP geplante Turboeinbürgerung für alle ist also alles andere als modern. Wirklich modern wäre dagegen eine Fast-Track-Einbürgerung speziell für die Hochqualifizierten, die unser Land so dringend braucht und die sich in der Regel auch schnell integrieren. 

Die Ampel will auch den Doppelpass generell zulassen, und das lehnen wir als Union ab. Natürlich verstehen wir, wenn Menschen, die Verbindungen zu mehreren Staaten haben, ungern auf ihre Staatsangehörigkeit verzichten möchten. Und es ist daher auch richtig, dass wir Ausnahmen – zum Beispiel bei EU-Bürgern – aufgrund gemeinsamer europäischer Werte machen. Aber Deutschland ist schon rein geografisch in einer völlig anderen Lage als Länder mit Doppelpass wie Kanada und Australien, die – anders als wir es tun – die Zuwanderung in ihr Land stark steuern und daher bei der Einbürgerung auch großzügig sein können. 

Bei uns hat das Staatsangehörigkeitsrecht eine viel größere Bedeutung, auch als Instrument der Migrationssteuerung. Es kommt dazu, dass der Doppelpass die politische Einflussmöglichkeit ausländischer Staaten in Deutschland verstärkt. 

Erst vor wenigen Wochen wies der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz darauf hin, dass die türkische Regierung immer wieder versucht, sich in politische Debatten in Deutschland einzumischen. 

Im Übrigen kommt auch der Sachverständigenrat zu der gleichen Analyse. In einer Welt, in der weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung in Demokratien lebt, ist der generelle Doppelpass nicht modern. Wirklich modern wäre es, mit Staaten, die unsere grundlegenden Werte teilen, gegenseitig die Akzeptanz der doppelten Staatsangehörigkeit zu vereinbaren. 

Und ein letzter Punkt zum Schluss. Die FDP hatte Anfang März vollmundig Folgendes angekündigt: Künftig darf bei allen Einbürgerungstatbeständen nur noch eingebürgert werden, wer seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten und für seine Familie sorgen kann. 

Ausnahmen, nach denen von diesem Kriterium abgesehen werden kann, wollen wir abschaffen. 

Liebe FDP, damit sind Sie wahrlich krachend gescheitert. Nach dem Referentenentwurf wird der Grundsatz, dass ein Einbürgerungsbewerber für sich und seine Familie den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen sichern muss, aufgeweicht. Das steht genau im Widerspruch zu dem Ziel, einer Einwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, und das ist alles andere als modern. In einem großzügigen Sozialstaat, wie es Deutschland ist, wäre es modern, zusätzlich zu den bestehenden Anforderungen auch zu verlangen, dass der Ausländer 24 Monate vor der Einbürgerung ununterbrochen erwerbstätig ist und auch eine angemessene Altersvorsorge zu erwarten hat. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten auf dem Weg zum Kabinettsbeschluss dringend noch mal nachdenken und nacharbeiten. Das ist alles andere als ein modernes Einbürgerungsrecht für Deutschland. 

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