Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Dobrindt in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag, 6.9.2023:

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! 

Nach einer aktuellen Umfrage des Allensbach-Instituts glauben nur noch 10 Prozent der Bürger, dass die Ampelpolitik dieses Land voranbringen wird. Sie regieren an den Problemen der Menschen vorbei. Sie regieren an den Herausforderungen dieses Landes vorbei. Sie reden an den Sorgen der Bürger vorbei. Dieses Land braucht Antworten auf Inflationsangst, auf hohe Energiepreise, auf Wohlstandsverlust. Bekommen tut man von Ihnen Cannabis, Selbstbestimmungsgesetz und Expresseinbürgerung. Das ist das Gegenteil von Fortschritt; das ist Abstieg, meine Damen und Herren.

Dabei haben Sie heute von Kaufkraftgewinnen gesprochen, die bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verzeichnen wären. Das ifo-Institut bestätigt diese Woche, dass sich der Rückgang der Inflation zäh hinziehen wird und wir noch länger mit dieser Inflation leben müssen. Das heißt, dass sich die Belastungen der Bezieher der mittleren und kleinen Einkommen durch die Inflation weiter aufbauen. Wer zu Beginn Ihrer Wahlperiode, Herr Bundeskanzler, für seinen Wocheneinkauf 100 Euro bezahlt hat, der muss heute dafür 130 Euro ausgeben. Das trifft die Familien, das trifft diejenigen mit mittleren und kleinen Einkommen, das trifft die Rentner. Die Inflation ist die Enteignung der Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen. Ob am Monatsende der Kühlschrank voll ist oder leer ist, entscheidet sich genau an dieser Stelle. Und da verweisen Sie darauf, dass es Kaufkraftgewinne gibt. Das ist das Gegenteil von dem, was stattfindet. Tun Sie etwas gegen die Enteignung der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, und senken Sie die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.

Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Rede, bevor Sie uns einen Pakt angeboten haben, erst mal einen Kompromiss aufgekündigt. Sie hatten in Ihrer Rede zur Zeitenwende davon gesprochen, dass die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr – wir haben einen entsprechenden Kompromiss mit Ihnen geschlossen – zusätzlich zur Verfügung stehen.

Heute haben Sie uns vorgeworfen, wir würden diesen Kompromiss aufkündigen. Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler: Wir stehen weiterhin zu diesem Kompromiss. Es ist Ihre Ampelregierung, die nicht mehr zu diesem Kompromiss steht.

Möglicherweise haben Sie den Bericht des Bundesrechnungshofs von gestern vor Ihrer Rede noch nicht lesen können. Der bestätigt nämlich genau das. Wörtlich: Es läuft „dem vom Verfassungsgesetzgeber … verfolgten Zweck zuwider“, dass Sie jetzt versuchen, die Verwendung der Mittel zu verändern. Der Bundesrechnungshof hält es für „rechtlich unzulässig“, dass Sie jetzt versuchen, die Verwendung zu verändern. Sie kündigen den Kompromiss auf, indem Sie das Geld eben nicht mehr zusätzlich für die großen Beschaffungen verwenden wollen. Sie wollen es im normalen Haushalt verbraten und bringen damit die Bundeswehr um die Ausrüstung.

Streitampel sucht Mehrheiten!

Herr Bundeskanzler, trotzdem war beachtlich, dass Sie heute von einer nationalen Kraftanstrengung gesprochen haben, dass Sie von einem Deutschlandpakt gesprochen haben, dass Sie von „Kooperation statt Streitereien“ gesprochen haben. Ich war mir in dem Moment nicht sicher, an wen sich der Satz, was die Streitereien anbelangt, eigentlich richten sollte, vermutlich an Ihre eigene Koalition. Der Dauerstreit scheint ja zum Normalzustand geworden zu sein. Aber ich würde sagen: Beenden Sie als Erstes mal die Streitereien in Ihrem eigenen Laden über Energiepreise, über Kernenergie, über Kindergrundsicherung. Dann können wir uns darüber unterhalten, wie man mit uns kooperieren kann.

Nichtsdestotrotz: Ich glaube, dass man in der Lage, in der sich unser Land befindet, dieses Angebot von Ihnen durchaus ernst nehmen sollte. Ich sage Ihnen auch: Wir sind durchaus bereit, mit Ihnen eine Kooperation oder auch einen Pakt einzugehen. Ich halte allerdings auch fest, dass dieses Angebot deutlich zeigt, dass die Gemeinsamkeiten in Ihrer Koalition ganz offensichtlich aufgebraucht sind, und dass Sie uns ein Angebot zur Zusammenarbeit machen, weil Sie in Ihrer eigenen Ampel für zentrale Fragen keine Mehrheit mehr sehen, Herr Bundeskanzler.

Migrationskrise endlich stoppen!

Wenn Ihre Koalition in weiten Teilen ausfällt, dann stehen wir selbstverständlich zur Verfügung, um einen Deutschlandpakt zu machen. Dann reden wir aber als Allererstes über eine der aktuell zentralsten Krisen in Deutschland, nämlich über die Flüchtlingskrise.

Dann reden wir darüber, wie wir gemeinsam diese Flüchtlingskrise bewältigen können, und dazu haben wir einen klaren Fahrplan. Den können Sie mit uns sofort in der nächsten Sitzungswoche in einen Deutschlandpakt zur Bewältigung dieser Krise hineinschreiben.

Dann lassen Sie uns darüber reden, dass wir die sicheren Herkunftsstaaten endlich gemeinsam vereinbaren: nicht nur Moldau und Georgien, sondern auch die Maghreb-Staaten.

Dann lassen Sie uns doch vereinbaren, dass wir Grenzkontrollen jetzt auch an den Grenzen zu Polen und Tschechien durchführen, wie wir es an der Grenze zu Österreich schon tun. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge, aller illegalen Einreisen kommen über die polnische Grenze. Lassen Sie uns das vereinbaren. Ihre Innenministerin blockiert das zurzeit.

Vereinbaren Sie mit uns, dass wir die freiwilligen Aufnahmeprogramme Ihrer Außenministerin sofort stoppen, damit wir damit den Druck auf unsere Kommunen reduzieren können. Wir sind sofort dabei.

Vereinbaren Sie mit uns, dass wir mehr Sachleistungen, weniger Geldleistungen zur Verfügung stellen.

Vereinbaren Sie mit uns, dass wir den Ausreisegewahrsam verlängern, und vereinbaren Sie mit uns, dass es endlich aufhört, dass aus Ihrer Regierung heraus die europäischen Beschlüsse zum Außengrenzverfahren torpediert werden. Dann haben Sie einen Pakt mit uns, Herr Bundeskanzler.

Wir können das alles gemeinsam besprechen und diskutieren.

Aber wenn Sie einen Pakt anbieten, dann müssen Sie dem auch Taten folgen lassen. Wir erwarten, dass auf uns entsprechend zugegangen wird, um dann in der nächsten Sitzungswoche genau für die Frage der Flüchtlingskrise entsprechende Vereinbarungen zu treffen.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Beatrix von Storch?

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):

Ja. – Lassen Sie diese dümmlichen Zwischenrufe.

Beatrix von Storch (AfD):

Sehr geehrter Herr Dobrindt, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich muss die Frage, die sich uns bei allen Reden, die Sie halten, insbesondere mit Blick auf die Flüchtlingspolitik, immer und immer wieder stellt, einmal an Sie richten: Merken Sie eigentlich irgendetwas? Ich meine: Sie fordern Grenzschutz, Sie fordern Abschiebung, Sie fordern Sachleistungen statt Geldleistungen, Sie fordern alles das, was wir in der letzten Legislaturperiode durchgehend von Ihnen gefordert haben, als Sie an der Regierung waren und es hätten umsetzen können. Da haben Sie das alles abgelehnt und das Gegenteil getan. Jetzt sitzen Sie machtlos in der Opposition und machen Wahlkampfgetöse, vor Landtagswahlen immer noch mehr als sonst.

Verstehen Sie, dass die Menschen Ihnen gar nichts mehr glauben, es vollkommen lächerlich ist, wenn die CDU/CSU ankommt und ein hartes Grenzregime fordert, ein hartes Vorgehen gegen illegale Migration fordert, einen konsequenten Grenzschutz fordert, alles das, was Sie hätten machen können, aber nie gemacht haben? Die ganzen Probleme, die dieses Land jetzt hat, sind deswegen in diesem Ausmaß entstanden, weil Sie 2015 die Grenzen nicht geschützt haben.

Ich weiß, Sie hören das ungern; aber es wäre unglaublich glaubwürdig, wenn Sie sich einmal hinstellen würden – und jetzt wäre vielleicht ein guter Moment – und sich vor der Republik für das Versagen Ihrer Regierungszeit, insbesondere seit 2015, entschuldigen würden, –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie zum Schluss Ihrer Frage, bitte.

Beatrix von Storch (AfD):

– anstatt zu sagen: Jetzt wollen wir das Gegenteil von all dem, was wir die ganze Zeit gemacht haben, als wir es entscheiden konnten.

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):

Frau von Storch, ich habe diese Frage zugelassen, weil ich Ihnen gerne ein Zitat vom früheren Verfassungsrichter Udo Di Fabio vorlesen möchte. Der hat vor Kurzem in einem bemerkenswerten Interview Folgendes gesagt: Die AfD ist „nicht konservativ, auch nicht nationalkonservativ, wenn man ihre geistige Nähe zum Kriegsherrn Putin sieht.“

Er hat ferner gesagt:

„Aber die radikale Wut bewahrt nicht, sondern zerstört. Die Verbrüderung mit einem Russland, das das nationale Selbstbestimmungsrecht von Völkern missachtet, kann man kaum anders werten als einen Verrat an jedem ehrlichen Patriotismus.“

Nennen Sie sich nicht mehr Patrioten! Das ist meine Botschaft an Sie.

Herr Bundesfinanzminister, Sie haben gestern in Ihrer Haushaltsrede Bezug genommen auf die 29 Sonderhaushalte. Sie haben mich dabei direkt angesprochen und gesagt, die seien – zumindest zum Teil – schon aus Zeiten von Theo Waigel.

Um den Versuch Ihres Arguments zu komplettieren, möchte ich sagen: Es geht schlichtweg um das Volumen, Herr Bundesfinanzminister. Und da muss man gar nicht bis zu Theo Waigel zurückgehen.

Im Jahr 2019, was ja Ihr Referenzjahr ist, war der Anteil des Bundeshaushalts aus den sogenannten Sondervermögen 5 Milliarden Euro. In Ihrem jetzigen Entwurf beträgt der Anteil des Haushalts aus Sondervermögen nahezu 95 Milliarden Euro.

Das ist der Unterschied: 5 Milliarden Euro zu 95 Milliarden Euro. Fast 20 Prozent Ihres Haushalts werden aus Sondervermögen bestritten, und das ist was anderes als solide Haushaltsführung.

Inflations-Ampel kostet!

Was Sie gerade tun, nennen Sie „konsolidieren“. Ich nenne das „kaschieren“. Wir stellen fest, dass es vom Bundesrechnungshof jetzt einen neuen Begriff gibt. Die „echte Nettokreditaufnahme“ wird eingeführt – ganz offensichtlich, weil es auch eine verschleierte Nettokreditaufnahme gibt. Sie reden offiziell von 16,6 Milliarden Euro; die echte Nettokreditaufnahme beträgt laut Rechnungshof 85,7 Milliarden Euro. Das heißt, Herr Bundesfinanzminister: Wenn Sie 5 Euro Schulden aufnehmen, dann stellen Sie 1 Euro ganz offiziell dar; 4 Euro wollen Sie verheimlichen.

Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie auch Sondervermögen auflösen. Das ist sehr spannend; denn ein Sondervermögen, das Sie jetzt auflösen, ist das Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“, gefüllt aus den Erlösen der Vergabe der Mobilfunklizenzen. Daher kommt das Geld, das in diesem Sondervermögen steckt. Bisherige Aufgaben – festgeschrieben –: Breitbandausbau, Mobilfunknetzausbau, DigitalPakt Schule. Dort lagen 4,2 Milliarden Euro. Sie nehmen dieses Geld und geben davon 2,7 Milliarden Euro an das Verkehrsministerium und an das Familienministerium. 1,5 Milliarden Euro aus diesem Sondervermögen stecken Sie in die eigene Tasche. Das steht für die genannten Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Sie müssen das zukünftig mit Schulden finanzieren. Auch das hat der Rechnungshof deutlich ausgedrückt. Das ist das Gegenteil von Fortschritt! Das ist Abstieg, wenn Sie jetzt bei Infrastruktur und Digitalem sparen, Herr Minister.

Herr Bundeskanzler, Sie haben auch von den Fleißigen in diesem Land gesprochen, von den Leistungsträgern. Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar. Aber haben Sie die Umfrage zur Kenntnis genommen, die heute veröffentlicht wurde, die besagt, dass 52 Prozent der Menschen den Eindruck haben, dass sich Arbeit in Deutschland nicht mehr lohnt? Die Schlagzeile heißt heute: „Der Fleißige ist der Dumme!“ Und, Herr Bundeskanzler, die Verantwortung dafür, dass die Bürger den Eindruck haben, dass der Fleißige der Dumme ist, tragen Sie mit dem Bürgergeld.

Sie sprechen davon, dass es Frust ist, der sich in der Bevölkerung anstaut. Sie sind diejenigen, die die Leute frustrieren mit Ihrer Politik und dafür sorgen, dass der Fleißige der Dumme ist.

Als eindrucksvoller Beweis, dass es eine Reihe von Menschen gibt, die das in ähnlicher Art und Weise genau so sehen, will ich Ihnen mal sagen, wie die Kommunalpolitik und übrigens auch Kommunalpolitiker aus der SPD darüber denken.

Der Bürgermeister von Rottenbuch, Markus Bader, SPD, hat sich in dieser Woche in einem Interview gemeldet. Er sagt dort wörtlich: Es ist die Aufgabe der Politik, „Rahmenbedingungen … zu schaffen – aber nicht zu bevormunden“. Recht hat der Mann! Er sagt weiter wörtlich:

„Mir erscheint es manchmal, als wollen besonders linke Teile der SPD eine neue Spielart des Sozialismus einführen, diesmal durch die ökologische Hintertür.“

Vielleicht hat er recht; das können Sie beantworten. Wörtlich: „Es ist nicht Aufgabe des Staates, eine Erziehungsanstalt zu sein.“ Über diesem Interview des SPD- Bürgermeisters lautet die Überschrift: Ich kann die Entwicklung der SPD nicht mehr mittragen. – Dieser Mann ist ausgetreten aus der SPD. Recht hat der Mann!

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