Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Dobrindt in der Bundestagsdebatte: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz am 7.7.2023:

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! 

Herr Fechner, in der Tat ist es so, dass das Bundesverfassungsgericht nicht über den Inhalt des Heizungsgesetzes ein Urteil gefällt hat. Aber es hat ein Urteil gefällt über den Politikstil der Ampel. Es hat ein Urteil gefällt über die Arroganz der Ampel. Darüber hat es ein Urteil gefällt. Dieses Urteil ist natürlich auch eine Aufforderung, wieder inhaltlich zu beraten. Ja, das Bundesverfassungsgericht hat reingeschrieben: Es braucht Beratungszeit an dieser Stelle.

Aber wenn es eine Beratung gibt, dann muss es doch auch ein Ergebnis einer Beratung geben. Aber wenn die Ampel jetzt genau diesen Gesetzentwurf unverändert im Parlament wieder auf die Tagesordnung für den September setzt, dann ist das keine Beratung mit einem Ergebnis, sondern Missachtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Genau das ist es an dieser Stelle.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Steffen?

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Ja, gerne. – Sie haben aber, glaube ich, gerade geredet, Herr Kollege.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Aber es verlängert Ihre Redezeit, Herr Kollege Dobrindt.

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Nein, nein. Er hat ja wahrscheinlich eine neue Erkenntnis.

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege, Sie haben ja jetzt hier mehrfach gesagt, das Bundesverfassungsgericht habe ein Urteil gefällt. Ich will jetzt nicht kleinlich sein, indem ich Ihnen sage: Es war kein Urteil, sondern ein Beschluss. – Ja, doch. Das ist nämlich der Witz an der Geschichte. Vielleicht haben Sie nicht mitgekriegt, was der Unterschied in der Sache ist. In diesem Eilverfahren hat das Bundesverfassungsgericht – anders, als Sie behauptet haben – ja gar nicht gesagt hat, dass es zu wenig Beratungszeit gab.

Das hat es nicht gesagt. Das war nämlich ein Eilverfahren. In diesem Eilverfahren hat es lediglich gesagt: Der Abgeordnete Heilmann trägt vor, es sei zu wenig Beratungszeit. – Ob das so ist, kann das Bundesverfassungsgericht gar nicht feststellen. Und deswegen hat es eine Folgenabwägung vorgenommen und gesagt: Was ist jetzt schlimmer: dass möglicherweise die Beratungszeit zu kurz ist oder dass dieses Gesetz etwas später beschlossen wird?

Nichts anderes steht in diesem Beschluss. Darauf möchte ich Sie hinweisen, damit Ihre weiteren Ausführungen auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage basieren.

Beraten statt Anschauen

Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Sehr geehrter Kollege Steffen, Sie haben vorhin gesagt, man hätte jetzt die Chance, sich das Gesetz anzuschauen. Es geht nicht um Anschauen. Es geht um Beraten. Ich kann einmal wörtlich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zitieren: Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht, zu beraten. Das missachten Sie hier an dieser Stelle.

Dabei geht es gar nicht nur um die Rechte eines einzelnen Abgeordneten; ich weiß nicht, warum Sie dieses Missverständnis jetzt wieder vorgetragen haben. Es geht um die Rechte eines jeden Abgeordneten in diesem Parlament und nicht nur um Herrn Heilmann.

Es geht auch um die Oppositionskollegen und natürlich auch um die Kollegen der Ampel, die das Recht haben, darüber zu beraten. Ich sage Ihnen: Nicht nur wir haben einen Anspruch auf Beratung. Auch die Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf Beratung. Wenn Sie die Beratung hier nicht zulassen, schließen Sie die Öffentlichkeit aus der Beratung aus, und das ist ein schwerer Fehler.

Sie reden hier ja auch ständig darüber, dass es Protest in der Bevölkerung gibt. Ja, explizit zu diesem Heizungsgesetz. Es gibt Misstrauen, es gibt Unverständnis, ja. Dafür tragen Sie an dieser Stelle auch die Verantwortung, weil Sie keine ordentliche Beratung zulassen.

Ich habe mal ein paar Zitate für Sie rausgesucht. Wörtlich: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Es war falsch, den Grünen hier auf den Leim zu gehen.“ – Frank Schäffler, FDP. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Nächstes Zitat: „… verdiente Quittung für die Grünen, die in dieses Verfahren einen unerklärlichen Druck hineingegeben haben“ – der Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Aber was folgt denn jetzt daraus, Herr Kollege Kuhle von der FDP? Was folgt aus dieser Erkenntnis? Sie haben jetzt auch deutlich gemacht: Es wird im September der gleiche Entwurf beraten, der heute hätte beraten werden sollen.

Ihre FDP hat gestern zugestimmt. Ihre Fraktion hat zu-gestimmt, dass es keine Beratung gibt, sondern dass dieser Gesetzentwurf ohne neue Beratung im September so auf die Tagesordnung kommt. Das ist doch ein schwerer Fehler an der Stelle!

Regierungsverweigerung statt Regierungsbefragung

Das beschreibt den Umgang hier mit dem Parlament und der Öffentlichkeit. In dieser Sitzungswoche, in der letzten Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause, findet diese Missachtung gleich mehrfach statt. Dies haben wir schon bei der Regierungsbefragung erkannt: keine einzige Antwort des Bundeskanzlers auf die Fragen unserer Abgeordneten. Das war keine Regierungsbefragung. Das war Regierungsverweigerung, was wir an dieser Stelle festgestellt haben. Ich sage Ihnen: Die Kollegin Julia Klöckner hat den Bundeskanzler danach gefragt, was er gedenkt zu tun gegen steigende Arbeitslosigkeit, steigende Inflation, steigende Sozialausgaben. Und was war die Antwort? Der Bundeskanzler hat gesagt, er habe jetzt keine Zeit, diese Liste der nicht richtigen Behauptungen zu widerlegen. Das ist keine Antwort. Das ist Realitätsverweigerung, was hier in diesem Parlament stattfindet.

Das ist symptomatisch. Das ist symptomatisch für Ihre Arbeit, wie wir sie in den vergangenen Monaten erleben. Das ist auch nicht nur unsere Wahrnehmung. Ich habe noch ein paar Zitate für Sie: „Eine überfällige Klatsche für die Ampel“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, „... eine Ohrfeige, um die die Ampel geradezu gebettelt hat“, schreibt der „Tagesspiegel“, „Die Koalition muss ihren überheblichen Habitus ablegen!“, schreibt der „Stern“. Ich kann so beliebig weiter zitieren:
Das ist eine Klatsche für die Ampelkoalition, die sich mit ständigen Fristverkürzungen und der Ablehnung des Warburg-Untersuchungsausschusses über die Gepflogenheiten des Parlamentarismus hin-wegsetzt. – RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Meine Damen und Herren, wenn Sie daraus nicht endlich mal lernen, dass die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit inzwischen die ist, dass Sie die Rechte des Parlamentes und der Öffentlichkeit vollkommen missachten, dann werden Sie weiter Verantwortung dafür tragen, dass in Deutschland Protest entsteht und keine Befriedung in diesem Land eintritt.
 

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