Alexander Dobrindt, der CSU-Chef der CSU im Bundestag, spricht im Münchner Merkur-Interview über die GroKo, die Grünen und die zukünftigen Wahlen.
Wie fühlt man sich als Offizier auf dem sinkenden Schiff GroKo?
Mein Platz war noch nie auf dem Sonnendeck, sondern immer im Maschinenraum. Da kann es heiß und ungemütlich sein, aber genau dort zeigt sich, wie man mit Krisensituationen umgeht. Also: Wir stehen klar zu dieser Koalition, wir wollen eine stabile Regierung. Die SPD muss jetzt ihre Personalprobleme lösen und ein klares Bekenntnis zum Weiterregieren abgeben.
Wie schauen Sie auf die SPD: Mitleid oder Häme?
Weder noch. Meine Befürchtung ist, dass die SPD falsche Schlüsse aus den Wahlergebnissen in Europa und Bremen zieht und gleich die Basis für ihre nächsten Wahlniederlagen legt. Wer glaubt, dass Andrea Nahles die Schuldige für die SPD-Wahlschlappe ist, liegt falsch: Linksruck, Enteignungs-Fantasien, Sozialismus-Romantik a la Kevin Kühnert und Steuererhöhungsvorschläge haben die SPD-Wähler davonlaufen lassen.
Nun bittet Olaf Scholz, die Union möge die SPD nicht am langen Arm verhungern lassen. Gibt es ein Entgegenkommen?
Es kann keine politischen Rabatte auf SPD-Themen geben. Das gilt auch bei der Grundrente. Ganz klar: Wir wollen als CDU/CSU eine Grundrente einführen. Aber man fragt sich doch, was die SPD eigentlich umtreibt, wenn sie die individuelle Einkommenssituation nicht prüfen will, bevor sie neu zusätzliche soziale Leistungen verteilt. Der SPD-Vorschlag führt dazu, dass auch Renten von Ehepartnern aufgestockt werden, deren gemeinsames Haushaltseinkommen höher ist, als von manchen Arbeitnehmern, die dafür bezahlen sollen. Das kann nicht richtig sein.
Die Koalition plant für Herbst ein Klimaschutzgesetz. Ist das ein SPD- oder ein Unions-Wunsch?
Jeder weiß, dass der Klimawandel sich nicht von alleine lösen wird. Es geht also nicht darum, ob wir CO2 einsparen müssen, sondern darum, wie schnell und mit welchen Mitteln wir zu Einsparungen kommen. Dazu werden wir ein Konzept mit klarer Unions-Handschrift vorlegen.
Möglichst schnell die Grünen zu kopieren?
Wir werden auf keinen Fall ergrünen. Das hieße ja, die Ideologie vor die Vernunft zu stellen. Wir setzen auf Anreize und Innovationen, statt grüner Verbote und Bevormundung. Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir ökologisch noch innovativer werden. Das geht aber nur mit der Wirtschaft als Partner, nicht als Gegner. Wer Ökologie und Ökonomie gegeneinander ausspielt, kann am Ende nur eines von beidem haben – wenn überhaupt.
Das heißt: eine Absage an eine CO2-Steuer?
Eine CO2-Steuer, die nur zu höheren Spritpreise an der Zapfsäule führt, hat doch keinerlei Lenkungswirkung, aber jede Menge Protestpotenzial. Wer das fordert, will doch nur Mobilität so verteuern, dass sich ein Teil der Bevölkerung das Autofahren nicht mehr leisten kann. Das ist sozial ungerecht und geht voll zulasten des ländlichen Raums und der Familien, die auf ein Auto angewiesen sind. Wir setzen bei der Wirtschaft an und wollen dort Anreize für Innovationen schaffen. Außerdem kann man in einigen Bereichen durchaus ambitionierter sein – zum Beispiel beim Kohleausstieg.
Gehört zu den Bedingungen für ein Weiterregieren, dass die SPD CSU-Mann Manfred Weber als EU-Kommissionspräsidenten mitträgt?
Für uns ist klar, dass der Spitzenkandidat der EVP für das Amt des Kommissionspräsidenten die volle Unterstützung aus Deutschland haben sollte. Ich rate den Sozialdemokraten, dass sie sich an die Gepflogenheiten halten. Auch wir als Union hätten vor fünf Jahren die Bewerbung von Martin Schulz in dieser Phase unterstützt, wenn er statt Jean-Claude Juncker die Wahl gewonnen hätte.
Wetten Sie ein Tragerl oberbayerisches Bier, dass die GroKo bis 2021 hält?
Ich trinke lieber ein Bier darauf. Wir haben noch eine Menge zu tun. Ich denke vor allem an die Abschaffung des Soli, kraftvolle Investitionen in Infrastruktur, Innovationen und Digitalisierung, den Kohleausstieg und die Maßnahmen zum Klimaschutz. Bei all diesen Fragen steht die SPD mit in der Verantwortung. Im Übrigen: Man kann aus einer Koalition nicht austreten, wenn man keinen Parteivorsitzenden hat. Wie soll das gehen?
Die GroKo spielt auf Zeit.
Einspruch. Die Koalition ist handlungsfähig. Gestern haben wir zum Beispiel ein wuchtiges Gesetzespaket zur Migration beschlossen. Damit sorgen wir für Humanität und Ordnung bei der Zuwanderung: Wir trennen klar zwischen Erwerbsmigration und Asyl, verhindern Zuwanderung in unsere Sozialsysteme und schaffen die Bedingungen, damit Ausreisepflichtige schneller und konsequenter in ihre Heimat zurückgeführt werden können.
Haben Sie Angst vor Neuwahlen?
Die nächste Wahl kommt bestimmt. Von daher wäre Angst kein guter Ratgeber. Und für unvorhersehbare Ereignisse sollte man im Übrigen stets gerüstet sein.
Im Fall einer Minderheitsregierung hat sich die FDP als Stützchen angeboten. Nehmen Sie das ernst?
Da ist mir jetzt zu viel Spekulation im Spiel. Ich will nicht über andere Koalitionen philosophieren. Das Problem übrigens einer Minderheitsregierung bleibt immer, dass die Opposition die Mehrheit hat.
Diskreditieren sich die Grünen als Partner im Bund, wenn sie in Bremen Rot-Rot-Grün mittragen?
In Bremen zeigt sich: Wenn man grün erwartet, kann man dunkelrot bekommen. Die Grünen zeigen mit ihren Plänen für eine linke Regierung, dass sie kein Interesse haben, Teil einer bürgerlichen Koalition zu sein. Dass zum allerersten Mal die Linke als SED-Nachfolgepartei und Erbe der Kommunisten in einem westdeutschen Land Regierungspartei werden soll, ist schon ein geschichtsträchtiger Moment. Das gibt eindeutig die Richtung der Grünen und Linken für die nächsten Bundestagswahlen vor.
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