Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Ulrich Lange in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, 5.9.2023:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich wollte jetzt eigentlich auch sagen: Liebe Ministerin Geywitz! Ja, es hat eine Zeit gedauert, bis man auch hier in der Koalition in der Lebenswirklichkeit angekommen ist. Bis vor ein paar Wochen hat man noch vom Neubau von 400 000 Wohnungen, sprich: 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Legislaturperiode, gesprochen. Aber die Zahlen sind ernüchternd. Das Zwischenzeugnis für die Bauministerin heißt „Versetzung gefährdet“, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Baukonjunktur eingebrochen, Aussichten im Wohnungsbau düster, Bauwillige maximal verunsichert. Alles, was der Bau braucht, ist Planungssicherheit, und genau das haben Sie, liebe Ampelkoalition, ob mit dem GEG, ob mit dem Eindampfen von KfW-Förderprogrammen, ob mit Abschreibungen oder Nichtabschreibungen alles verhindert. Genau das Gegenteil dessen, was zu tun ist, um den Bau anzukurbeln, wurde von Ihnen gemacht. Und dann glauben Sie auch noch, dass jemand investiert – zum Abschreiben muss erst investiert werden –, wenn Sie von einem „Mietendeckel“ reden, wenn man also überhaupt nicht mehr das verdienen kann, was man investiert. Sie haben es nicht verstanden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass Sie 400 000 Wohnungen bauen wollten. Etwas über 200 000 werden es in diesem Jahr werden, und dann werden wir 2024 wohl unter die 200 000 Wohnungen fallen. Das ist ein neuer Tiefststand seit 2009, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es ist nicht nur das aktuelle Umfeld von Inflation und gestiegenen Zinsen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zinsen bewegen sich wieder auf ein übliches Niveau zu. Wir waren bloß von zehn Jahren Nullzins etwas geblendet. Es sind natürlich auch die Dinge, die die Politik angehen kann. Aber das ist nicht das Problem allein. Schade, dass die Ministerin fehlt. Sie hat heute aber zumindest das Interview mit mir in der „Passauer Neuen Presse“ gelesen; daher will sie mir wohl nicht mehr zuhören. Die Ministerin unternimmt an dieser Stelle nichts. Sie ist eben nur der verlängerte Arm eines Wirtschafts- oder Finanzministers. Sie lässt die Programme zum Neubau von 2022, damals von Robert Habeck, eindampfen, und an den Energieeffizienzstandards scheint sie nichts ändern zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wir wünschen Ihnen ganz viel Kraft für Ihre Koalitionsauseinandersetzung mit den Grünen. Aber Sie werden es wieder nicht schaffen; das prophezeie ich Ihnen heute schon. 

Die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt wäre eine Sache für den Bundeskanzler. Aber einmal ein Gipfel und einmal ein Foto, und das war’s – das ist nicht Führung, das ist nicht Arbeiten, das ist nicht Brennen für Wohnen, für Bauen und dafür, wie die Menschen in unserem Land leben, dafür, dass sie sich in ihren vier Wänden wohlfühlen können. Herr Bundeskanzler, da muss einfach mehr kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über den Etat ist schon etliches gesagt worden. Lieber Kollege der FDP, ja, man ruft nicht nur nach Geld; man ruft nach Geld an der richtigen Stelle. Man muss den Mut haben, Prioritäten zu setzen. Wie Sie immer so schön sagen: Es kann nur verteilt werden, was erwirtschaftet wird. – Am Bau könnte etwas erwirtschaftet werden, wenn Sie den Bau fördern würden. Aber dann lassen Sie doch das Erwirtschaften dieses Geldes auch zu!

Wirtschaftswachstum – das muss ich der FDP, lieber Kollege Föst, doch nicht erklären – fördert am Ende auch Steuereinnahmen, und dann können Sie verteilen. Vielleicht haben Sie eine Chance, das Ihren beiden Koalitionspartnern noch mal zu erklären. Derzeit kapitulieren Sie vor der Situation. Derzeit muss man leider feststellen, dass das, was Sie machen, zu wenig ist. Es droht der Todesstoß für den Wohnungsbau, für die Bauwirtschaft und für die Mieterinnen und Mieter. Denn Wohnen wird dadurch nicht bezahlbarer; es wird teurer.

Wir brauchen realistische Energieeffizienzstandards; darüber wurde schon viel gesagt. Lieber Kollege Föst, zur Gebäudeklasse E: Lesen Sie den Beschluss der Landesjustizminister. Dann wissen Sie, dass die Länder nicht das Problem sind. Das Problem sitzt hier, liebe Kolleginnen und Kollegen – wenn sie denn da säße, die Ministerin.

Zum Eigentumserwerb habe ich schon etwas gesagt. Die Ministerin kann gern die Frage drei in der „Passauer Neuen Presse“ zur Neubauförderung lesen. Dann weiß sie, was wir dazu meinen. Ich sage noch mal: 100 Anträge für ganz Deutschland, 3 000 Anträge und genehmigtes Baukindergeld in meinem Wahlkreis. Das ist Eigentumsförderung, das ist Familienförderung, das ist Sozialpolitik, das ist Absicherung gegen Altersarmut. Das zeigt, was es heißt, Unionspolitik zu machen.

Liebe Ministerin, wenn Sie da wären, würde ich Ihnen sagen: Seien Sie eine Bauministerin mit Herzblut! Brennen Sie für die Menschen! Brennen Sie für das Wohnen! Brennen Sie für den Bau mit entsprechendem Einsatz!! Setzen Sie sich endlich durch!

Danke schön
 

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