Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Dobrindt  in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag / Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, Unabhängiger Kontrollrat, 31.1.2024.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben heute Morgen in der Tat zwei sehr ergreifende Schilderungen – von Eva Szepesi und Marcel Reif – gehört, die uns noch mal sehr deutlich gemacht haben, was die demokratische Mitte dieses Hauses eint: dass sich eben nicht wiederholt, was sich nicht wiederholen darf, und dass wir diese Demokratie gegen diejenigen verteidigen müssen, die sie angreifen.

Da ist es in der Tat ein großartiges Zeichen, dass in den vergangenen Tagen und Wochen Tausende Menschen in Deutschland gegen den Rechtsextremismus auf die Straße gegangen sind – ein großes Zeichen unserer lebendigen Demokratie.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben hier am Rednerpult vorhin gesagt: „Wir müssen als Demokraten zusammenstehen.“ Ja, wir müssen als Demokraten zusammenstehen. Aber zu einer Demokratie gehört eben auch eine Opposition in der Mitte dieses Parlaments, und der sollte man mit mehr Respekt begegnen, als Sie das in Ihrer Erklärung hier gemacht haben.

Der Sinn von Politik besteht nicht ausschließlich im Ausdruck einer Haltung, sondern in der Bewältigung von Problemen – so Jasper von Altenbockum vor Kurzem in seiner Zeitung.

Ich stimme ihm ausdrücklich zu: Es geht um die Bewältigung von Problemen. – Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dass Sie in Anbetracht der Lage, in die die Ampel dieses Land gebracht hat, heute kein Stück Einsicht und Demut gezeigt haben, ist wirklich der Gipfel der Arroganz!

Haben Sie sich eigentlich die Konjunkturdaten von gestern mal im Detail angeschaut? Haben Sie sich angeschaut, was alle Institute über Deutschland im Vergleich zu Europa und der Welt zum Ausdruck bringen? Es ist ein weiteres Schrumpfen um 0,3 Prozent im vergangenen Jahr festgestellt worden. Es gibt eine pessimistische Prognose mit negativem Wachstum für das Jahr 2024. Und außerdem hat der Internationale Währungsfonds Deutschland drastisch nach unten abgestuft. Während für die ganze Welt, für Europa, für alle Industrienationen die Prognosen nach oben gehen, wird Deutschland als einzige Industrienation abgewertet. Die Kernaussage ist eindeutig und klar: Deutschland steckt in der Rezession, die Krise verfestigt sich, das Land wird weiter abgehängt. – Und die Verantwortung dafür liegt bei der Ampelregierung und nirgendwo anders, meine Damen und Herren.

Herr Bundeskanzler, Sie haben in der letzten Woche in der Zeitung „Die Zeit“ formuliert – wörtliches Zitat –: „Die Koalition … mutet sich angesichts der großen Herausforderungen Konflikte zu.“ Die Koalition mutet sich Konflikte zu? Nein, Herr Bundeskanzler, es ist umgekehrt: Nicht die Ampel mutet sich etwas zu, sondern die Ampel ist eine Zumutung für die Menschen in Deutschland – das ist die Wahrheit –, eine Zumutung für die Bauern, eine Zumutung für die Spediteure, eine Zumutung für die Gastronomen, eine Zumutung fürs Handwerk, eine Zumutung für den ländlichen Raum. Sie bieten in Ihrem Haushalt dazu überhaupt keine Lösungen an.

– Hören Sie doch auf, ständig dazwischenzurufen! Sie sind einfach schlichtweg nicht das Opfer dieser Konflikte; Sie sind der Urheber dieser Konflikte, die ich da gerade beschrieben habe.

Sie bieten keine Lösungen an. Glauben Sie, dass Sie mit 20 Milliarden Euro zusätzlichen Steuererhöhungen, mit 40 Milliarden Euro neuen Schulden irgendwas zur Befriedung in diesem Land beitragen? Sie haben sich vom Sparen komplett verabschiedet.

Sie haben sich schlichtweg davon verabschiedet, meine Damen und Herren.

Mit dem Bürgergeld, mit dem Heizgesetz und mit Steuererhöhungen haben Sie die Polarisierung in diesem Land weiter vorangetrieben.

Gestern sprach der Finanzminister hier an diesem Rednerpult davon, dass er nicht mehr über einen Sparhaushalt nachdenkt, sondern über einen Gestaltungshaushalt. Meine Damen und Herren, Sie sind keine Koalition der Gestaltung, Sie sind eine Koalition der Spaltung. Das sehen Sie jeden Tag auf den Straßen in diesem Land.

In dieser Situation, in die Sie Deutschland gebracht haben, spricht der Bundeswirtschaftsminister davon, dass Unternehmen mehr Standortpatriotismus zeigen sollten. Das ist in der Tat ein beeindruckender Versuch, Ursache und Wirkung umzukehren. Die Unternehmer sind nicht schuld an der schlechten Wirtschaftssituation; sie sind das Opfer Ihrer schlechten Wirtschaftspolitik. So ist es.

Aber diejenigen, von denen man mehr Standortpatriotismus erwarten müsste, sitzen am Kabinettstisch. Standortpatriotismus würde heißen, nicht die deutschen Kernkraftwerke abzuschalten und dann französische Kernenergie zu kaufen. Standortpatriotismus würde bedeuten, die landwirtschaftliche Produktion im Land zu erhalten, anstatt sie abzuwürgen. Standortpatriotismus würde heißen, den Mittelstand zu entlasten, anstatt die Steuern zu erhöhen.

Standortpatriotismus würde bedeuten, die Erbschaftsteuer zu regionalisieren, anstatt sie zu erhöhen und die Leute damit zusätzlich zu belasten. Das wäre Standortpatriotismus in diesem Land.

Die Arbeitgeber sprechen davon, dass die Unternehmen das Vertrauen in die Regierung verloren haben. Die IG Metall spricht davon, dass es eine schleichende Deindustrialisierung in diesem Land gibt. Und Sie, Herr Bundeskanzler, sprechen davon, dass Sie alles dafür getan haben, dass sich Arbeit lohnt. Meine Damen und Herren, das ist der glatte Hohn gegenüber denjenigen, die heute das Gefühl haben, dass sich Arbeit in diesem Land nicht mehr rentiert. Ihre Politik überfordert schlichtweg dieses Land.

„Die demotivierte Gesellschaft“ war ein Artikel, der von Allensbach veröffentlicht worden ist. Immer mehr Menschen glauben, dass sich Arbeit schlichtweg nicht mehr lohnt.

Dafür, dass sich gerade Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen so äußern, gibt es doch auch einen Grund.

Drei Viertel der Menschen sind der Überzeugung, dass das Bürgergeld davon abhält, in Beschäftigung zu kommen.

Drei Viertel glauben, dass das Bürgergeld Beschäftigung verhindert. Ihr Bürgergeld hat schlichtweg an Akzeptanz verloren.

Und Ihr Bürgergeld sorgt auch dafür, dass Arbeit an Akzeptanz verliert, weil die Arbeitnehmer nicht mehr von Ihnen respektiert werden.

Schauen Sie sich doch mal an, was mit diesem Bürgergeld entstanden ist.

Es gibt neue Berechnungen, die sagen: Würde sich eine Familie, die heute 2.000 Euro verdient, auf den Weg machen und weitere 2.000 Euro verdienen wollen, dann käme sie gerade einmal auf 32 Euro mehr netto. So sieht doch kein funktionierender Sozialstaat aus, der die Schwachen schützt. Nein, so sieht ein Sozialstaat aus, der die Leistungsbereiten bestraft. Das ist die Realität Ihres Bürgergelds.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt eine ganze Menge zu kritisieren an dem, was diese Ampel mit ihrem Haushaltsentwurf an Fehlern macht.

Aber sehr geehrte Frau Weidel, lassen Sie sich an dieser Stelle sagen: Ihre Einlassung, diese Regierung hasse Deutschland, ist mit aller Schärfe zurückzuweisen.

Diese Regierung regiert schlecht, aber sie hasst dieses Land nicht.

– Es wird nicht besser, wenn Sie es an dieser Stelle wiederholen. Wissen Sie, ich gebe Ihnen hier was mit auf den Weg: SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU – wir hassen auch dieses Europa nicht.

Wir hassen dieses Europa nicht, weil die Europäische Union der Garant für Demokratie, für Freiheit und für Wohlstand unter unseren Partnerländern ist.

Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch jemand bei Ihnen realisiert, was in Ihrer Partei passiert. Wo haben Sie sich denn eigentlich hinbewegt? Von Lucke zu Höcke – da stehen Sie jetzt. Wie soll es denn eigentlich weitergehen mit Ihrer Partei?

Ich kann Ihnen sagen: Wenn einer aus Ihrer Fraktion, aus Ihrer Partei sagt: „Diese EU muss sterben“, dann ist er unser schärfster Gegner.

Wenn Sie sagen: „Der Brexit ist das Modell für Deutschland“, dann sind Sie unser schärfster Gegner. Sie arbeiten am Ruin dieses Landes, um das mal sehr deutlich zu sagen.

Ich kann Ihnen nur ans Herz legen:

Sprechen Sie einfach weiter darüber, dass Sie aus der Europäischen Union aussteigen wollen, dass Sie den Euro aufgeben wollen, dass Sie aus der NATO aussteigen wollen! Und reden Sie bitte auch weiter darüber, dass Sie sich Putins eurasischer Wirtschaftsunion annähern wollen! Reden Sie darüber, dass Sie das freie Europa zerstören und sich dem russischen Diktator anschließen wollen!

Sie sind nicht die Alternative für Deutschland. Die Alternative, die Sie anbieten, ist die Alternative der Unmündigkeit, der Unterwerfung, der Unfreiheit. Das hat mit Patriotismus nichts zu tun. Das ist Vaterlandsverrat, was von Ihnen hier kommt.

– Es ist schwer zu ertragen. Die Wahrheit ist an dieser Stelle sehr schwer zu ertragen; ich verstehe das.

Ich will Ihnen, Herr Dürr, bezüglich Ihrer Rede nur einen kleinen Hinweis geben. Sie haben davon gesprochen, Sie seien auf dem richtigen Weg. Ihre Umfragewerte haben sich von über 11 Prozent auf 3 Prozent entwickelt – 8 Prozent Verlust. Wenn das der richtige Weg ist, dann ist das ein Beispiel für Autosuggestion, wie wir sie hier selten erlebt haben, meine Damen und Herren.

Sehr geehrte Frau Haßelmann, ich will auch Ihnen etwas mit auf den Weg geben. Sie haben hier in Richtung von CDU und CSU formuliert: Reden Sie das Land nicht schlecht! – Ich sage Ihnen: Regieren Sie dieses Land nicht schlecht! Rechtsextremismus kann man nur dann bekämpfen, wenn man ihn nicht einfach nur wegdemonstriert oder verbieten will, sondern man muss ihn auch wegregieren. Und da haben Sie zurzeit noch Verantwortung, meine Damen und Herren.

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Unmut über Ampel-Politik 19.01.2024