
Rede zum Europäischen Finanzaufsichtssystem
18.*) Zweite und dritte Beratung Bundesregierung
Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems
Die Finanzkrise hat uns erhebliche Schwächen in der EU-Finanzaufsicht aufgezeigt. Nachteilige Entwicklungen auf den Finanzmärkten wurden nicht vorhergesehen und die Häufung unvertretbar hoher Risiken nicht unterbunden. Ferner war die Zuständigkeit für die makroprudenzielle Aufsicht unklar und wurde von mehreren Behörden auf unterschiedlicher Ebene wahrgenommen. Es bestand kein System, welches Risiken auf Makroebene erkannte und konkrete Warnungen und Weisungen herausgab.
Aufgrund dieser Schwächen schlug die durch die Europäische Kommission eingesetzte Expertengruppe um Jaques de Larosière in ihrem im Februar 2009 erschienenen Bericht die Neustrukturierung der Aufsicht sowie die Schaffung eines Europäischen Systems der Finanzaufsicht, ESFS, vor. Diese Anregungen setzte die Kommission in ihrem darauf folgendem Gesetzgebungsvorschlag nahezu vollständig um. Nach erfolgreicher Abstimmung im Rat und im Europäischen Parlament nahm das neue Aufsichtssystem seine Arbeit planmäßig am 1. Januar 2011 auf.
Das neue Finanzaufsichtssystem umfasst demnach zwei Bereiche: Zum einen wurde ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken gegründet, welcher für die Aufsicht auf makroprudenzieller Ebene verantwortlich ist. Die Hauptaufgabe dieser Einrichtung besteht in der Überwachung und Bewertung von systemischen Risiken in der EU. Zum anderen wurden drei neue Aufsichtsbehörden zur mikroprudenziellen Überwachung, nämlich die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, EBA, die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde, ESMA, und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, EIOPA, gegründet. Darüber hinaus wurde auch ein behördenübergreifender gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, ein Joint Committee, ein Teil dieses Systems.
Die Umsetzung des zugrunde liegenden EU-Rechtssetzungspakets erfolgte durch fünf EU-Verordnungen zur Errichtung der genannten EU-Behörden und Ausschüsse sowie durch die sogenannte Omnibusrichtlinie I. Mit der Omnibusrichtlinie I wurden elf bestehende EU-Richtlinien im Finanzmarktbereich an die neuen EU-Finanzaufsichtsstrukturen angepasst. Dabei waren die Änderungen der EU-Richtlinien erforderlich, um die Einbindung der neuen Strukturen in die gegebenen EU-Finanzmarktregelungen sicherzustellen und ein reibungslos funktionierendes Europäisches Finanzaufsichtssystem zu gewährleisten.
Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet Anpassungen der deutschen Finanzaufsichtsgesetze, die zur Umsetzung der Omnibus-I-Richtlinie notwendig sind. Die EU-Aufsichtsstrukturen gelten bereits seit Inkrafttreten der Verordnungen. Die jetzige Anpassung der deutschen Aufsichtsgesetze erfolgt lediglich aus Gründen der Klarstellung oder insoweit, als dass die nationalen Gesetze den EU-Verordnungen entgegenstehen. Wesentliche Regelungen aus deutscher Sicht sind dabei die Einbindung der BaFin in das Europäische Finanzaufsichtssystem, die Konkretisierung der Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten der BaFin gegenüber den europäischen Aufsichtsbehörden und die Konkretisierung des Verfahrens zur Einbeziehung der europäischen Aufsichtsbehörden bei Meinungsverschiedenheiten oder mangelnder Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden.
Mit dem neuen europäischen Aufsichtssystem ESFS wird die EU der zunehmenden Verflechtung der internationalen Finanzmärkte gerecht. Vor allem die Einsetzung des ESRB, als einer makroprudenziellen Aufsicht, füllt eine Lücke der bisherigen Aufsichtsstruktur. Auch die neuen Aufsichtsbehörden, als die mikroprudenzielle Aufsicht, stellen eine bedeutende Verbesserung zu den vorherigen Level-3-Ausschüssen dar. Durch dieses neue System wird die Kooperation der nationalen Behörden intensiviert und eine bessere Übersicht über den europäischen Finanzmarkt geschaffen. Die BaFin wird in diesen Prozess mit eingebunden sein und Informationen bereitstellen. Ihr sowie allen anderen nationalen Aufsichtsbehörden, werden verschiedene Mitteilungs- und Aufsichtspflichten gegenüber den neuen Aufsichtsbehörden auferlegt. Diese Neugestaltung der europäischen Aufsichtsstruktur ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, um in Zukunft systemische Risiken und negative Entwicklungen auf den europäischen Finanzmärkten schnell zu entdecken.
Wir haben mit diesem Gesetz einen wichtigen Schritt in Richtung einer deutlich verbesserten Aufsichtsstruktur in Deutschland und Europa geschaffen. Ich bin davon überzeugt, dass damit Krisen und Verwerfungen auf den Finanzmärkten frühzeitig erkannt und bekämpft werden können.
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