Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag, spricht sich im Münchner Merker für eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage aus. Außerdem sind die Grünen für ihn der politische Hauptgegner im nächsten Jahr.

Nach der Brandstiftung in Moria nimmt Deutschland über 1500 Migranten auf. Das ist nicht unumstritten. Kritiker fragen sich: Sind die in Berlin erpressbar oder nur naiv?

Weder noch. Uns war wichtig, dass wir eine Polarisierung bei dem Thema vermeiden und drei Punkte umsetzen: Erstens Hilfe vor Ort, zweitens eine Europäisierung der Camps und drittens die gezielte Aufnahme von Familien mit einem bestätigten Asylanspruch. Wir fordern als CSU bereits seit langem europäische Camps an den EU-Außengrenzen, um Staaten wie Griechenland mit dieser Aufgabe nicht alleine zu lassen. Jetzt gibt es in Europa eine echte Chance, das umzusetzen - und diese Chance wollen wir nutzen.

Die Sorge der Griechen ist doch: Bald brennt das nächste Flüchtlingslager.

Die Sorge ist auch berechtigt. Umso wichtiger ist, dass wir nicht eine beliebige Zahl an Flüchtlingen aufnehmen, sondern eine klar beschreibbare und eingrenzbare, besonders hilfsbedürftige Gruppe - und genau sicherheitsüberprüfen, wen wir aufnehmen. Fest steht: Brandstifter dürfen nicht nach Deutschland einreisen.

Warum geht Deutschland voran bei der Aufnahme – und kaum ein Land folgt, es gibt noch nicht mal Debatten dort?

Es handelt sich auch um kein Vorangehen, wenn man schon weiß, dass keiner folgt. Das war uns klar. Deswegen sollte man dieses falsche Argument auch nicht verwenden. In Europa gibt es leider manche wie Luxemburgs Außenminister Asselborn, die im Fernsehen große Reden schwingen, aber nicht an einer Lösung mitwirken, sondern ständig darüber reden, was andere zu tun hätten. Hinzu kommt: 2015 hat in Europa Spuren hinterlassen. Selbst das linksliberale Schweden will keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Trotzdem haben wir jetzt die große Chance, Europa endlich mit in die Verantwortung für die Camps an den Außengrenzen zu nehmen. Der Druck auf die EU ist jetzt groß genug und die Bereitschaft der Griechen ist da, unsere Vorschläge umzusetzen: Außengrenzen wirklich schützen, Asylverfahren schneller abwickeln und eine EU-Lösung für die Flüchtlingscamps.

Blicken wir auf CDU und CSU. Dieses Hochschnellen in den Umfragen seit Corona – ist das trügerisch?

Auf jeden Fall dürfen wir uns auf den aktuellen Umfragewerten nicht ausruhen. Unter der Corona-Decke gibt es weiter drei große Themen, auf die Politik Antworten geben muss: Migration, das haben wir in den letzten Tagen erlebt, den Klimaschutz und jetzt neu hinzugekommen die Sicherheit von Arbeitsplätzen und die wirtschaftliche Entwicklung. Nur eine Politik, die für alle diese Themen erfolgreiche Lösungen formuliert, hat eine Chance, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. 

In den Umfragen bricht Ihnen gerade der erträumte Koalitionspartner FDP weg. Schadenfreude – oder spüren Sie Sorge?

Ich gehöre nicht zu denen, die sich bereitwilligst auf eine schwarz-grüne Koalition einstellen wollen. Ich warne davor: Die Grünen sind nicht Lieblingspartner, sondern Hauptgegner der Union bei der Wahl im nächsten Jahr. Frau Baerbock hat sehr deutlich gemacht, dass sie nicht von Schwarz-Grün träumen, sondern ein Linksbündnis schmieden will. Wenn die Grünen die Wahl haben zwischen Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün, werden sie immer die linke Option ziehen.

Da müssen Sie gar nicht zu den Grünen schauen. Ihr Partner SPD auch – trauen Sie Parteichefin Esken über den Weg?

Bei der Frage eines Linksbündnisses würde ich nicht mal Olaf Scholz über den Weg trauen, zu dem ich ein gutes Verhältnis habe. Ganz offensichtlich wird die SPD jede Chance für Rot-Rot-Grün oder Grün-Rot-Rot nutzen.

Die Frage nach der FDP haben Sie elegant umschifft. Also: Sorge um die Lindner-Truppe?

Ich bin überzeugt, dass wir im Bundestag eine liberale Stimme brauchen. Gerade auch in wirtschaftlichen Fragen, die sich nach Corona stellen. Schön wäre es, wenn die FDP die mit einbringen könnte – aber die CSU ist dazu auch alleine in der Lage.

Will Markus Söder nun Kanzler werden? Wie lange windet er sich noch?

Die CDU hat das Vorschlagsrecht bei der Frage der Kanzlerkandidatur. Das heißt auch: Die Auseinandersetzungen zur Zeit finden ausschließlich innerhalb der CDU statt.

Glauben Sie, der CDU-Parteitag im Dezember wird trotz Corona klappen?

Davon bin ich überzeugt. Wo und wie, ist sicher offen. Man sollte vielleicht für unterschiedliche Tagungsorte parallel planen.

Die CSU muss mindestens klären, wer Spitzenkandidat auf der Liste wird. Was ist Ihr Vorschlag?

Die CSU hat immer nur dann einen Spitzenkandidaten, wenn wir den Kanzlerkandidaten stellen. Ansonsten treten wir mit einer Liste an, die wir im Juni aufstellen werden. Eitelkeiten über Listenreihungen sollten hinten anstehen.

Scheuer, Seehofer, Müller: Wie groß ist das Problem, dass Sie mit einem schwer angeschlagenen und zwei auslaufenden CSU-Bundesministern der Wahl entgegengehen?

So betrachte ich das nicht. Die Bundespolitik insgesamt steht vor einem großen Bruch nach 16 Jahren Angela Merkel. Viele Jüngere können sich an gar keine andere Kanzlerin erinnern. Das zeigt die Dimension der Veränderung nach der nächsten Bundestagswahl. Von daher ist es vollkommen normal und nachvollziehbar, dass auch ein zukünftiges Bundeskabinett sich deutlich verändern wird.

Dass Frau Merkel doch noch eine Amtszeit dranhängt – undenkbar?

Sie hat sich vollkommen festgelegt. Eine weitere Amtszeit ist definitiv ausgeschlossen.
 

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