Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 12.09.2024.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Die Kollegin Gyde Jensen hat völlig zu Recht gesagt, wir sollen hier nicht immer so miesepetrig unsere Reden halten. Deshalb will ich meine Rede etwas umstellen und ausnahmsweise mit etwas Lob beginnen.
Frau Ministerin, ich darf Sie zuerst loben. Das Lob ist ziemlich schnell abgearbeitet, aber trotzdem: Ich darf Sie loben dafür, dass Sie aus den letzten Haushaltsberatungen eine Erkenntnis mitgenommen haben und uns heuer drastische Kürzungen bei den Freiwilligendiensten ersparen. Warum sage ich das? Sie wissen selber, dass die Einsatzstellen in der Regel im September mit den Freiwilligendiensten beginnen. Das heißt also: Wenn die Einsatzstellen im September nicht wissen, ob sie im Januar noch Geld für diese Dienste haben, werden sie sich überlegen, ob sie die Stelle überhaupt schaffen. Deshalb ist es gut und wichtig, dass hier ein erhöhtes Maß an Planungssicherheit da ist. Es ist nicht ganz so viel Geld drin wie im letzten Jahr – die Kollegin Wiesmann hat darauf hingewiesen –, aber zumindest haben Sie uns die drastischen Kürzungen vom letzten Jahr heuer erspart, Frau Ministerin. Dafür mein erster Dank. – Da können meine Leute auch mal klatschen, wenn schon die SPD klatscht.
Der zweite Punkt ist die Kinder- und Jugendhilfeplanung. Ich glaube, das ist ganz wichtig; der Kollege Gassner-Herz hat darauf hingewiesen. Mit der Kinder- und Jugendhilfeplanung unterstützen wir die Jugend; wir unterstützen die Jugendverbände. Auch da hatten wir im letzten Jahr drastische Kürzungen. Ich hatte Sie in der Bereinigungssitzung darauf angesprochen und habe gesagt: Wir können doch nicht erst die Jugendverbände auf die Palme treiben, um sie ein paar Monate später wieder runterzuholen. – Das haben Sie uns auch erspart, zweites Lob.
Drittes Lob: Kindergrundsicherung. Die 100 Millionen Euro sind zunächst nicht im Haushalt. Das Ministerium sagt: Wir arbeiten weiter daran. Ich glaube, es wäre den Schweiß aller Edlen und Gerechten wert, wenn wir die immer enger werdenden finanziellen Mittel des Bundes tatsächlich so einsetzen, dass sie möglichst bei den Familien ankommen, dass sie die bedürftigen Familien über das Aufklären über den Kinderzuschlag, über aufsuchende Hilfen quasi, erreichen, anstatt – das hat ja die Anhörung im Ausschuss im Frühjahr ergeben – neue Bürokratie aufzubauen mit 1 000 Familienkassen und 5 000 Beschäftigten, wo das Geld des Bundes ein Stück weit in die Bürokratie fließt und für die Familien dann nichts mehr übrig bleibt. Wir sollten überlegen: Wie erreichen wir die Familien vielleicht besser? Ich glaube, das wäre wichtig. Das ist eine Hausaufgabe, bei der wir Sie im nächsten Jahr gerne noch unterstützen.
In einem Jahr müssen wir eh schauen, wie es aussieht.
Mit dem Anfang der parlamentarischen Beratungen für den Haushalt des Jahres 2025 beginnt der letzte Akt der Ampel. Ich muss es leider so deutlich sagen: Das ist gut so, sowohl haushalterisch als auch inhaltlich-programmatisch. Zum Haushalterischen: Nachdem die Union Sie im letzten Jahr beim Versuch, einen verfassungswidrigen Haushalt aufzustellen, stoppen musste, kam es auch in diesem Jahr nach wochenlangem Koalitionshickhack zur verspäteten Aufstellung des Haushalts für das kommende Jahr.
Der Bundeshaushalt soll rund 489 Milliarden Euro umfassen. Die Schuldenbremse – Gott sei Dank haben wir sie; das sehen manche hier anders – wird zulasten der jungen Menschen in diesem Land maximal ausgereizt. Und wir machen auch Schulden: In den Haushaltsjahren 2024 und 2025 machen wir immerhin 100 Milliarden Euro neue Schulden. Auch das gehört zur Wahrheit. Die Schuldenbremse ist zwar noch da; aber sie verhindert natürlich nicht eine Neuverschuldung des Bundes. Die Schulden von heute, meine Damen und Herren, sind die Steuern von morgen. Die nächste Generation muss das ausbaden.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sollte vielleicht auch an die jetzige Jugendgeneration denken und nachhaltig handeln und ihnen nicht nur einen Scherbenhaufen und Schulden überlassen. Da bitte ich Sie, noch mal in sich zu gehen.
Um überhaupt einen Haushalt für das kommende Jahr ins Parlament einbringen zu können, bedienen Sie sich zusätzlicher Tricks rund um die globale Minderausgabe. Es sind ja noch
12 Milliarden Euro ein Stück weit im Haushalt versteckt. In den einzelnen Etats sind darüber hinaus noch mehr globale Minderausgaben versteckt, die wir, wenn es ganz gut läuft, vielleicht nicht alle brauchen. Aber natürlich ist nicht sicher, dass wir sie nicht doch noch benötigen. Also, da sind schon Tricks dabei. Das werden wir uns in aller Ruhe in den nächsten Wochen bei den Haushaltsberatungen noch mal angucken. Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes, das den Haushältern vorliegt, bestätigt diese Tricks. Er spricht in dem aktuellen Papier von letzter Woche von hohen Deckungslücken und verfassungsrechtlichen Risiken für diesen Haushalt.
Das alles gehört genauso zur Ausgangssituation wie das miserable Wirtschaftswachstum oder die anhaltende Schwäche am Arbeitsmarkt; das alles ist Ihnen bekannt. Wir haben mittlerweile null Wirtschaftswachstum. Die Länder um uns herum sind da deutlich besser.
Wenn wir heute über den Einzelplan 17 sprechen, ist doch eines klar: Wir reden hier über die junge Generation in unserem Land, über die vielen jungen Familien und Frauen, die Menschen, die für Ihre Politik der letzten Jahre die Zeche zahlen müssen. Ist das Ihr Verständnis von Generationengerechtigkeit? CDU und CSU sagen dazu entschieden: Nein. Verantwortung für unser Land und die kommenden Generationen, die diese Schulden abtragen müssen, sieht anders aus.
Sie mögen jetzt, wie die letzten drei Jahre auch, die Realitäten und Bedürfnisse im Land ignorieren, sich wechselseitig über Ihren Koalitionspartner aufregen oder – Ihnen ist das auch nach drei Jahren in der Regierungsverantwortung nicht zu dumm; für die SPD sind es übrigens schon elf Jahre in Regierungsverantwortung – Ihre mangelhafte Programmatik mit der Vorgängerregierung entschuldigen. True Leadership sieht ganz anders aus, meine Damen und Herren. All das hat das Vertrauen in Sie als Ampel alles andere als gestärkt. Die aktuellen Umfragewerte belegen dies eindeutig. Mit der CDU/CSU-Fraktion – ich weise auf die Ausführungen der Kollegin Bär und des Kollegen Tebroke hin – wird es so einen Zirkus nicht geben.
Im Ergebnis landen wir mit dem von Ihnen hier vorgestellten Entwurf für das Haushaltsjahr 2025 fernab der Realitäten und Bedürfnisse von jungen Frauen, Familien und Senioren. Vor zwei Jahren sind der Ampel unter anderem die Sprach-Kitas zum Opfer gefallen.
Letztes Jahr waren es Kürzungen beim Elterngeld, und dieses Jahr ist der Programmbereich dran. Bevor ich aber dazu komme, noch ein Wort zum größten Ausgabenblock im Einzelplan 17, den gesetzlichen Leistungen, die mittlerweile immerhin 91,5 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen. In diesem Ausgabenblock ist das Elterngeld mit rund 7,8 Milliarden Euro die bei Weitem größte Position. Entgegen den vollmundigen Ankündigungen in Ihrem Koalitionsvertrag – ich spreche zum Beispiel von einer Dynamisierung in der Höhe oder von zusätzlichen Partnermonaten – haben Sie hier mit Ausnahme der letztjährigen Kürzung nichts unternommen, um diesen wichtigen Beitrag zu einer gleichberechtigten und geteilten Carearbeit zu leisten. Sie haben damit jungen Müttern und der Gleichberechtigung zwischen den Elternteilen einen Bärendienst erwiesen.
Den Rest, Frau Präsidentin, werde ich bei der zweiten Lesung des Haushaltes im November vorbringen.
Herzlichen Dank. – Danke auch, dass Sie mir immerhin 30 Sekunden Zusatzzeit gewährt haben. In dem Sinne: Alles Gute! Gute, konstruktive Beratungen mit allen Kolleginnen und Kollegen!