Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär in der Bundestagsdebatte zum Kinderzukunftsprogramm, 21.9.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 

Ich glaube, wir können heute festhalten, dass so gut wie alle Rednerinnen und Redner hier am Pult festgestellt haben, dass nach dem Weltkindertag, den wir gestern gefeiert haben, heute keine Debatte über die Zukunft von Kindern in diesem Land stattgefunden hätte, hätte es die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und unseren Antrag dazu nicht gegeben.

Warum ist das so? Warum stellen wir unseren Antrag „Kinderzukunftsprogramm starten“? Weil die Regierung ohne uns zum einen nichts vorgelegt hätte und weil Sie uns zum anderen seit zwei Jahren mit etwas, was bis heute in keiner Weise existent ist, der sogenannten Kindergrundsicherung, vorgaukeln, dass irgendwas gelöst wird. Das sind Potemkinsche Dörfer; das ist „Des Kaisers neue Kleider“. Wo ist denn diese ominöse Kindergrundsicherung?

Eckpunkte, Kabinett verschoben, Kabinett fällt aus, keine Einigung, FDP streitet mit den Grünen, Grüne streiten mit der FDP: Das ist doch ein Skandal! Diese Bundesregierung und auch diese Bundesfamilienministerin haben die Eltern, haben die Kinder, haben die Familien in unserem Land nicht verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn ich mich mal rein an den sogenannten Eckpunkten orientiere, dann muss ich sagen: Diese Kindergrundsicherung wird, sollte sie überhaupt irgendwann mal kommen – das bezweifle ich noch –, kein einziges Problem lösen. Eine große deutsche Tageszeitung hat es auf den Punkt gebracht: Diese Kindergrundsicherung wird kein einziges Kind dazu bringen, besser zu lesen, besser zu rechnen, besser zu schreiben. Sie werden damit kein einziges Kind aus der Armut holen.

Wissen Sie, wo Sie Weltmeister sind? Sie sind Weltmeister im Neue-Bürokratie-Schaffen: 500 Millionen Euro im Jahr – 500 Millionen Euro! Was hätte damit alles getan werden können?

Wie gesagt: nicht kabinettsreif, weder politisch geeint noch umsetzungsreif, wohl eher Formelkompromiss. Und – jetzt kommt das Entscheidende, Frau Paus – es basiert noch nicht einmal auf einer soliden Zahlengrundlage. Wissen Sie, warum mich das besonders enttäuscht?

Als Sie das Amt von Ihrer glücklosen Vorgängerin, Frau Spiegel, übernommen haben – das weiß schon gar keiner mehr; sie gab es auch mal bei den Grünen –, hieß es überall in den Zeitungen: Sie hat zwar noch nie Familienpolitik gemacht; aber jetzt kommt mal eine echte Finanzexpertin. Da kommt jetzt mal eine, die schon den Scholz im Untersuchungsausschuss gegrillt hat. Die kennt sich mit Zahlen aus. – Und nicht einmal mit Zahlen kennen Sie sich aus. Frau Paus, wenn Sie schon keine Leidenschaft für Kinder, für Familien, für Senioren, für Frauen haben, dann müssten Sie doch wenigstens Ahnung von Zahlen haben. Auch das tut mir wahnsinnig weh. Wie wenig Lust kann man auf seinen Job haben? Ich muss sagen: Das ist wirklich eine absolut große Enttäuschung an dieser Stelle.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dorothee Bär (CDU/CSU):

Nein, keine Zwischenfrage.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Gar keine. Okay.

Dorothee Bär (CDU/CSU):

Abgesehen davon stoßen Sie dann auch noch alle an-deren Player in diesem Spiel vor den Kopf, zum Beispiel die Länder: Eine kürzere Frist zur Stellungnahme hätte man ihnen nach zwei Jahren ja auch nicht zur Verfügung stellen können. Von den Ländern gibt es Kritik, von der Bundesagentur: Alle kritisieren das, aber die Kritik wird einfach weggewischt. Wie gesagt: eine wahnsinnig große Verwaltungsreform.

Wenn Sie wirklich was für dieses Land hätten tun wollen, hätten Sie sich lieber mal an Ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, den Sie vor zwei Jahren geschrieben haben. Da stand nämlich drin: Wir wollen die hervorragend funktionierenden Sprach-Kitas nicht nur verstetigen, sondern auch weiter ausbauen.
Ich war in den letzten Wochen und Monaten in über 40 Einrichtungen und habe mit Erzieherinnen sowie Leitungen gesprochen. Von dort kommt die eine große Kritik: Warum wurden die Sprach-Kitas gestrichen? Das war das niederschwelligste Instrument nicht nur zum Spracherwerb, sondern auch für mehr Qualität in unseren Kindergärten und in unseren Kitas.

Mit einem Federwisch ist das Programm einfach weg. Jetzt sage ich mal so: Nicht jede Kindergartenleitung in Bayern ist automatisch eine klassische CSU-Wählerin, aber die sagen: Größter Fehler der Ampel war, die Sprach-Kitas zu streichen. Jetzt kommt der zweitgrößte Fehler: die Kindergrundsicherung. Bei ihr gilt das Gießkannenprinzip, und sie hilft nicht den Einrichtungen.

Ich muss wirklich sagen: Liebe Regierung, setzen, sechs. – Setzen Sie unser Programm, unsere zehn Punkte um. Wir machen die Arbeit für Sie, weil Sie es einfach nicht können.
 

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