Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär in der in der Vereinbarten Debatte im Deutschen Bundestag zum Todestag von Jina Mahsa Amini im Iran, 20.9.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Erster Todestag von Jina Mahsa Amini, seit einem Jahr kämpfen die Menschen im Iran offen für ihre Freiheit. Es ist richtig, dass wir eine gemeinsame, eine Vereinbarte Debatte haben, um Jina Mahsa Amini nicht zu vergessen und immer wieder darauf aufmerksam zu machen, was jeden Tag auf den Straßen des Irans los ist.

Ich habe im letzten Jahr an sehr vielen Demonstrationen teilgenommen und durfte sehr viele starke iranische Frauen in Deutschland unterstützen, bei sehr vielen Veranstaltungen. Ich kann mich gut erinnern, dass gerade im Dezember letzten Jahres die große Sorge war: Was ist, wenn Weihnachten kommt? Werden wir dann vergessen werden?

Es ist gut, dass es nicht der Fall ist. Es ist gut, dass wir auch nach einem Jahr hier im Deutschen Bundestag nicht nur den Tod von Jina Mahsa Amini noch einmal in den Mittelpunkt stellen, sondern grundsätzlich debattieren und uns wirklich überlegen: Hätte in diesem Jahr nicht insgesamt mehr Unterstützung laufen können, mehr Unterstützung laufen müssen?

Ich sage ganz offen: Ich habe schon das Gefühl, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr stärker in den Fokus hätte nehmen können, ihren Versprechen von feministischer Außenpolitik auch Taten folgen zu lassen. Ich verhehle nicht, dass ich mir sehr viel erwartet habe von der ersten Ministerin im Auswärtigen Amt mit einer feministischen Außenpolitik, mit einer wertegeleiteten Außenpolitik. Aber die Bilanz ist mehr als ernüchternd, mehr als enttäuschend.

Ein Jahr lang sind wir jetzt Zeugen des Kuschelkurses gegenüber dem iranischen Regime, für den sich die Bundesregierung entschieden hat. Sie setzt uns damit tatenlos der Geiseldiplomatie aus. Sie hat ihre vermeintlichen Werte verkauft. Jetzt können Sie sagen: „Na ja, wir haben, als wir den Koalitionsvertrag schrieben, natürlich gehofft, dass es nie zum Schwur kommt.“ Aber es ist eben zum Schwur gekommen, in Afghanistan, aber eben auch im Iran. Aber die Bundesregierung hat ihre vermeintlichen Werte verkauft für die Aussicht auf einen Deal, der nie stattfinden wird.

Was sind denn die konkreten Vorschläge der Bundesregierung, wie eine Stärkung der demokratischen Opposition im Iran erreicht werden kann? Womit unterstützt sie denn konkret den Freiheitskampf der Iranerinnen und Iraner, und zwar nicht nur mit wohlfeilen Worten? – Es ist mehrfach gesagt worden, dass Worte wahnsinnig wichtig sind. Ja. Aber Worte allein reichen eben nicht. – Was heißt das denn für die inhaftierten deutschen Geiseln? Was kam denn dabei herum, als sich die Außenministerin – ich sage jetzt mal: endlich – vor ein paar Tagen in den USA mit Gazelle Sharmahd getroffen hat? Als Ga-zelle Sharmahd in Deutschland war, war der einzige Kontakt mit grünen Ministern der Bundesregierung in Person von Cem Özdemir, weil keine Zeit war, weil man dachte, man müsse sich nicht treffen. Und jetzt, kurz vor dem Jahrestag, weil man weiß, heute findet diese Debatte statt, kommt es zu einem Treffen. Das finde ich einfach nicht in Ordnung, das ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen.

Was sind denn die Fortschritte für die deutsch-iranische Geisel Nahid Taghavi, die im berüchtigten Evin- Gefängnis festgehalten und gequält wird, weil sie sich für die Rechte von Frauen starkmacht? Was folgt denn nach einem Telefonat mit dem iranischen Außenminister letzte Woche?

Ich kann Ihnen nur sagen: Business as usual legitimiert das Regime. Das geht einfach nicht so weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Unser Fraktionsvorsitzender hat die politische Patenschaft für Jamshid Sharmahd übernommen, wollte in den Iran einreisen, um sich persönlich einen Einblick in die Haftbedingungen zu verschaffen. Die Mullahs haben Friedrich Merz die Einreise verweigert.

Aber, wie gesagt, man erlebt es ja nicht nur im Ausland, wir erleben es ja in vielen Debatten – worüber wir in dieser Woche noch sprechen werden –, dass „Feminismus“ zwar die Überschrift ist, aber die Grünen alles andere als eine feministische Partei sind. Wenn sich schon Frauen im Inland nicht auf Sie verlassen können, dann ist es im Ausland eben erst recht nicht der Fall – es ist ganz bitter.

Sie verspielen eine historische Chance wertegeleiteter deutscher Außenpolitik. Nicht Deutschland, sondern die Vereinten Nationen haben den Iran aus der UN-Frauenrechtskommission geworfen. Nicht Deutschland, sondern die USA und Kanada haben die Schergen der Revolutionsgarden auf ihre Terrorlisten gesetzt.

Ich bin dem FDP-Generalsekretär sehr dankbar. Nach Ihrer Rede war mir gar nicht klar, dass Sie immer noch Mitglied dieser Bundesregierung sind. Aber vielen herzlichen Dank für Ihre sehr, sehr gute Rede, Herr Kollege Djir-Sarai!

Wo ist die Bundesregierung? Das Auswärtige Amt glänzt mit Nachrichten, wonach Visatermine an der deutschen Botschaft in Teheran zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. Das ist die Politik, die Sie machen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die jeden Tag auf die Straße gehen, die ihr Leben opfern, von denen die Verwandten nicht wissen, ob sie am Abend nach Hause kommen.

Es war schon bei der allerersten Rede zu diesem Tagesordnungspunkt heute wieder sehr stark zu spüren. Frau Kollegin Brugger, Sie haben gesagt: „Ich weiß ja schon, was die Opposition sagt“, weil Sie genau wissen, dass das, was hier von der Bundesregierung, von der Bundesaußenministerin geleistet wird, nicht ausreichend ist. Das hat sich ganz deutlich auch in Ihrer Rede durchgesetzt.

Auch wenn der Punkt morgen ohne Debatte stattfindet: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen hervorragenden Antrag geschrieben zu einem Jahr Revolution im Iran. Ich kann Sie nur bitten – und das ist Ihre Chance –, diesen Antrag zu unterstützen; dadurch ließen Sie Ihren Worten auch Taten folgen.

Ganz herzlichen Dank.

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