08.07.2016
„Nach der Reform ist vor der Reform“
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Rede zum Erneuerbare-Energien-Gesetz

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute zu beschließende Reform des EEG bedeutet einen wirklichen Systemwechsel – so weit sind wir uns einig. Künftig wird die Einspeisevergütung nicht mehr hier im Bundestag festgelegt, sondern vom Markt bestimmt. Strom aus erneuerbaren Energien soll in der Höhe vergütet werden, die für einen wirtschaftlichen Anlagebetrieb notwendig ist. Wir schaffen damit mehr Kosteneffizienz beim Ausbau der Erneuerbaren, und diese brauchen wir auch.

Gerade die Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Netzausbau ist von kaum zu überschätzender Bedeutung. Es hilft uns nichts, wenn wir zwar einen hohen Zuwachs an Erneuerbaren im Strombereich haben, aber keine Leitungen, über die der Strom abtransportiert werden kann.

Übrigens kommen wir gerade im rot-grün regierten Niedersachsen mit dem Netzausbau immer noch nicht voran. In Bayern läuft es mittlerweile. Insofern ist es schön, dass die bayerische Wirtschaftsministerin hier anwesend ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielleicht liegt da der Grund, warum der niedersächsische Minister nicht hier ist, aber die bayerische Ministerin schon. Das ist ein Beispiel für funktionierendes Regierungshandeln.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)

Wegen der Situation beim Netzausbau werden wir bestimmte Regionen als Netzengpassgebiete ausweisen, in denen der Ausbau der Windenergie begrenzt wird. Das ist ein wichtiger Schritt dahin, dass künftig bei der Standortwahl die Netzsituation stärker berücksichtigt wird, damit der Netzausbau insgesamt vorankommt.

Ich fühle mich in der heutigen Debatte bei einigen Wortbeiträgen um zwei Jahre zurückversetzt. Beim EEG 2014 hieß es: „Abbruchveranstaltung“, „Abrissbirne“, „ein Anschlag auf die Energiewende“. Das alles hat damals Herr Krischer gesagt. Heute wurde anscheinend Herr Krischer durch Herrn Hofreiter ausgewechselt, aber das macht die Sache insgesamt natürlich nur unwesentlich besser

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das macht es überhaupt nicht besser!)

oder überhaupt nicht besser. Diese Untergangsszenarien helfen uns nicht weiter, wenn wir bei der Energiewende vorankommen wollen. In Wirklichkeit ist es doch so, dass Sie mit Ihren unrealistischen Forderungen und Vorstellungen die Energiewende gefährden. Wir hingegen wollen die Energiewende zukunftssicher machen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Berichterstattern, bei Herrn Saathoff, aber auch bei Thomas Bareiß, bedanken. Ich möchte betonen, dass wir einen Wirtschaftsminister haben, der beim Thema Energiewende ganz bei der Sache ist und nicht über den Dingen schwebt, auch wenn man nicht immer zu denselben Schlüssen kommt. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil in der Debatte. Das hat der Minister in der letzten Ausschusssitzung auch noch einmal bewiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sehr feiner Zug!)

Wir wahren mit der Reform die Akteursvielfalt. Die Akzeptanz der Energiewende hängt auch von der Möglichkeit der Bürger ab, sich an der Energiewende zu beteiligen. Natürlich muss sich auch die Bürgerenergie dem Wettbewerb, dem Markt stellen. Ich glaube, dass die Bürgerenergie das auch kann. Wir haben hier eine gute Lösung gefunden. Bürgerenergieprojekte erhalten, wenn sie bei einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen, den Preis des letzten bezuschlagten Gebots; sofern möglich, müssen 10 Prozent der Anteile der jeweiligen Kommune angeboten werden.

Bei der Photovoltaik gilt eine Bagatellgrenze von 750 Kilowatt, das heißt, Betreiber von Anlagen, deren Leistung kleiner als 750 Kilowatt ist, müssen sich nicht an den Ausschreibungen beteiligen. Ich halte das für folgerichtig und aus Praktikabilitätsgründen auch für geboten.

(Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU])

Ab einer Größenordnung von 600 Megawatt wird bei der Photovoltaik zukünftig ausgeschrieben. Dabei gilt, dass die Freiflächen auf Äckern und Feldern nur infrage kommen, wenn das jeweilige Bundesland eine entsprechende Verordnung erlässt. An dieser Stelle muss man auch ansprechen, dass es ein Unding ist, dass für Photovoltaikfreiflächen gleichzeitig Ausgleichsflächen beansprucht werden müssen. Es muss sich also auch in der Bundeskompensationsverordnung etwas ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um meine Sicht ganz klar zum Ausdruck zu bringen: Photovoltaik gehört zunächst aufs Dach, höchstens noch auf Konversionsflächen des Bundes, aber eben nicht auf landwirtschaftlichen Nutzgrund.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Beginn der Degression bei der Geothermie wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Das ist aufgrund der von den Projektierern vielfach nicht verschuldeten planungsrechtlichen Verzögerungen auch gerechtfertigt. Skaleneffekte und Lernkurven können sich erst einstellen, wenn die Anlagen entsprechend umgesetzt werden.

Gerade der Bestand an Biogasanlagen kann dazu beitragen, die stark fluktuierenden Energien wie Wind und Photovoltaik in den Spitzen auszugleichen. Die Biomasseanlagen werden in den kommenden sechs Jahren mit einem Ausschreibungsvolumen von 1 050 Megawatt berücksichtigt; hier noch einmal mehr mein Dank an Bayern, das sich über den Bundesrat, aber auch in den Vorgesprächen sehr stark eingebracht hat, allen voran natürlich unsere bayerische Wirtschaftsministerin. Dabei erhalten auch die Betreiber von Anlagen, deren Leistung kleiner als 150 Kilowatt ist, die Möglichkeit, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen. Für sie wird der letzte erfolgreiche Gebotspreis übertragen, um ihre Chancen bei der Ausschreibung zu verbessern. Das ist ein erster Schritt für den langfristigen Erhalt der Biomasse, die durch ihre Flexibilität, durch ihre Grundlastfähigkeit, aber auch durch ihren Beitrag zur CO2-Einsparung wichtig bleibt.

Wenn man das Kostenargument bemüht, dann muss man auch darauf hinweisen, dass bei der Biomasse keine Netzausbaukosten anfallen. Die Verstromung von Schwarz- und Dicklauge – wir haben schon von Herrn Lenkert etwas darüber gehört – soll in den nächsten fünf Jahren außerhalb der Ausschreibung durch das EEG weiter gefördert werden. Die EEG-Vergütung wird über diese fünf Jahre degressiv abgebaut. Das schafft vor allem Wettbewerbsgleichheit unter den Zellstoffproduzenten; denn es hilft uns nichts, wenn wir noch zwei Zellstoffproduzenten im Osten haben, aber die Anlagen im Westen bankrottgehen. Die fünf Jahre sind dem EU-Vorbehalt geschuldet und dienen einer besseren Genehmigungsfähigkeit.

Die Reform des EEG stellt einen wichtigen Teil der Weiterentwicklung der Energiewende dar, hin zu mehr Kosteneffizienz bei gleichzeitiger Wahrung ökologischer Ziele.

Meine Damen und Herren, ein Mehr an Markt hilft, richtig umgesetzt, allen. Änderungen sind natürlich auch in Zukunft noch vorzunehmen. Im Herbst haben wir zahlreiche weitere Regelungen zu treffen. Es wurde schon angesprochen, dass gerade die Regelung zur Eigenversorgung der Industrie noch auf sichere Füße gestellt werden muss. Hier sind wir mit der EU-Kommission einen guten Schritt weitergekommen. Außerdem wird es um weitere Ansätze bei der Sektorkopplung gehen, und das Thema Netzausbau wird uns weiterhin begleiten.

Es wird beim EEG also weiterhin gelten: „Nach der Reform ist vor der Reform“, oder, um eine Fußballweisheit zu bemühen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, auch wenn diese Aussage gerade heute besonders bitter ist. Die heute zu beschließenden Änderungen sind insgesamt auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Deshalb bitte ich um Zustimmung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)