10.09.2020
Michael Frieser: Es gilt einen Weg zu finden die Grundprinzipien der Demokratie zu erhalten
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Redebeitrag zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vielen Dank. – Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Covid-19 hat uns nicht nur vor große Herausforderungen, sondern auch unsere Geduld auf eine extreme Probe gestellt. Wir – bis hinauf zum Parlament – haben, wie selten in der Geschichte dieses Landes, in einer Geschwindigkeit lernen müssen: Wie geht man mit so etwas um?

Die Bürgerinnen und Bürger haben das Ihre getan, haben sich diszipliniert und zurückgehalten. Das ist der Grund, warum Deutschland im Augenblick so dasteht, wie es dasteht, nämlich gut.

Aber im Ergebnis läuft es darauf hinaus, dass wir als Parlament feststellen mussten: Eigentlich ist nur der Verteidigungsfall wirklich geregelt. Deshalb gilt es, für die Herausforderungen, die auf unsere Demokratie zukommen – nicht nur im Falle einer Pandemie, sondern auch in anderen, wesentlichen Krisen –, einen Weg zu finden, wie man etwas ganz Grundsätzliches erhält, nämlich die Grundprinzipien der Demokratie. Worauf fußen die? Das Grundgesetz macht nicht umsonst ein solches Aufheben um die Organisation dieser Demokratie, weil es um etwas ganz Wesentliches geht, nämlich um den Grundsatz der Macht auf Zeit. Macht auf Zeit heißt Periodizität. In bestimmten Abständen müssen Wahlen durchgeführt werden, um die Macht dem Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern, wieder zurückzugeben.

Was machen sie, wenn Versammlungen in diesem Land nicht mehr möglich sind? Ich glaube, dass ich in meinem lauschigen Mittelfranken von Flutkatastrophen relativ verschont bleibe, andere Ecken in diesem Land vielleicht nicht. Was ist im Falle einer Pandemie, wenn sich Menschen nicht mehr versammeln können? Genau darum geht es. Bei der Änderung des Bundeswahlgesetzes geht es darum, die Handlungsfähigkeit zu erhalten. Die Funktionalität wird nun mal über uns und über viele Tausende von Mandatsträgern in diesem Land sichergestellt.

Deshalb geht es darum: Wie schaffen wir es, dass die Übertragung dieser Macht auf Zeit auch in Fällen des großen Drucks, der großen Herausforderungen gewährleistet werden kann? Das wollen wir nicht einfach delegieren, indem wir sagen: „Liebes Bundesministerium des Innern, mach, was du willst“ – Kollege Krings, nehmen Sie mich nicht so ernst –, sondern wir wollen, dass die Gewaltenteilung an dieser Stelle erhalten bleibt, dass das Parlament mit einbezogen ist.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Stimmt doch nicht!)

Schon jetzt hat das Bundesinnenministerium, was das Thema „Wahlen und ihre Organisation“ anbetrifft, extreme Möglichkeiten, gerade über den Verordnungsweg. Hier geht es aber darum, dass wir – das Parlament, der Souverän – feststellen müssen, wann eine solche Situation tatsächlich eingetreten ist, wann am Ende des Tages in diesem Land eine Bundestagswahl mit Blick auf unsere normalen Empfindungen und Ansprüche also nicht mehr organisierbar ist.

Deshalb kann über den Weg dahin sehr wohl debattiert und gestritten werden; das ist auch gut so. Wir machen den Vorschlag, dass das Bundesministerium des Innern nur dann diese Organisation über eine Verordnung regeln kann, wenn auch das Parlament den entsprechenden Zustand feststellt.

Jetzt kann man sagen: Der Bundestag müsste sich dazu versammeln. Was ist aber, wenn er sich nicht mehr versammeln kann? Also machen wir das über den Wahlprüfungsausschuss, der gemeinhin nicht nur über eine besondere Legitimation verfügt, sondern eben auch ein sehr viel kleinerer Spiegel dieses Parlamentes ist.

Deshalb glauben wir, dass es an dieser Stelle wirklich das mildeste Mittel des Eingriffs ist, dass wir die Gewaltenteilung – das Einbeziehen des Parlaments – aufrechterhalten, aber dann die organisatorischen, formalen Wege beim Bundesinnenministerium verorten. Der Punkt ist, die Parteien in ihrer Eigenständigkeit, in ihrer Organisationsselbstständigkeit zu unterstützen, damit sie flexibel auf diese Situation reagieren, flexibel – auch übrigens in den Regionen flexibel – von ihrer Satzung Gebrauch machen und weiterhin die Demokratie von unten nach oben organisieren können.

Deshalb glaube ich: Wir haben wirklich viel gelernt – auch in dieser Krise –, bis hin zu einem wirklich digitalen Schub. Es gilt, auch darüber nachzudenken, wie wir über diesen Zeithorizont und natürlich auch über die Frage hinaus, wie wir einen solchen Krisenfall meistern können – natürlich sind Parteien auch Vereine; deshalb müssen wir sie auch gleichbehandeln –, in Zukunft mit digitalen Parteitagen umgehen und wie in Zukunft die Meinungsbildung von unten nach oben möglichst barrierefrei funktionieren kann.

Es ist ein Anfang, diesen Schub zu verwenden, um uns auch dafür zu wappnen, diese unsere so wichtige Demokratie, die sich als schlagkräftig erwiesen hat, auch in Zukunft in Krisen und bei Herausforderungen aufrechtzuerhalten und zu verteidigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)