Interview 15.12.2017
„Wir wollen die Große Koalition - aber nur die“
Alexander Dobrindt
© Henning Schacht

Ein Bündnis zwischen SPD, CDU und CSU kann nicht einfach eine Neuauflage der bestehenden Großen Koalition sein, sagt CSU-Landesgruppenvorsitzender Alexander Dobrindt im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Nötig ist stattdessen eine Projektgemeinschaft „Zukunft Deutschland“. Hier lesen Sie das gesamte Interview:

Herr Dobrindt, möchten Sie in der Haut von Martin Schulz stecken?

Er muss eine mutlos gewordene SPD auf den Weg der Tugend und in die Regierungsverantwortung zurück bringen. Das ist eine der größten politischen Herausforderungen. Ich wünsche ihm dabei viel Erfolg. Wir wollen die Großen Koalition, aber ausschließlich die und nicht so einen Kinderkram wie KoKo.

Wissen nach dem ersten Kennenlern-Treffen zwischen CDU, CSU und SPD alle drei Partner, was eine stabile Regierung ist und dass man sie braucht?

Wir haben klar gemacht, dass eine stabile Regierung sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie keine wechselnden Mehrheiten zulässt. Nur so entsteht das notwendige Vertrauen für vier Jahre. Für uns gibt es definitiv nur diese eine Möglichkeit. Bis vor wenigen Monaten hat die SPD übrigens auch so gedacht.

Für die SPD ist entscheidend, dass sie sich bei der Rentenfrage und der Bürgerversicherung durchsetzen kann. Halten Sie das für möglich?

Die Bürgerversicherung kennen wir aus der linken ideologischen Mottenkiste seit 20 Jahren. Sie hatte bisher keine Chance, auch nicht bei Rot-Grün. Dabei bleibt es.

Die SPD verlangt als Einstiegsvoraussetzung in GroKo-Sondierungen, dass die Union vertrauensbildende Vorleistungen erbringt. Ist das seriöse Politik?

Wir verhandeln über politische Inhalte, wenn wir in Gesprächen sind, aber ganz sicher nicht davor. Wir stehen doch nicht am Anfang einer politischen Beziehung oder beim Abtasten sich fremder politischer Partner. Wir regieren seit vier Jahren zusammen. Wir brauchen keine vertrauensbildenden Maßnahmen und keinen Schnupperkurs. Das ist ein politisches Schauspiel. Wir sollten es den Bürgern ersparen.

Die letzte Große Koalition war geprägt vom Verhältnis auf Augenhöhe zwischen Union und SPD. Würde das mit einer 20-Prozent-SPD auch noch gelten?

Ich sehe drei Parteien auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Jede dieser drei Parteien ist notwendig, um ein Regierungsbündnis zu bilden. Das bedingt für jeden gleichermaßen Respekt bei den Verhandlungen.

Würden Sie sich wünschen, dass sich die SPD bei den Verhandlungen einfach mal etwas lockerer macht? Sie hat doch in der letzten GroKo viel inhaltlich durchgesetzt.

Ich verstehe, dass die SPD nach einem 20-Prozent-Ergebnis nicht politisch locker sein kann. Aber man muss zu seiner Verantwortung stehen. Deshalb sollte sie von ihrem Nein zur GroKo wieder runterkommen. Ich traue der Führung der SPD, insbesondere der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles zu, dass ihr dieser Schritt gelingt. Gerade sie kann es schaffen, die SPD zum richtigen Verhalten zu motivieren.

Mit einer „Bätschi“-Rede?

Andrea Nahles und ich haben eine lange gemeinsame Tradition. Wir haben uns in der politischen Auseinandersetzung nie etwas geschenkt, waren aber auch immer zum vertrauensvollen Miteinander in der Lage. Daran kann man anknüpfen.

Wie überhaupt eine neue GroKo in einem starken selbstbewussten Parlament vom Miteinander der Fraktionen und nicht so sehr der Parteizentralen lebte?

Einen Koalitionsvertrag schließen die Parteien. Aber die gesetzgeberische Arbeit findet im Parlament statt. Das Gelingen einer GroKo hängt entscheidend vom wirken selbstbewusster Fraktionen ab.

Bedauern Sie, dass die FDP nicht mehr mit im Spiel ist?

Ich wollte immer eine Koalition zwischen den Parteien des bürgerlichen Lagers. Ich bedaure, dass das nicht möglich ist.

Gerade Sie persönlich wollten nie eine Koalition mit den Grünen. Sind Sie nach den Jamaika-Sondierungen milder gegenüber den Grünen gestimmt?

Ich habe seit den 80er Jahren Erfahrungen mit den Grünen. Sie sind heute nicht mehr nur die linke Protestpartei, die Ansammlung von Öko-Stalinisten oder Weltfremden. Nach den vielen Sondierungsgesprächen mit den Grünen muss ich manche meiner früheren Einschätzungen revidieren. Die Grünen sind nach wie vor zwar keine bürgerliche Partei, aber sie haben sich seit den 80er Jahren positiv entwickelt.

Sollten die GroKo-Kontakte platzen wäre dann eine Neuauflage eines Jamaika-Versuchs denkbar, ehe man zu Neuwahlen käme?

Jamaika ist momentan Geschichte. Aber wir sind sehr viel näher an einen Erfolg herangerückt als ich das prognostiziert habe. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man in vier Jahren Jamaika erfolgreich starten könnte.

In dieser Legislaturperiode geht nichts mehr?

Es gibt keinen zweiten Aufguss in dieser Legislaturperiode. Wenn die nächsten Sondierungen scheitern ist die logische Folge, dass wir in Kürze, also noch vor der Sommerpause, Neuwahlen haben werden.

Eine Minderheitsregierung kann es nur zum Zweck einer möglichst schnellen Neuwahl geben?

Stimmt.

Wo sehen Sie das größte GroKo-Risiko: In der Zerrissenheit der SPD, bei der Basisbefragung oder in überdrehten politischen Forderungen?

Die SPD muss begreifen, dass ein Bündnis mit CDU und CSU keine neue Auflage der bestehenden Großen Koalition sein kann. Wir brauchen eine neue Zukunftsvorstellung über Wachstum, Sicherheit und Modernisierung. Die neue Große Koalition sollte eine Projektgemeinschaft „Zukunft Deutschland“ sein.

Die SPD wehrt sich entschieden gegen die harte Unionslinie zum Familiennachzug. Kann daran die GroKo scheitern?

Bei der Bundestagswahl haben nicht nur die Unionsparteien Wähler an die AfD verloren, sondern auch SPD und Linkspartei. Wer den Spuk einer Rechtsaußenpartei im Bundestag beenden will, und ich will das, der muss die Gründe für die Bewegung der Wähler hin zur AfD beseitigen. Das Aussetzen des Familiennachzugs war und ist richtig. Wenn man den Familiennachzug jetzt wieder ermöglichen würde, bedeutet dies eine völlige Überforderung der Integrationsfähigkeit Deutschlands und würde die AfD weiter stärken.
Das kann auch die SPD nicht wollen.

Wäre es in Zeiten des Umbruchs gut, wenn der CSU-Vorsitzende seine politische Schwerpunktarbeit in Berlin sähe?

Horst Seehofer und ich haben eine engste Verbundenheit. Wir haben gemeinsam den goldenen Herbst für die CSU bei den Wahlen 2013 mit zu verantworten. Bei den Jamaika-Sondierungen hat Horst Seehofer erneut seine hohe Durchschlagskraft bewiesen.

Deshalb wird im neuen GroKo-Kabinett Vizekanzler?

Er hat eine singuläre Position in der deutschen Politik, weil er 2015 und 2016 als ein Einziger in der Flüchtlings- und Migrationsfrage eine Position vertreten hat, die so der politische Mainstream nicht mehr in der Lage war zu vertreten. Wenn wir als Unionsparteien langfristig erfolgreich sein wollen, brauchen wir so eine herausragende Persönlichkeit. Wenn er seine zukünftige politische Wirkungsstätte in Berlin sieht, hat er meine vollste Unterstützung.