Redebeitrag zur finanziellen Situation der Kommunen

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kommunale Finanzausstattung ist ein wesentlicher Aspekt gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Viele von uns waren lange in der Kommunalpolitik aktiv gewesen oder sind es teilweise sogar noch. Auch ich war 15 Jahre in der Kommunalpolitik in meiner Heimatstadt in Nürnberg aktiv und habe mich intensiv mit Haushalts- und Finanzpolitik in unserer Stadt auseinandergesetzt. Deshalb: Das Thema „finanzielle Ausstattung der Kommunen“ ist eine wirklich wichtige Frage, aber man kann sie nicht einfach mit dem Thema Umschuldung, so wie Sie es fordern, beantworten. Denn auch die umfangreiche Antwort der Bundesregierung zeigt die große Komplexität genau dieser Fragestellung.

Ich glaube, es gibt vier Wahrheiten bei diesem Thema:

Die erste Wahrheit ist – Eckhardt Rehberg hat darauf hingewiesen –: Nach dem Grundgesetz sind die Länder für die finanzielle Situation in den Kommunen zuständig und nicht der Bund.

Die zweite Wahrheit ist: Obwohl der Bund nicht zuständig ist, muss man aber de facto feststellen, dass der Bund seiner großen Verantwortung nachkommt und trotzdem viel tut. Die sehr ausführliche Darstellung in der übrigens guten Antwort zeigt auf, was der Bund, was die Bundesregierung und was die Große Koalition hier auf den Weg gebracht haben: die großen Bundesprogramme, die es für die Kommunen gibt, die Fördertöpfe und die zahlreichen Leistungen, übrigens gerade in der Coronapandemie eine weitere Erhöhung der Bundesbeteiligung bei den Kosten der Unterkunft.

Aber auch schon vorher wurde ja vieles getan. Ich erinnere an die Bundesinvestitionshilfen, an das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-Bundesprogramm, an die Grundsicherung und die Übertragung von Umsatzsteuerpunkten. Eckhardt Rehberg hat auf vieles schon hingewiesen. Daran sieht man doch, was der Bund bereits macht, obwohl er eigentlich gar nicht zuständig ist.

(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])

Die dritte Wahrheit ist: Die finanzielle Situation der Kommunen war vorher sehr gut; auch das geht aus dem Bericht hervor. Die Schulden konnten abgebaut und teilweise Investitionen vorangetrieben werden. Oftmals kam es zum Investitionsstau. Aber auch da – darauf wurde richtigerweise hingewiesen – lag es nicht an der Zurverfügungstellung von Geld, sondern am Abruf der Mittel. So wurden teilweise Verwaltungskapazitäten nicht geschaffen, so wurden teilweise Baufirmen nicht gefunden, um es abzuarbeiten, weil einfach die Wirtschaft ausgelastet war, oder Mittel wurden nicht abgerufen, wie wir es zum Beispiel jetzt bei der Digitalisierung von Schulen erleben. Wir stellen das Geld zur Verfügung, aber es wird nicht in dem Maße abgerufen, wie es abgerufen werden sollte.

Natürlich hat sich die Situation der Kommunen in der Coronapandemie verschlechtert. Das liegt aber vor allem natürlich an der Volatilität der Gewerbesteuer, also am Ausmaß der Schwankungen bei der Gewerbesteuer in der Krise. Es gab ja wesentliche Bemühungen vom damaligen Finanzminister und heutigen Präsidenten Wolfgang Schäuble, hier eine Konstanz zu schaffen, eventuell durch eine stabile Alternative zur Gewerbesteuer. Aber dies wurde von den Kommunen selbst abgelehnt.

Deswegen glaube ich, dass wir auch die Frage stellen müssen: Können wir uns das als Bund alles leisten? Otto Fricke hat darauf hingewiesen: Nur 38 Prozent der Steuereinnahmen gehen an den Bund. Wir haben in diesem Jahr eine Neuverschuldung von 218 Milliarden Euro, natürlich aufgrund der Coronapandemie. Wir hatten zuerst geplant, keine neuen Schulden aufzunehmen. Das war übrigens vor der Pandemie noch völlig realistisch. Aber wir müssen uns heute fragen: Können wir uns weiterhin den Kurs, den Sie von Rot-Grün fordern, leisten? Ich glaube, eine Umschuldung wäre falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die vierte Wahrheit – das will ich noch einmal unterstreichen –: Wir müssen kurz- und mittelfristig viele Länder wieder darauf aufmerksam machen, dass sie zuständig sind. Das Geld ist in den Ländern da. Also müssen sie auch die Zuständigkeit und die Verantwortung wahrnehmen. Ich glaube, es wäre ein Fehler, wenn wir einfach die Gedankenspiele fortsetzten und sagten: Wir entschulden jetzt alle Kommunen. Damit würden wir übrigens die Kommunen benachteiligen – das gehört auch zur Wahrheit über die gleichwertigen Lebensverhältnisse –, die schon gute Arbeit geleistet haben. Bayerische und andere Kommunen, die sich stark entschuldet und investiert haben, wären dann benachteiligt. Das kann nicht der Weg sein.

Liebe Frau Kollegin Haßelmann, wenn Sie sich schon auf die Kommunalwahlen in NRW am Sonntag vorbereiten, dann sollten Sie in einer solchen Debatte auch deutlich sagen: Wir als Große Koalition tragen die Verantwortung. Wir werden der Verantwortung auch gerecht. Wir stellen die Mittel für die Kommunen und die Länder zu Verfügung. Aber es muss abgerufen werden. Dort, wo Sie Verantwortung tragen, müssen Sie erst einmal zeigen, dass die Mittel überhaupt abgerufen werden und dass das funktioniert. Das ist die Wahrheit. Wir haben die Verantwortung und werden ihr gerecht.

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: So einfach ist das leider nicht immer!)

Im Zuge dieses von Ihnen aufgesetzten Tagesordnungspunkts sollte man sagen: Wer ist der verlässliche Partner in der Krise? Wer ist der verlässliche Partner bei Wirtschafts- und Finanzfragen? Es ist diese Große Koalition.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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