Hansjörg Durz in der Bundestagsdebatte zum Sofortprogramm für die deutsche Wirtschaft, 11.4.2024.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

In wenigen Monaten wird in München mit dem Spiel Deutschland gegen Schottland die Fußballeuropameisterschaft eröffnet. Vor wenigen Monaten war das Vertrauen in unsere Mannschaft trotz vieler hervorragender Einzelspieler nach zwei sehr enttäuschenden Auftritten völlig am Boden. Dann hat unser Nationaltrainer Mut bewiesen. Er hat Entscheidungen getroffen, die übrigens nicht allen in der eigenen Mannschaft gefallen haben. Und er hat nach innen und nach außen klar kommuniziert.

Der Mut hat sich gelohnt. Nach zwei weiteren, nun aber sehr überzeugenden Spielen hat sich die Stimmung im Land komplett gedreht. Das Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Teams ist wieder da. Und so einen Comebackplan brauchen wir auch für unsere Wirtschaft.

Wir brauchen endlich eine Wirtschaftswende. Dazu muss eine Person an der Spitze mutig vorangehen, muss entschlossen entscheiden und klar kommunizieren. Aus großer Sorge um die Lage der deutschen Wirtschaft haben Friedrich Merz und Alexander Dobrindt Anfang Februar einen Brief mit zwölf Sofortmaßnahmen an den Bundeskanzler geschrieben. Eine Antwort haben sie nicht erhalten, bis heute nicht. Enttäuschend!

Natürlich, das Niveau unserer Volkswirtschaft ist immer noch hoch. Was uns aber Sorgen machen muss, ist die Entwicklung, das geringe Wachstum. Unser Wohlstand ist in Gefahr. Wir sind Schlusslicht in Europa, Schlusslicht unter den Industrieländern. Auch andere Länder haben Herausforderungen und können damit ganz offensichtlich besser umgehen. Der Bundeswirtschaftsminister spricht von einer dramatisch schlechten Lage und musste seine eigene Prognose für 2024 von 1,3 Prozent auf 0,2 Prozent nach unten korrigieren. Nullwachstum! Deutschland ist seit 2022 nicht mehr gewachsen. Das bedeutet nichts anderes als zwei Jahre des Stillstands.

Der BDI-Präsident spricht von „zwei verlorenen Jahren“. Das schreit doch nach einer Antwort, nach einer Reaktion; das schreit nach einer Wirtschaftswende.

Die Unternehmen und die Verbraucher haben das Vertrauen in die Zukunft verloren, und zwar wegen Ihrer Politik. Das beste Beispiel ist immer wieder das Heizungsgesetz. Und weil wir dringend eine Wende brauchen, bringen wir unser Sofortprogramm seit Monaten immer wieder ein. Denn wir müssen jetzt handeln, um unsere wirtschaftliche Substanz zu erhalten.

Bei der Lesung des Antrages, dessen zweite und dritte Lesung wir eigentlich heute abhalten wollten, im Februar haben sämtliche Ampelredner auf das Wachstumschancengesetz verwiesen. Laut Institut der deutschen Wirtschaft sorgt dieses Gesetzchen für gerade einmal 0,05 Prozent Wirtschaftswachstum. Die bitter nötigen Wachstumsimpulse lassen weiter auf sich warten. Um Vertrauen zu schaffen, ist weit mehr notwendig.

Und dann loben Sie immer Ihre Leistungen bei der Bürokratieentlastung. Nur, da ist bisher schlicht so gut wie nichts passiert. Letzten Sommer hat Ihnen unsere Wirtschaft über 440 ganz konkrete Vorschläge zur Bürokratieentlastung vorgelegt. Übernommen wurden davon gerade einmal elf, und umgesetzt sind davon bis heute null, weil Sie es noch nicht einmal schaffen, dieses Bürokratieentlastungsgesetz dem Deutschen Bundestag zuzuleiten. Das schafft kein Vertrauen.

Immerhin hat der Bundesfinanzminister mittlerweile eine ganze Reihe der zwölf Punkte aus unserem Sofortprogramm übernommen, von der steuerlichen Entlastung von Arbeit bis zur Rückabwicklung des Bürgergeldes. Nur zeigen die Reaktionen Ihrer Partner ein weiteres Mal die Zerstrittenheit innerhalb der Ampel, und auch das schafft kein Vertrauen.

Herr Houben, wenn Sie die fehlende Gegenfinanzierung, das fehlende Preisschild kritisieren, dann wird Ihnen wahrscheinlich Ihr Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister erklären, wie die Maßnahmen, die er von unserem Papier übernommen hat, gegenfinanziert werden.

Unser Sofortprogramm ist sicher nur ein Anfang. Neben den konjunkturellen Problemen müssen wir auch die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit angehen. Aber unser Sofortprogramm ist ein guter Anfang, und wir müssen jetzt handeln. Der Bundeskanzler muss endlich den Ernst der Lage erkennen, das Heft des Handels in die Hand nehmen und nicht die Sorgen der Wirtschaft als Klagelied eines Hamburger Kaufmanns abtun. Diese Einstellung und diese Einschätzung färben ganz offensichtlich auch auf die SPD ab, wie wir heute gehört haben.

„Never change a winning team“ ist eine bekannte Fußballerweisheit. Das bedeutet aber auch: Wenn die Tabellensituation eindeutig ist - Schlusslicht in Europa -, wenn die Entwicklung eindeutig ist - die Regierung korrigiert ihre eigenen Prognosen nach unten - und wenn Sie dann nicht einmal die Kraft zu einer Reaktion haben, dann muss die Mannschaft hinterfragt und natürlich vor allem die Trainerfrage gestellt werden.

Vielen Dank.

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