Rede zur Fortentwicklung der haushaltsnahen Getrennterfassung von wertstoffhaltigen Abfälle

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit 13 Jahren betreibe ich auf verschiedenen Ebenen, im Europaparlament und hier im Deutschen Bundestag, Umweltpolitik. Ich muss sagen: Das Wertstoffgesetz bzw. Verpackungsgesetz ist eines der schwierigsten Gesetzgebungsvorhaben für mich in dieser Zeit. Auch wenn wir heute nicht über ein Wertstoffgesetz, sondern über ein Verpackungsgesetz diskutieren, so bringt auch dieses Gesetz einige wichtige Fortschritte.

Die Recyclingquoten werden erhöht. Die Dualen Systeme, die für die Sammlung der Verpackungsmaterialien verantwortlich sind, werden verpflichtet, die Beteiligungsentgelte stärker an ökologischen Kriterien zu orientieren. Eine neue zentrale Stelle soll einen fairen Wettbewerb zwischen den Dualen Systemen und allen betroffenen Marktteilnehmern sicherstellen.

Gerade durch die erhöhten Recyclingquoten werden wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und dem Stoffkreislauf wieder zugeführt. Dies ist aus Sicht des Ressourcenschutzes sehr, sehr positiv. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten auch Sie einmal anerkennen.

Die Kommunen sind in diesem gesamten Umfeld die Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger bei der Abfallentsorgung. Funktioniert bei der Abfallentsorgung etwas nicht, greifen die Bürger zum Telefonhörer und rufen bei den Kommunen an. Egal ob die Kommunen zuständig sind, wie im Fall des Hausmülls, oder nicht, wie im Fall der Verpackungsabfälle aus Plastik und Metall, die Kommunen werden angerufen. Derzeit ist es so, dass sich eine Kommune mit einem Dualen System hinsichtlich der Entsorgung der Verpackungsabfälle einigen muss. Das hat in der Vergangenheit in der Praxis oft zu Problemen geführt. Deshalb wollen wir die Kommunen stärken und ihnen mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben.

Nach dem Verpackungsgesetz können die Kommunen in einer Abstimmungsvereinbarung festlegen, ob die Verpackungsmaterialien über ein Holsystem oder über Wertstoffhöfe gesammelt werden. Die bewährten Sammelstrukturen bzw. Sammelsysteme der Kommunen können erhalten bleiben; das ist eine ganz wichtige Botschaft. Die Kommunen können dann auch sagen, welche Größe der Behälter hat, von welcher Art er ist, ob sie einen Sack oder eine Tonne wollen, und sie können auch die Abholintervalle festlegen. Damit stärken wir die Rechte der Kommunen. Das wird dazu beitragen, dass die Sammlung der Verpackungsmaterialien letztendlich bestmöglich auf die Hausmüllsammlung abgestimmt werden kann. Auch das ist ein wichtiger Nebeneffekt.

Meine Damen und Herren, wir werden in den kommenden Wochen gemeinsam mit den Vertretern aller Seiten darüber diskutieren, ob die im Gesetz enthaltenen Formulierungen rechtssicher sind und den Kommunen wirklich weiterhelfen. Allerdings dürfen wir den Wettbewerb nicht einschränken. Wir müssen ihn weiterhin erhalten. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt.

Auch an einer anderen Stelle werden wir die Rechte der Kommunen stärken. Für den Fall, dass ein Duales System der Verabredung nicht nachkommt, wollen wir die Kommunen mit wirkungsvollen Durchgriffsrechten ausstatten. Werden beispielsweise gelbe Säcke nicht abgeholt oder wird eine gelbe Tonne nicht geleert, kann die Kommune sogar zur Ersatzvornahme greifen und ein anderes Unternehmen beauftragen. Die dadurch entstehenden Kosten müssen dann von dem entsprechenden Dualen System getragen werden. Denn, meine Damen und Herren, wer seine Hausaufgaben nicht richtig macht, muss eben nachsitzen und wird in diesem Fall auch zur Kasse gebeten.

Es war und ist uns ein Herzensanliegen, den Kommunen mehr Einflussmöglichkeiten zu geben. Ich habe, glaube ich, gerade sehr ausführlich dargestellt, dass wir das auch tun. Aber ich sage Ihnen auch ganz klar: Eine Rekommunalisierung der gesamten Abfallentsorgung mit dem Ziel einer mittelfristigen – das ist ja das eigentliche Ziel, das dahintersteht – Abschaffung der Dualen Systeme, wie es die grünen Umweltminister der Länder gefordert haben, wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nicht nur die! Wir auch! – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!)

An vielen Stellen der Abfallentsorgung sind mittelständische Betriebe aktiv, mit denen viele Kommunen übrigens hervorragend zusammenarbeiten. Diesen Mittelständlern würden wir mit einer kompletten Rekommunalisierung die Grundlage entziehen. Wir wollen ein faires Miteinander zwischen den Kommunen und der Entsorgungswirtschaft durch die Vorgabe eines klaren Rahmens und durch Spielregeln, die dann auch in der Abstimmungsvereinbarung festgelegt werden.

Neben der Stärkung der Kommunen ist mir die Abfallvermeidung generell – sie wurde bereits angesprochen – ein weiteres Anliegen. Deshalb hat es mich auch überrascht – ich muss das so deutlich sagen, Frau Umweltministerin –, dass das Bundesumweltministerium die derzeit geltende verpflichtende Mehrwegquote von 80 Prozent ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen hat; denn tun wir dies, führen wir die ganze Diskussion über Einweg und Mehrweg ad absurdum. Deswegen würde ich mir schon wünschen – ich möchte das an dieser Stelle so deutlich sagen –, dass wir die Quote wieder ins Gesetz aufnehmen. Ich setze mich dafür ein.

(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir alle! Dann machen wir es doch!)

Ich sage aber – da stimme ich dem Kollegen Thews zu –, dass wir dann auch überprüfen müssen, ob die Quote erreicht wird. Wird sie nicht erreicht, müssen wir auf der Basis von Ökobilanzen Konsequenzen ziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Als heimatverbundene Fränkin aus einer Weinregion möchte ich noch auf ein letztes Thema zu sprechen kommen. Dieser Punkt ist auch in der Stellungnahme des Bundesrates enthalten, und es wurde schon angesprochen: Der Bundesrat fordert, die Pfandpflicht nicht mehr am Produkt, sondern am Verpackungsmaterial zu orientieren. Dies lehnen wir entschieden ab, und ich sage Ihnen auch, warum: Aufwand und Nutzen stünden in keinem angemessenen Verhältnis.

Ich kann Ihnen das auch sehr gut an einem Beispiel aus meiner Heimatregion erklären:

Die Weintradition lebt von der unverwechselbaren Flaschenform. Bei mir in Franken ist es eben die bauchige Flaschenform, der sogenannte Bocksbeutel. – Ich habe ihn im Europäischen Parlament übrigens auch mal gerettet und dafür gesorgt, dass der europäische Schutz für diese Flasche erhalten bleibt.

(Zuruf von der SPD: Sie waren das!)

– Ja, ich war das, genau.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Bocksbeutel ist europäisch geschützt!)

Würden Weinflaschen bepfandet werden, könnten sie überall abgegeben werden. Was will ein Winzer aus der Pfalz mit diesem Bockbeutel anfangen, in dem nur Wein aus dem Anbaugebiet Franken abgefüllt werden kann? Für ihn ist die Flasche vollkommen unbrauchbar, und er muss sie umständlich nach Franken transportieren. Das würde der Umwelt unter dem Strich gar nichts bringen.

Damit habe ich Ihnen das am Beispiel von Franken erklärt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Weisgerber, so hochinteressant das auch ist, aber bitte setzen Sie einen Punkt.

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Ich komme zum Schluss. – Das Verpackungsgesetz befindet sich auf der Zielgeraden. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Kommunen, der Wirtschaft, den Umweltverbänden, den Verbrauchern und den Bundesländern über die Ziellinie gehen und den Gesetzentwurf verabschieden – für höhere Recyclingquoten, für eine Stärkung der Kommunen und für einen funktionierenden Wettbewerb.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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