Rede zum Wettbewerb bei der Post

23.a) Zweite und dritte Beratung FDP
Stärkung wettbewerblicher Strukturen im Markt für Postdienstleis tungen (PostWettG)
- Drs 16/8906, 16/13152 -
23.b) Beratung BeschlEmpf u Ber (9.A)
zum Antrag FDP
Wettbewerbsintensität im Binnenmarkt für Postdienstleistungen erhöhen
- Drs 16/8773, 16/13152 -
23.c) Beratung BeschlEmpf u Ber (7.A)
zum Antrag FDP
Keine Vorzugsbehandlung der Deutschen Post AG bei der Umsatzsteuer
- Drs 16/676,16/8809 -
Die FDP fordert in ihrem Gesetzentwurf mehr Wettbewerb auf dem deutschen Postmarkt. Das wollen wir auch. Aber mehr Wettbewerb führt nicht immer automatisch zu mehr Beschäftigung, wie wir es begrüßen würden.
 
Der Leitgedanke der Sozialen Markt­wirtschaft soll sich auch auf dem Postmarkt wiederfinden. Wettbewerb pur, wie es die FDP einfordert, führt schnell zu sozialen Verzerrungen und regionalen Benachteiligungen in der postalischen Versorgung; wie zu befürchten im ländlichen Raum.
 
Wird den klaren Regeln des Wettbewerbs ohne Leitplanken gefolgt, so würden wir bald sehen, wie manche Postdienstleistungen aus der Fläche ver­schwinden. Wir wollen aber, dass auch zukünftig flächendeckend postalische Dienstleistungen für alle Menschen auch im ländlichen Raum zur Verfügung stehen.
 
Das ist nur mit entsprechender Regulierung im Zuge der Liberalisierung zu schaffen.
 
Die größte Weiterentwicklung im deutschen Postmarkt haben wir zum Anfang letzten Jahres geschafft mit der voll­ständigen Liberalisierung des deutschen Post­marktes und dem kompletten Wegfall des Monopols, also der gesetzlichen Exklusiv­lizenz der Deutschen Post AG. Das Datum 1.1.2008 ist der Meilenstein für „Mehr Wett­bewerb im Postmarkt“.
 
Nichtsdestotrotz liegt dieser Meilenstein gerade einmal ein gutes Jahr zurück. Dieser neu und vollständig geöffnete Markt braucht Zeit sich zu etablieren und zu festigen.
 
Dies geschieht bereits im Paketbereich mit Erfolg. Geschätzte Zahlen vom Postwettbewerber Hermes belegen, circa ein Drittel aller Privatpakete werden in Deutschland von Hermes ausgeliefert. Mittlerweile gibt es im Paketshop-Netz von Hermes 14.000 Annahmestellen – beim Getränkehändler, beim Bäcker oder in der Wäscherei um die Ecke. Auch neue Arbeitsplätze durch die Errichtung neuer Distributionszentren wurden geschaffen. Genau so wünschen wir uns das.
 
Dank höherer Sendungsaufkommen bei den Paketen in folge von Entwicklungen wie Ebay und zahlreicher Webshops sowie neuer innovativer Ideen funktioniert hier ein gesunder Wettbewerb. Das zeigt: Wir haben bereits mehr Wettbewerb in Deutschland geschaffen. Das ist eine gute Nachricht.
 
Neben der Forderung nach noch stärkerem Wettbewerb im Postmarkt will die FDP eine steuerliche Gleichbehandlung aller Anbieter im lizenzierten Bereich. Diese soll hergestellt werden, durch eine Einführung der Umsatzsteuerpflicht für die Deutsche Post AG. Die steuerliche Gleich­behandlung findet meine Zustimmung. Nur Art und Zeitpunkt der Umsetzung sind im Detail zu betrachten.
 
Gerade jetzt in den schwierigen Zeiten der Wirtschaftskrise wären Portoerhöhungen gänzlich das falsche Signal. Höhere Portopreise würden bei den Bürgerinnen und Bürgern zu Recht auf völliges Unver­ständnis und Ärger stoßen. Das muß man bei der Entscheidung über die künftige umsatzsteuerliche Behandlung im Blick haben.
 
Einen weiteren Punkt halte ich beim Thema Umsatzsteuer für wichtig. Wettbewerber, die ebenfalls in ganz Deutschland flächen­deckend Briefe zustellen und Briefe annehmen, müssen auch im Hinblick auf die Umsatzsteuerbelastung gleich behandelt werden. Das ist fairer Wettbewerb.
 
Herstellen kann man den auf zwei Arten: durch eine Steuerpflicht für alle Marktteilnehmer wie durch eine Steuerbefreiung. Letztere verhindert eher Portoerhöhungen.
 
Allerdings darf Deutschland in der Mehrwertsteuerfrage nicht isoliert handeln. Es war richtig, das EuGH-Urteil im britischen Verfahren TNT Post – British Mail abzuwarten, bevor wir hier einen Schnellschuss ein Gesetz verabschiedet hätten.
 
Es ging im EuGH-Urteil um die zwei wichtigen Fragen, welche Postdienstleistung von der Mehrwertsteuer zu befreien sind, und wie eine „öffentliche Posteinrichtung“ zu definieren ist. Ende April 2009 wurde nun das Urteil verkündet.
 
Das Urteil zeigt uns drei wesentliche Eckpunkte auf:
 
  1. Universaldienstleistungen nach dem Postgesetz und nach der Postuniversaldienstleistungsverordnung sind steuerbefreit.
 
  1. Mehrwertsteuerpflichtig sind Universaldienstleistungen, die zu individuell ausgehandelten Bedingungen erbracht werden.
 
  1.  Die Steuerbefreiung setzt eine Verpflichtung des Unternehmers voraus, den gesamten Universaldienst oder einen Teil dessen zu erbringen. Ein Teil in diesem Sinne sind Briefdienstleistungen oder Paketdienstleistungen gemäß Postuniversaldienstleistungsverordnung, die jeweils flächendeckend erbracht wird.
 
Diese Eckpunkte müssen wir nun bei einer Änderung bzw. Anpassung unseres Umsatzsteuergesetzes berücksichtigen.
 
Wollen wir in Deutschland den Übergang von einem ehemals staatlichen Monopol zu einem freien Wettbewerb positiv begleiten, so müssen wir die richtigen Rahmen­bedingungen setzen. Es geht dabei um die Rahmenbedingungen für die Kunden, die Rahmenbedingungen für die betroffenen Unternehmen und um die Rahmen­be­dingungen für die betroffenen Arbeitnehmer.
 
Wir dürfen nicht vergessen, in diesem Bereich der Postdienstleistungen sind in Deutschland mehr als 200.000 Menschen beschäftigt. Deswegen dürfen wir nicht nur von Märkten und mehr Wettbewerb. Wir sollten vor allem auch über die Menschen und deren berufliche Perspektiven nachdenken.
 
Und wir müssen die flächendeckende Versorgung der Menschen mit einfachen Postdienstleistungen gewähren und sicherstellen. Dabei sind günstige Preise wichtig; genauso wie die Nähe zum Kunden und eine gute Qualität der Dienstleistung.
 
Besonders die flächendeckende Versorgung mit Briefdienstleistungen im ländlichen Raum muss an dieser Stelle ein besonderes Gewicht haben. Es reicht mir nicht zu wissen, dass theoretisch eine Postfiliale in allen Regionen Deutschlands möglich ist. Unsere Aufgabe muss es sein sicher­zustellen, dass die Menschen überall ihre Briefe und Pakete, an jedem Werktag und ohne lange Wege verschicken und erhalten können.
 
Den Übergang von einem ehemals staatlichen Monopol zu einem freien Wettbewerb positiv begleiten, bedeutet für mich daher einen geregelten Übergang zu schaffen unter Berücksichtigung der Interessen der Kunden und der Beschäftigten der bisherigen Monopol­branche und ebenso unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der neuen Marktteilnehmer.
 
Ganz gewiss werden wir daher das Umsatzsteuergesetz und die Post-Universaldienstleistungsverordnung an die neuen Marktbedingungen anpassen müssen, um für alle Marktteilnehmer gleiche Chance zu schaffen.
 
 
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