CSU-Landesgruppenchef Dr. Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Norbert Wallet, Stuttgarter Nachrichten über die Gesundheitsreform und uneinsichtige Ministerpräsidenten

Bayerns Statthalter in Berlin lobt den Pragmatismus des neuen FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler. Den Bundesländern würde Friedrich größere Steuerautonomie einräumen.

Frage:
Herr Friedrich, 100 Milliarden Neuverschuldung im nächsten Jahr - ein Schock für Sie?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Nein, es bleibt ja bei den längst vorgesehenen 86 Milliarden Neuverschuldung im Haushalt. Da hat sich nichts verändert. 14 Milliarden Euro kommen aus den Investitions- und Tilgungsfonds hinzu, die selbstständig Kredite aufnehmen und tilgen können. Das darf man nicht vermengen.

Frage:
Bleibt überhaupt noch politischer Spielraum - etwa für eine strukturelle Steuerreform?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Natürlich machen die krisenbedingten Mehrausgaben die Spielräume enger. Aber wir müssen weg von einem statischen Denken. Steuerentlastung schafft Wachstumsimpulse, und die schaffen neue Einnahmen.

Frage:
Die CSU hält an der Strukturreform fest?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Zusätzlich zu den 14 Milliarden Entlastung, die ab Januar ohnehin kommen, bringt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz weitere 8,5 Milliarden. Das wird Schub für das Frühjahr geben. Dann muss man die Steuerschätzung im Mai abwarten. Eins ist klar: Veränderungen der Steuerstruktur ohne echte Entlastungen sind zum Scheitern verurteilt, weil sie zu viele Verlierer produzieren. Entlastungen an der einen Stelle stünden Belastungen an anderer Stelle entgegen. Wer den Erfolg will, braucht also echtes Entlastungspotenzial. Es kann nicht falsch sein, Leistungsträger in der Mitte der Gesellschaft zu entlasten. Diesen Willen haben wir.

Frage:
Und für das Betreuungsgeld ist dann auch noch Geld da?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Das soll 2013 eingeführt werden, wenn auch der Anspruch auf Kinderbetreuung greift. Das Betreuungsgeld ist ein Schwerpunkt in unserer Familienpolitik in dieser Wahlperiode. Es ist ein Stück ausgleichende Gerechtigkeit für die Eltern, die ihr kleines Kind selbst betreuen und damit auch auf Einkommen verzichten. Das Betreuungsgeld soll keine Anreize setzen, sondern Wahlfreiheit ermöglichen.

Frage:
Das Pauschalen-Modell in der Krankenversicherung ist aufgrund der Finanzlage aber doch nicht auch noch finanzierbar?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Die CSU steht für den Grundsatz, dass auch innerhalb der Krankenversicherung stärkere Schultern mehr tragen als schwache. Die FDP sieht das anders, aber ich bemerke sehr wohl, dass der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sehr unideologisch an die Sache herangeht. Er hat signalisiert, die Kosten für die Mitversicherung von Kindern und nicht verdienenden Ehegatten anders als durch Beiträge zu finanzieren. Das ist ein wichtiger Schritt auf uns zu. Wir werden uns am Ende ohne Eifer und Streit ganz pragmatisch einigen.

Frage:
Die Bundesregierung ringt mit den Ländern um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Hat man die Rechnung ohne den Wirt, die Bundesländer, gemacht?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wir werben ja um die Unterstützung der schwarz-gelb regierten Bundesländer. Denn die Union und die FDP haben den Koalitionsvertrag unterschrieben und auf kleinen Parteitagen verabschiedet - inklusive dieses Vorhabens. Alle Parteien sind da eine Verpflichtung eingegangen bis hin zu der expliziten Erklärung, den Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie abzusenken.

Ich wundere mich, dass ausgerechnet aus Ländern, die besonders auf die Solidarität der anderen angewiesen sind, jetzt in dieser Phase die gesamtstaatliche Verantwortung infrage gestellt wird. Ich fürchte, damit tun sie den Bürgern in ihren Ländern keinen Gefallen. Ich bin nicht sicher, ob die handelnden Akteure die Tragweite ihres Tuns ganz überblicken.

Frage:
Starke Länder wollen ohnehin die Neuregelung des Ausgleichs zwischen Arm und Reich.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Die starken Länder sehen, dass die Erfolge ihrer Konsolidierungsanstrengungen zu 90 Prozent in andere Länder abfließen. Da wird der Leistungsanreiz genommen. Ich bin dafür, dass man sich stärker als bisher um eine weitere Entflechtung der beiden bundesstaatlichen Ebenen bemüht. Jedes Land muss letztlich auch finanziell für die Auswirkungen der eigenen Politik einstehen. Es kann nicht sein, dass die einen munter Geld ausgeben und sich dann bei den anderen, die unter großen Schmerzen Sparprogramme machen, über Finanzausgleiche schadlos halten. Es muss mehr Eigenständigkeit geben.

Frage:
Das hieße: eigene Steuerhoheit der Länder.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Ja. Bei den wichtigsten Steuern haben wir Gemeinschaftssteuern. Das verwischt die Zuständigkeiten. Mindestens müsste den Ländern das Recht auf individuelle Steuerzuschläge und -abschläge zugestanden werden. Deshalb ist mein Vorschlag, eine Föderalismuskommission III ins Leben zu rufen.

Frage:
Haben Sie eine Erklärung für den holprigen Start der Koalition?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Die FDP war elf Jahre in der Opposition, in der man immer Maximalforderungen vertreten kann. In der Regierung muss man sich umstellen. Umgekehrt muss sich auch die Union vom Trauma der Großen Koalition befreien, wo es einen Partner gab, der einen stets austricksen wollte. Union und FDP lernen dazu. Ich bin sicher: Der Start der neuen Koalition ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

© 2009 Stuttgarter Nachrichten

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