Rede zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung

3.) Zweite und dritte Beratung Bundesregierung

Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz)

- Drs 17/7916, 17/8495, 17/8616 -

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz offen: Ich bin glücklich und zufrieden, dass wir heute dieses Gesetz zum Abschluss bringen. Es hat viele Nerven, viel Zeit und viel Arbeit gekostet, aber es hat sich gelohnt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb mein herzliches Dankeschön an alle, die konstruktiv mitgearbeitet und mitgewirkt haben, an die Kolleginnen und Kollegen, an das Ministerium für Arbeit und Soziales, also an Sie, Frau von der Leyen, und an – ich sage einmal – unsere Ministerin Frau Ilse Aigner.

Die Errichtung des Bundesträgers, die wir heute beschließen, ist für mich ein Quantensprung. Warum? Denken wir nur einmal an die Diskussionen der vergangenen Jahre, aber auch der vergangenen Monate: Wie viele Zweifel, wie viel Kritik und wie viel Widerstand gab es in den Ländern und bei den Trägern? Fast alle dachten, sie wären am Ende die Verlierer. Unser Ziel war, dass es am Ende unter den Bäuerinnen und Bauern, aber auch unter den Beschäftigten möglichst viele Gewinner gibt. Ich danke dafür, dass für diese Maßnahme von 2012 bis 2014 zusätzlich 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht selbstverständlich; denn gerade unter Rot-Grün wurden die Bundesmittel für die landwirtschaftliche Unfallversicherung über Jahre hinweg gekürzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Edmund Peter Geisen [FDP])

Unser Ziel, die Eigenständigkeit eines bewährten Systems zu erhalten, es zukunftsfest zu machen, dem Strukturwandel Rechnung zu tragen, eine moderne Organisationsstruktur aufzubauen, Kräfte und Kompetenzen zu bündeln mit dem Ziel, mehr Gerechtigkeit und einen bundeseinheitlichen Beitragssatz nach dem Motto „gleiche Betriebe, gleiche Beiträge“ zu schaffen, ist erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ferner ist eine Sozialversicherung für alle erreicht. Das ist vielen noch nicht bewusst. Wir haben nun eine große Solidargemeinschaft für die Alterssicherung, für die Unfall-, die Kranken- und die Pflegeversicherung geschaffen – alles unter einem Dach. Es ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Ich kann nur an alle Beteiligten und Betroffenen appellieren: Leben Sie diese Solidargemeinschaft!

Ich darf an dieser Stelle einen der Experten der Anhörung, nämlich Herrn Mertz vom Zentralverband Gartenbau, zitieren, der wörtlich gesagt hat: Unsere Heimat ist die landwirtschaftliche Sozialversicherung. – Schöner kann man es nicht sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben nach der Anhörung im Sinne dieser Solidargemeinschaft nachgebessert. Ich nenne nur die Stichwörter Errichtungsausschuss, Teilnehmer und Erhöhung der Zahl der Mitglieder. Die Regionalbeiräte werden in dauerhafte Fachausschüsse überführt. Das heißt, die ganze Kritik, die hier von der Opposition kam, ist obsolet, weil wir im Grunde genommen vieles, vor allem das Wichtige, aufgegriffen haben. Ein Beispiel ist die Vermögenszuordnung. Unter den Trägern gab es eine riesige Diskussion darüber, wie viel Geld der Bundesträger an Mindestausstattung zu Beginn braucht. All diese Probleme haben wir gut gelöst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Darüber hinaus war uns wichtig – dies hat die Kollegin Connemann schon sehr intensiv ausgeführt –, dass wir auch weiterhin motivierte Mitarbeiter brauchen. Wir wussten durch all die Gespräche von ihren Sorgen und Befürchtungen: Kann ich meinen Arbeitsplatz behalten? Muss ich meinen Dienstort verlassen? Aber ich sage auch: Es gibt neue Zukunftschancen und aus meiner Sicht auch neue Weiterentwicklungsmöglichkeiten; denn das hervorragende Fachwissen und das überdurchschnittliche Engagement werden bei den einzelnen Trägern bundesweit dringend benötigt, und zwar nicht nur in der arbeitsintensiven Aufbauphase.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir als Abgeordnete können uns natürlich besonders gut in diese Situation hineinversetzen. Ich habe meinen Arbeitsplatz in Berlin zwar freiwillig gewählt, aber mein Lebensmittelpunkt ist in Mittelfranken – mein Bauernhof und meine Familie sind dort –,

(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sodass ich ein Stück weit diese Sorge: „Was kommt auf mich zu?“, gut nachvollziehen kann.

Der ausgehandelte Fusionstarifvertrag, auf den ich gern noch einmal verweise, konnte mit Augenmaß – das ist nicht selbstverständlich –

(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Nee, für Schwarz ist das nicht selbstverständlich!)

geschlossen werden. Er ist ganz wichtig und kann von der Opposition aus meiner Sicht nicht kritisiert werden. Er wurde zwar kritisiert, aber es gibt keinen Grund dazu; denn wir haben im Grunde genommen alle Bedenken ausgeräumt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Den Belangen der Tarifvertragsangestellten und der DO-Angestellten wurde Rechnung getragen; die A-Besoldung wurde berücksichtigt. Wenn jetzt bei der B-Besoldung auch noch das hohe Fachwissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt wird, dann kann eigentlich gar nichts mehr schiefgehen. Gerade hier gibt es hochqualifizierte Führungskräfte, deren Fachwissen aus meiner Sicht nicht verloren gehen sollte, weil wir es weiterhin dringend brauchen.

Zu den Linken. Gestern im Ausschuss hat es sich noch anders angehört:

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja! Genau so ist es!)

nicht zukunftsfest, nicht tragfähig, strukturelle Probleme bleiben, Eigenständigkeit ist nicht gegeben, anderswo eingliedern – all das sind Stichworte aus der gestrigen Ausschusssitzung. Ich halte das für ein fatales Signal an die Bäuerinnen und Bauern und an die Beschäftigten, wenn Sie schon jetzt ein Gesetz kritisieren, das noch nicht einmal beschlossen, geschweige denn in Kraft getreten ist.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wann sollen wir es denn sonst kritisieren? Das ist der Sinn der Opposition, Frau Kollegin! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir sind hier im Parlament! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Was wahr ist, muss wahr bleiben!)

Die Aussage der Linken, dass sie fest an der Seite der Landfrauen stehen, habe ich mir gemerkt.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ich bin auch Landfrau!)

Ich hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich hier eingelassen haben. Marlene Mortler und Gitta Connemann sind zum Beispiel Landfrauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Wenn wir in Zukunft weiterhin unseren Sachverstand einbringen – ich bin nebenbei Bäuerin –, dann kann eigentlich gar nichts schiefgehen. Es kann auch nichts schiefgehen, wenn Sie eine Maßnahme, die unter der Regierung Kohl mit Minister Theo Waigel 1995 beschlossen worden ist, nämlich die sogenannte Defizithaftung in der landwirtschaftlichen Alterskasse, auch weiterhin mittragen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Bauern die Folgen des Strukturwandels untereinander selbst finanziell ausgeglichen. Seit 1995 wird der finanzielle Ausgleich der Folgen des Strukturwandels durch die Bundesregierung über die Defizithaftung abgesichert. Wir stehen auch in Zukunft dahinter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das ist Unfug! – Gitta Connemann [CDU/CSU]: 1995! Nicht 1971! – Max Straubinger [CDU/ CSU]: Unter Theo Waigel eingeführt!)

Aufgabenübertragung an Dritte. Lieber Kollege Ostendorff, heute bin ich etwas freundlicher zu dir, weil wir einen tollen Gesetzentwurf verabschieden.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke schön! Mein Gott, was ist los? Was habe ich getan?)

Die Übertragung an Dritte ist nichts Neues; es gab sie schon immer.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Die gab es nicht immer! Das ist falsch! Nur in Bayern gab es die immer! Hinter Bayern ist die Welt nicht zu Ende!)

Das ist auch in der allgemeinen Sozialversicherung möglich. Ich wiederhole einfach noch einmal, was Kollege Straubinger gesagt hat: LSV-Versicherte erhalten diejenigen Leistungen, die im Leistungs- und Kostenverzeichnis stehen,

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stimmt nicht!)

und zwar vollkommen unabhängig davon, ob sie Mitglied des Bauernverbandes sind oder nicht.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das bei uns in Nordrhein-Westfalen!)

Mehr noch: Der Bauernverband bei uns in Bayern nimmt ihm übertragende Aufgaben für alle Versicherten zum Nulltarif wahr. Das wollte ich zur Klarstellung sagen.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Für alle! Nicht nur für Mitglieder! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein Quatsch?)

Mir ist es lieber, wenn jemand diese Aufgaben erfüllt, den ich für seriös halte, und nicht jemand, der irgendwelchen Firlefanz macht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb waren die Mitarbeiter in der Sozialversicherung!)

Zur Hofabgabeverpflichtung. Ich verstehe nicht, wieso Sie die Hofabgabeverpflichtung zu einem Riesenproblem hochgepusht haben, nur weil einige wenige in Ihren Büros oder wo auch immer aufgetaucht sind und sich beschwert haben. Diese Erfahrung habe auch ich gemacht. Aber: Wir müssen an das Große und Ganze denken. Wir halten an dem Grundsatz „Keine Rente ohne Hofabgabe“ fest, weil wir auch an die jungen Menschen denken müssen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen wir mal nach Österreich! Wie ist das denn in Österreich? In Österreich gibt es sie nicht!)

Mein Sohn zu Hause wartet, ehrlich gesagt, schon darauf, dass der Vater den Hof endlich abgibt,

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist euer Problem! Das ist doch nicht Sache des Gesetzgebers!)

und der Vater freut sich schon, dass er dann morgens nicht mehr als Erster aufstehen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann regelt ihr das doch mal zu Hause! Oder soll der Gesetzgeber regeln, wie bei dir der Hof übergeben wird?)

Meine Damen und Herren, wer abgabewillig ist, kann die Hofabgabeverpflichtung schon heute erfüllen, weil wir im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ein breites Spektrum an Abgabemöglichkeiten geschaffen haben. Die verschiedenen Möglichkeiten müssen nur genutzt werden.

Noch einmal: Wir müssen den Blick in diesem Fall auf die Jugend richten.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb hat Österreich sie abgeschafft!)

Wir müssen vor allem die Frage, die Kollegin Connemann angedeutet hat, ernst nehmen: Was bedeutet es, wenn man die Hofabgabeklausel gänzlich abschafft? Mit dieser Frage müssen wir uns näher befassen.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fahren wir doch mal nach Österreich und gucken es uns dort an! Österreich ist doch nicht so weit weg von hier! Das können wir doch machen!)

Ich weise an dieser Stelle darauf hin: Wir haben die Situation verbessert. Wir haben erreicht, dass in Zukunft ein Hof abgegeben bzw. die Zahlung einer Rente ausgelöst werden kann, egal wie alt bzw. jung – das ist entscheidend – die Bäuerin ist.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es könnte doch auch ein Bauer sein!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin.

Marlene Mortler (CDU/CSU):
Das heißt, der Altersunterschied von zehn Jahren, der bisher für Ehepaare galt, spielt in Zukunft keine Rolle mehr. Entscheidend ist, dass die Bäuerin abgabewillig ist. Wir haben dafür gesorgt, dass für den landwirtschaftlichen Betrieb keine Probleme entstehen. Damit haben wir eine Verbesserung erzielt.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Marlene Mortler (CDU/CSU):
Ja, ich weiß. Die Frauenquote, Herr Präsident.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nein, nein. Redezeitquoten.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

Marlene Mortler (CDU/CSU):
Herr Präsident, ich bin gnädig. Die weibliche Sicht der Dinge ist immer ein Gewinn. Da ein Bauernhof in der Regel aus Mann und Frau besteht, kommt es hier aber nicht auf die männliche oder die weibliche Sichtweise an,

(Zurufe von der SPD: Oh! Oh!)

sondern es geht um die Anliegen, die ein Betrieb als Ganzer hat. Daran orientieren wir uns.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

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