CSU-Landesgruppe mit klarer Haltung in Debatte zur östlichen Partnerschaft

Thomas Silberhorn erläuterte in der Debatte zur Regierungserklärung zur östlichen Partnerschaft der Europäischen Union die Haltung der CSU-Landesgruppe. Es gehe um eine strategische Ausrichtung der Eu¬ropäischen Union bezüglich Länder Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Aserbaidschan, Ar-menien und Georgien. Dabei gehe es nicht nur um Handels¬erleichterungen und Visaerleichterungen, sondern insbesondere auch um die grundsätzliche Richtung dieser Staaten. Diese müssten den Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit finden. „Diese Länder haben noch einen weiten Weg vor sich. Deswegen ist es richtig, dass wir diese Östliche Partnerschaft nicht in Verbindung mit einer Beitrittsperspektive bringen“, so Thomas Silberhorn in der Debatte. Er nutzte die Gelegenheit, um auch noch einmal die Grundsätze der CSU-Landesgruppe in der Bewältigung der EU-Staatsschuldenkrise deutlich zu machen. „Haushaltsdisziplin, die damit verbundenen Strukturreformen und die Sanierung der nationalen Haushalte bleiben Anker unserer Politik“, so Thomas Silberhorn, der auch betonte, dass es niemandem in der Europäischen Union nutze, die Stärkeren schwächer zu machen.

Die Rede im Wortlaut:

Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Bundeskanzlerin hat einen Ausblick auf den nächsten Gipfel in Wilna zur Östlichen Partnerschaft gegeben. Wir als CSU vertrauen ganz auf ihre große Routine

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist auch gut so!)

und ihr ebenso großes Geschick, das sie auf vielen Gipfeln unter Beweis gestellt hat. Sie wird unsere Interessen dort gut vertreten und den Blick auf die ganze Europäische Union bewahren.

Meine Damen und Herren, bei der Östlichen Partnerschaft geht es um eine strategische Ausrichtung der Europäischen Union bezüglich folgender Länder im Osten: Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Aserbaidschan, Armenien und Georgien. Wir reden nicht nur über Handelserleichterungen, über Visaerleichterungen, sondern wir müssen insbesondere über die grundsätzliche Richtung dieser Staaten reden. Wir wollen, dass sie den Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit finden. Dafür bieten wir unsere Unterstützung konkret an.

Diese Länder haben noch einen weiten Weg vor sich. Deswegen ist es richtig, dass wir diese Östliche Partnerschaft nicht in Verbindung mit einer Beitrittsperspektive bringen. Für die Zukunft ist nichts ausgeschlossen, aber wir sollten uns auch nicht mit zu großen Erwartungen überfrachten. Vielmehr sollten wir die nächsten gangbaren Schritte gehen.

Es gibt Länder, die möglicherweise eine Entwicklung in die andere Richtung vollziehen wollen, was uns mit Sorge erfüllen muss. Deswegen müssen wir sehr klar darauf hinwirken, dass Erleichterungen im Handel und bei Visa klare Voraussetzungen haben. Wir wollen sichtbare Fortschritte bei der Einhaltung der Menschenrechte, bei unabhängiger Justiz, bei freier Presse, bei alldem, was insgesamt den Bewegungsspielraum der Zivilgesellschaft angeht. Wir können auf das Ausbleiben von Reformen oder sogar auf verschärfte Repressionen nicht dadurch antworten, dass wir fröhlich Abkommen schließen, sondern wir müssen dort, wo es Fortschritte gibt, positiv reagieren und die Entwicklung unterstützen. Dort, wo Fortschritte nicht in dem von uns gewünschten Umfang möglich sind, weil die Bedingungen eben nicht vorliegen, müssen wir aber immerhin den Gesprächsfaden aufrechterhalten und weiter zeigen, dass wir an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Europäische Union unterbreitet ganz konkrete Angebote der Zusammenarbeit. Das steht in einem bemerkenswerten Kontrast zu der Vorgehensweise Russlands. Dass Russland mehr oder weniger offen versucht, diesen Prozess zu torpedieren, ist hier schon angesprochen worden. Wir müssen nicht nur klarmachen, dass wir ein Veto von dritter Seite für den Prozess der Europäischen Union nicht akzeptieren können, sondern dass Drohgebärden und Druck auch keine geeigneten Instrumente für Partnerschaften sind. Russland wird sich die Frage stellen müssen, ob es nicht andere Handlungsmöglichkeiten hat, als mehr oder weniger stark am Gashahn zu drehen oder Lebensmitteleinfuhren zu kontrollieren.

Wir in der Europäischen Union unterbreiten daher ein Angebot für eine umfassende Partnerschaft auf der Basis eines solidarischen Miteinanders. Wir sollten Russland allerdings auch davon überzeugen, dass diese Östliche Partnerschaft nicht gegen Russland gerichtet ist. Wir müssen den Gesprächsfaden auch mit Russland aufrechterhalten. Wir müssen uns über die geplanten Projekte kontinuierlich austauschen und informieren. Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, der in der Zukunft entstehen könnte, kann durchaus auch Russland offenstehen. Deswegen sind die Freihandelsabkommen, über die wir gerade im Rahmen der Östlichen Partnerschaft diskutieren und verhandeln, nicht ausschließend gemeint.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Hinblick auf die Östliche Partnerschaft will ich darauf hinweisen, dass auch die Projekte der transeuropäischen Verkehrsnetze von großer Bedeutung sind. Sie erschließen nicht nur die Peripherie, sondern sie sollen auch den gesamten Binnenmarkt in der Europäischen Union stärken. Gerade mit Blick auf unsere östlichen Nachbarn können die transeuropäischen Netze die Handelschancen deutlich verbessern. Deutschland liegt im Zentrum der meisten dieser geplanten Verkehrswege. Deshalb profitieren wir als Tor zu Osteuropa in ganz besonderem Maße von diesen transeuropäischen Verkehrsnetzen.

Ein zentrales Thema in der Europäischen Union bleibt freilich weiter die Bekämpfung der Schulden- und Finanzkrise. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dafür zu sorgen, dass alle Länder in der Euro-Zone wettbewerbsfähig werden und bleiben. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit aber auch im globalen Maßstab definieren. Es hilft uns in der Europäischen Union nichts, wenn man versucht, die Stärkeren schwächer zu machen – damit ist niemandem gedient –, sondern wir müssen gemeinsam als Europäische Union, als Binnenmarkt im globalen Wettbewerb wettbewerbsfähig sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Haushaltsdisziplin, die damit verbundenen Strukturreformen und die Sanierung der nationalen Haushalte bleiben Anker unserer Politik. Es geht dabei auch darum, dass Gerechtigkeit zwischen den Generationen geübt wird. Denn gerade dort, wo durch Schulden die Lasten auf die nächste Generation übertragen werden, wird der Spielraum für diese nächste Generation immer kleiner. Deswegen führt kurzfristige Nachsicht bei Reformanstrengungen nicht zum Ziel. Wir müssen hier klar Kurs halten.

Dass einige Länder das Schlimmste überstanden haben und mittlerweile wieder besser dastehen, ist gerade diesem Beharren auf strikte Haushaltskonsolidierung zu verdanken. Es sind erhebliche Reformmaßnahmen umgesetzt worden; das zeigen die Ergebnisse in Irland und Portugal. Die Kommission hat die Defizitverfahren für viele Länder aufgeschoben oder ganz aufgehoben. Irland wird den Rettungsschirm im Dezember dieses Jahres nach nur drei Jahren verlassen. Auch Portugal erfüllt nach den jüngsten Berichten der Kommission in den relevanten Bereichen die vereinbarten Auflagen. Deswegen hat der Bundestag allen Grund, nach Unterrichtung durch den Bundesfinanzminister einen positiven Beschluss zur Auszahlung der nächsten Kredittranche mitzutragen, der im Direktorium der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität für nächsten Dienstag vorgesehen ist.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich?

Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Bitte schön.

Stefan Liebich (DIE LINKE):
Herr Kollege Silberhorn, Sie nutzen ja, wie auch unser Redner, Dietmar Bartsch, die Gelegenheit, auch über Portugal zu sprechen; das finde ich sehr gut. Daran möchte ich anknüpfen und Ihnen eine Frage stellen. Die CSU hat ja den Vorschlag gemacht, einige Länder sollten die Europäische Union verlassen können. Darüber gab es, wie den Medien zu entnehmen war, allerlei Debatten. Vielleicht können Sie, da Sie ja Mitglied der CSU sind, diese Gelegenheit nutzen, diesen Vorschlag hier im Parlament ein bisschen zu erläutern.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Vielen Dank für diese Zwischenfrage, die mir die Gelegenheit gibt, klarzustellen, dass die CSU keineswegs den Vorschlag unterbreitet hat, dass Länder die Europäische Union verlassen sollen;

Stefan Liebich [DIE LINKE]: Können!)

das war nie unser Anliegen. Hinweise darauf findet man in entsprechenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Das haben wir nie zum Thema gemacht.
Die Frage ist: Wie gehen wir mit einem Land um, das auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird, dem Wettbewerbsdruck in der Euro-Zone standzuhalten? In einem solchen Fall muss man Staatsschulden restrukturieren, wie es am Beispiel Griechenlands bereits einmal vollzogen worden ist. Wir treten dafür ein, für einen solchen Fall Verfahren zu entwickeln, die sicherstellen, dass man nicht ad hoc entscheiden muss, was zu tun ist. Denn dann würde man feststellen, dass man, wie im Falle Griechenlands, gar nicht alle Gläubiger einbinden kann, sondern darauf angewiesen ist, dass die Gläubiger eine Vereinbarung treffen; diejenigen, die sie nicht treffen wollen, sind dann nicht mit im Boot.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir entsprechende Verfahren. Dazu gibt es Vorschläge, zum Beispiel einen Vorschlag des Internationalen Währungsfonds. Wir wollen, dass die Euro-Zone für einen solchen Fall im Vorfeld selbst Regelungen trifft. Wir haben in der Tat erneut einen Vorschlag markiert, den der CSU-Parteitag im Oktober letzten Jahres einstimmig beschlossen hat.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Genau! So ist es!)

Auch in anderen Parteien gibt es klare Beschlüsse dahin gehend, dass über das Thema, wie man die Euro-Zone insgesamt zusammenhalten kann, sehr grundsätzlich nachgedacht werden muss. Das haben wir getan. Wir wissen sehr wohl, dass die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Adressat ist, wenn es darum geht, diese Debatte zu führen; denn es sind Entscheidungen getroffen worden, deren Umsetzung jetzt ansteht. Ich will durchaus anerkennen, dass wir am Beispiel Portugal sehen können, dass die vereinbarten Reformmaßnahmen greifen. Darauf sollten wir uns konzentrieren.

Wissen Sie, Herr Kollege Liebich, ich gehöre zu denen, die in der letzten Legislaturperiode hin und wieder differenziert abgestimmt haben. Ich habe dem Hilfspaket für Portugal zugestimmt, und ich sehe mich durch die Entwicklung in Portugal bestätigt,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

dass die Ziele bei strikten Auflagen auch erreicht werden können. Ich habe auch dem Reformpaket für Irland zugestimmt, und ich sehe mich auch da durch die Entwicklung bestätigt. Deswegen lege ich weiterhin Wert darauf, festzustellen, dass wir zwar einerseits bereit sind, solidarisch zu helfen, aber andererseits auch klare Anforderungen formuliert werden müssen. Das wird auch in Zukunft so bleiben.

Deswegen, meine Damen und Herren, bleibt solide Haushaltsführung bedeutsam. Auch auf EU-Ebene haben wir das jetzt in einem großen Schritt verwirklicht: Im mehrjährigen Finanzrahmen muss erstmals die europäische Ebene selbst Haushaltsdisziplin üben. Wir haben also einiges erreicht.

Wir wollen auf diesem Weg weitergehen. Wir wollen keine Haftungsunion, wir wollen Schulden nicht vergemeinschaften, weder Staatsschulden noch Bankenschulden. Mit Rücksicht auf kommende Generationen lehnen wir eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa ab. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Haushaltsstabilität und wirtschaftliche Dynamik gehören zusammen. Schuldentilgung und Wachstum führen gemeinsam zum Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es kommt immer wieder die Forderung, dass Europa jetzt bürgernäher und transparenter werden müsse. In dieser Allgemeinheit kann man das teilen; aber wir müssen auch konkret überlegen, was wir tun können, um die Bürger wieder für Europa zu gewinnen. Dafür ist es notwendig, dass sich die Europäische Union klare Ziele setzt. Dafür ist es notwendig, dass die Bürger stärker beteiligt werden. Die Prinzipien der Subsidiarität und der Regionalität sind die Schlüssel dafür. Wir brauchen einen Ausgleich zwischen regionalen, nationalen und europäischenInteressen. Das Prinzip der Subsidiarität ist der Violinschlüssel dafür, dass dieser Ausgleich in angemessener Form gelingen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir brauchen eine starke Europäische Union, wenn es darum geht, das Gewicht Europas in der Welt zur Geltung zu bringen. Aber wir brauchen eine schlanke Europäische Union, wenn es darum geht, den Alltag von Bürgern und Betrieben zu regulieren. Durch beides zusammen wird ein Schuh daraus. Themen wie die Energiewende oder die Digitale Agenda müssen wir stärker europäisch angehen. Es gibt aber auch Kompetenzen, bei denen wir die Frage stellen müssen, ob diese Kompetenzen auf regionaler Ebene nicht besser angesiedelt wären – wie wir das ganz konkret für die Daseinsvorsorge vorschlagen.

Herr Präsident, ich sehe, meine Zeit ist abgelaufen. Mir wurde gesagt, dass die Kollegen Kauder und Schockenhoff noch viele Minuten für mich übrig gelassen hätten. Vielleicht lässt sich das klären?

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die sind wahrscheinlich für weitere Debatten vorgesehen.

(Heiterkeit)

Thomas Silberhorn (CDU/CSU):
Dann will ich damit schließen, dass die Mitarbeit an der europäischen Integration eine der zentralen Aufgaben der neuen Bundesregierung und dieses Bundestages bleibt. Solange wir uns über den richtigen Kurs für die europäische Integration heftig streiten können, so lange machen wir auch deutlich, dass uns die europäische Integration wichtig ist. Daran will ich gerne mitwirken.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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