Interview im Deutschlandfunk

Die Union will den Bund ein bisschen unabhängiger von einem Monopolisten DB AG machen können, der nach dem Kabinetts-Enwtwurf zur Bahnreform zumindest für eine bestimmte Zeit allein über die Infrastruktur verfügen wird. Der Gesetzentwurf wird also
mit Sicherheit noch verändert werden, meint der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich im Deutschlandfunk

Frage: Die Bahn soll privatisiert werden. Ist das die Flucht vor den Schulden?
 
Antwort: Nein, es ist der konsequente nächste Schritt, nachdem wir die Organisationsprivatisierung Anfang der neunziger Jahre gemacht haben, das damalige Staatsunternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt haben. Jetzt geht es darum, die Bahn und ihre internationalen Aktivitäten der Kontrolle der Finanzmärkte zu unterstellen. Das ist eigentlich das Hauptziel, das man mit dieser Teilprivatisierung erreichen will.
 
Frage: Der hessische Verkehrsminister Alois Rhiel will, wie die FDP, Netz und Bahn entkoppeln. Wo steht die Union in dieser Frage?
 
Antwort: Grundsätzlich war und ist es Beschlusslage der Union, dass wir eine Trennung von Netz und Betrieb wollen. Ordnungspolitisch ist das der richtige Weg zu sagen, der Betrieb kann im Wettbewerb stattfinden. Die Infrastruktur allerdings, die  absehbar keine Gewinne abwirft, sollte beim Bund bleiben oder in einem gesonderten Unternehmen konzentriert werden. Das wäre auch wettbewerbs- und ordnungspolitisch richtig gewesen. Leider gibt es momentan dazu keine Mehrheiten in der Koalition, sodass wir uns vergangenes Jahr auf einen Kompromiss geeinigt haben, den Tiefensee jetzt mit diesem Gesetzentwurf umsetzt.
 
Frage: In den Bundesländern geht aber die Angst um, dass der Regionalverkehr verkümmert, wenn die Bahn teilprivatisiert wird. Wie wollen Sie das verhindern...?
 
Antwort: Man muss die Besorgnisse der Länder ernst nehmen und muss dann auch versuchen, dem im Gesetzentwurf im weiteren Verfahren entgegenzukommen. Die große Sorge besteht darin, dass es bestimmte Teilnetze gibt, vielleicht gerade auf der Fläche, auf der die DB AG künftig gar nicht mehr fahren wird, weil sie auch die Ausschreibungen gar nicht mehr gewinnt und dann sagt, diese Teilnetze müssen wir auch nicht mehr in diesem Maße unterhalten und leistungsfähig halten, und dann ein Verkümmern der Teilnetze in der Fläche stattfindet. Das ist ein großes Problem, das man lösen muss und wo man auch notfalls die Möglichkeit haben muss zu sagen, dann wird eben ein regionales Netz, das die DB nicht mehr betreiben will, herausgelöst. Das sieht der Gesetzentwurf momentan nicht vor. Wir haben aber als Union durchaus noch Vorschläge, wie wir uns auch als Bund ein bisschen unabhängiger von einem Monopolisten DB AG machen können, der dann zumindest für eine bestimmte Zeit allein über die Infrastruktur verfügen wird.
 
Frage: Heißt das, das Gesetz, das heute vorgestellt wird, wird sehr wahrscheinlich noch verändert werden?
 
Antwort: Das wird mit Sicherheit noch verändert werden. Wir haben auch den Ministern, die heute abstimmen werden, mitgeteilt, dass die Union an ganz bestimmten Stellen noch Vorbehalte hat. Wir werden uns darüber im Klaren sein müssen, dass wir im parlamentarischen Verfahren noch erhebliche Änderungen durchsetzen werden.
 
Frage:  Wer soll eigentlich in die Finanzierung einsteigen?
 
Antwort: Wir treffen zunächst einmal nur die Grundsatzentscheidung Teilprivatisierung. Wie das dann im Einzelnen aussieht, das ist eine Entscheidung, die im Wesentlichen der Bundesfinanzminister zu treffen hat. Es gibt aber in der Tat mehrere Möglichkeiten, und zwar zum einen, dass es strategische Anleger gibt, die sagen, wir wollen Überkreuzverflechtungen von Eisenbahnen in Europa haben, wahrscheinlicher ist es aber, dass international ein großer Kapitalanleger, und da ist von Dubai über Russland bis China alles denkbar, einsteigt. Unwahrscheinlicher, aber durchaus auch denkbar ist, dass es eine Privatirisierung, einen Börsengang mit einer Volksaktie gibt.
 
Frage: Ypsilanti hat gestern genau dieses Modell der Volksaktie vorgeschlagen und meint, damit wäre es möglich, renditehungrige Großaktionäre auszuschließen und die Deutsche Bahn AG als Bürgerbahn zu erhalten.
 
Antwort: Das ist sicher keine schlechte Idee, aber am Ende des Tages wird man sehen müssen, was wirklich realistisch ist. Ich weiß nicht, ob nach den Erfahrungen mit der Telekom-Aktie tatsächlich ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung herrscht, sich erneut auf eine solche Privatisierung einzulassen.
 
Frage: Muss bei der Privatisierung nicht auch die EU ein Wort mitreden?
 
Antwort: Ich denke, weniger bei der Privatisierung, aber dann natürlich bei der Frage, inwieweit der Bund denn diesen privatisierten Unternehmen Zuschüsse geben darf. Wir verpflichten uns beispielsweise, der Bahn Jahr für Jahr 2,5 Milliarden allein für den Unterhalt des Netzes zu geben. Das wird sicher die Europäische Union überprüfen. Die Europäische Union wird die Fragen des Wettbewerbs überprüfen, und zwar, ob es tatsächlich diskriminierungsfreien Wettbewerb gibt. Hier konnte der Bundeswirtschaftsminister in den Verhandlungen der letzten Monate durchsetzen, dass die Bundesnetzagentur sehr weitgehende Zugriffs- und Regulierungsmöglichkeiten bekommt.
 
Frage: Gehört die Bahn und ihr Service nicht eigentlich zur Allgemeinheit, also zum Staat, der es sich halt auch etwas kosten lassen muss, um die Mobilität der Bürger zu gewährleisten?
 
Antwort: Das ist sicher richtig, was die Infrastruktur, was die Erschließung der Fläche angeht. Es kostet eben einfach etwas, wenn man diese Mobilität des gesamten Landes sicherstellen will. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich alle Effizienzmöglichkeiten nutzen. Das heißt, dass wir dort, wo Wettbewerb Preise senken kann, wo man effizienter sein kann, man Wettbewerb auch stattfinden lassen muss. Wo Wettbewerb zu Wirtschaftlichkeit führt und wo Daseinsvorsorge in der Hand des Bundes bleiben muss, das ist ja auch der Streit der letzten Jahre gewesen. Diese Auseinandersetzung werden wir im Übrigen nicht nur bei der Bahn haben, sondern künftig in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens.
 
Die Fragen stellte Jürgen Liminski
 
Druckversion