Interview im DeutschlandRadio Kultur zum Bahn-Streik

Hans-Peter Friedrich findet es merkwürdig, dass sich Bahn-Personalvorstand Margret Suckale und GDL-Chef Manfred Schell in der Sendung "Anne Will" treffen, sonst aber nicht verhandeln wollen. Friedrich fordert, dass man statt auf Öffentlichkeitswirkungen mehr auf sachliche Tarifgespräche setzen sollte.

Frage: Eine Lösung des verfahrenen Konfliktes bei der Bahn ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil, beide Seiten versuchen mit Klagen und einstweiligen Verfügungen den Bewegungsspielraum des Gegenübers einzuschränken. Die Bahn verklagt die GDL auf fünf Millionen Euro Schadenersatz wegen eines angeblich rechtswidrigen Warnstreikes, dieses Verfahren ist noch anhängig. Die GDL hat ihrerseits versucht, per einstweiliger Verfügung die Bahn zu zwingen, keine Beamten als Quasi-Streikbrecher einzusetzen - das ist gestern vom hessischen Landesarbeitsgericht abgelehnt worden. Herr Friedrich, haben Sie noch Hoffnung, dass dieser Tarifkonflikt ohne einen unbefristeten Streik mit den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten dann über die Bühne geht?
 
Friedrich: Ja, in jedem Fall. Ich glaube, dass die beiden Hauptakteure Herr Schell und Herr Mehdorn allmählich begreifen sollten, dass sie am Ende beide Verlierer sein werden, wenn das so weitergeht. Denn inzwischen hört man das sowohl in Bahnkreisen wie auch in Gewerkschaftskreisen, dass das nicht mehr ganz unumstritten ist, was beide da machen, und Sie haben ja darauf hingewiesen, es wird immer noch Öl ins Feuer gegossen von beiden Seiten. Ich hoffe, dass man da jetzt in den nächsten Tagen zur Vernunft kommt.
 
Frage: Wo hören Sie diese Signale? Ich habe gehört, dass der Aufsichtsrat sich hinter Bahnchef Mehdorn gestellt hat und aus der GDL sind eigentlich auch keine neuen Töne zu hören - jedenfalls nicht öffentlich.
 
Friedrich: Jedenfalls nicht öffentlich, und das scheint mir das Problem hier zu sein, dass beide natürlich jetzt gesichtswahrend aus der Sache herauskommen müssen. Und vielleicht kann man ihnen da eine Brücke bauen, der Verkehrsminister hat ja inzwischen schon gesagt, ich will, dass die an einen Tisch kommen, vielleicht kommt ja da Bewegung, also wir werden sehen. Ich bin jedenfalls optimistisch, dass beide Seiten erkennen, dass die Bahn, dass die DB AG längst kein Monopolist mehr ist, dass es durchaus für die Kunden Alternativen gibt, und Herr Mehdorn und Herr Schell benehmen sich momentan wie Monopolisten. Ich hoffe, dass da ein Erkenntnisprozess stattfindet.
 
Frage: Nun ist es ja einigermaßen absurd, dass die Protagonisten morgen Abend bei Anne Will in der ARD sich zusammensetzen wollen, aber im Übrigen keine Sprache miteinander finden. Wie könnte man denn die Parteien an einen Tisch zwingen?
 
Friedrich: Der Verkehrsminister hat jetzt gesagt, ich möchte beide Seiten einladen, zwingen kann man sie sicher nicht. Aber Sie haben schon darauf hingewiesen: Eine merkwürdige Situation, dass man bereit ist, sich vor laufende Kameras zu setzen und eine Talkshow zu machen, aber dass man das ernsthafte Gespräch hinter verschlossenen Türen verweigert! Das ist einigermaßen absurd und zeigt im Grunde, dass man mehr auf Politik setzt und auf politische Wirkungen und auf Öffentlichkeitswirkungen als auf sachliche Tarifgespräche, und das muss anders werden.
 
Frage: Wie beurteilen Sie denn die Strategie der Bahn, immer wieder auch durch juristische Schritte das Streikrecht der GDL einzuengen?
 
Friedrich: Ich hatte da von Anfang an meine Zweifel, und es ist ja im Grunde eskaliert, dass man ausgerechnet jetzt in der Phase eine Klage erhebt wegen der Warnstreiks im Juli. Also, ich bin da nicht sehr glücklich, weil die Tarifautonomie ja auch etwas ist, was die Tarifparteien in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ganz gut untereinander machen konnten, ohne dass sie Gerichte bemühen mussten, ohne dass sie nach Staat und Autorität rufen mussten. Also ich bin nicht glücklich mit der Entwicklung.
 
Frage: Jetzt sind die Tarifforderungen der GDL auch einigermaßen absurd hoch. 31 Prozent mehr - das passt überhaupt nicht in die Tariflandschaft. Andererseits höre ich bei Ihnen heraus, dass Sie der Ansicht sind, dass man durchaus auch auf Bahnchef Mehdorn Druck ausüben sollte, dass er sich ein bisschen konzilianter gibt.
 
Friedrich: Das mit dem Druck ausüben auf den Bahnchef wird ja immer wieder diskutiert. Ich halte gar nichts davon, weil wir haben die DB AG privatisiert und haben gesagt, das ist jetzt eine Aktiengesellschaft und die soll nach aktienrechtlichen, privatrechtlichen Grundsätzen, betriebswirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten. Das hat sich bewährt. Und dazu gehört, dass dort im Aufsichtsrat und im Vorstand das Thema Tarifverhandlungen eigenständig behandelt wird, und das ist auch passiert, also, dass der Aufsichtsrat da sich jetzt einmischt. Dass der Eigentümer jetzt über aktienrechtliche Möglichkeiten Druck auf den Bahnchef ausübt, davon halte ich gar nichts, sondern das muss der in eigener Verantwortung durchstehen und am Schluss auch verantworten.
 
Frage: Immer wieder ist ja jetzt im Gespräch die Ausgliederung der Lokführer in eine Servicegesellschaft, die dann wiederum einen eigenen Tarifvertrag erhalten könnte. Ist das für Sie ein gangbarer Weg, oder würde man damit den Lokführern sozusagen die Burg bauen, in der sie sich dann verschanzen könnten?
 
Friedrich: Nein, natürlich ist das ein Weg, den man diskutieren muss. Es gibt ja immer wieder den Fall, dass in der Wirtschaft jetzt bestimmte Bereiche ausgegliedert werden zu dem Zweck, die Leute niedriger zu bezahlen. Wir haben ja einige Beispiele in den letzten Monaten gehabt. Warum soll es nicht möglich sein, eine Ausgliederung mal vorzunehmen, um die betreffenden Arbeitnehmer besser zu bezahlen? Also, ich sehe da durchaus einen Weg, den man diskutieren kann. Und eines muss man ja auch sehen: In dem Maße, in dem wir zunehmend auch einen Wettbewerb auf der Schiene bekommen, in dem Maße schwindet natürlich auch die Macht der Gewerkschaften in der DB AG, denn dann ist der Druck - auch über die Märkte - erheblich und dann haben die Kunden auch mehr Ausweichmöglichkeiten. Also, insofern entwickelt sich da auch auf der Schiene etwas wie Wettbewerb, was in normalen Gütermärkten auch gilt.
 
Frage: Sie haben also nicht die Befürchtung, dass es dann dazu kommen könnte, dass sich immer mehr kleine Funktionseliten aus der Einheitsgewerkschaft ausgliedern und dann sozusagen in einen Wettstreit der höchsten Forderungen geraten?
 
Friedrich: Diese Befürchtung ist natürlich immer gegeben, weil, wir haben ja da einen Trend, wir haben das ja auch im Luftverkehr, wo inzwischen eine Vielfalt, ein Pluralismus an Tarifpartnern, vorhanden ist. Man muss da schon drüber nachdenken, wie kann man jetzt die Konflikte, die auch zwischen den Gewerkschaften dann entstehen, wie man die löst, aber da kann man jetzt, ohne panisch zu werden, in den nächsten Monaten und Jahren - sich lernend aus dem, was wir gerade erleben - Grundsätze entwickeln.
 
Druckversion