Dr. Peter Ramsauer im Interview mit Robin Mishra, Rheinischer Merkur
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe zu den Warnungen vor sozialen Unruhen, den unionsinternen Streit in der Steuerpolitik und weshalb er gerne auf Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes geht.
FRAGE:
Am 1. Mai treten Sie bei der Kundgebung der Gewerkschaften in Traunreut auf. Freuen Sie sich schon?
Dr. Peter Ramsauer:
Für mich ist das ein Traditionstermin in meinem Jahreskalender. Ich pflege zum DGB ein exzellentes Verhältnis, mir wird immer ein ausgesprochen freundlicher Empfang bereitet.
FRAGE:
Herrscht wieder eitel Sonnenschein? Das Verhältnis der Unionsparteien zu den Gewerkschaften galt doch lange als angespannt.
Dr. Peter Ramsauer:
Ja, das Verhältnis hat sich entspannt. Wir als CSU wissen, dass über 60 Prozent unserer Wähler Arbeitnehmer sind. Auch die Gewerkschaften haben sich wieder auf uns zubewegt. Gerade beim Mindestlohn haben sie gemerkt: Der von der SPD geforderte gesetzliche Mindestlohn höhlt ihre Machtbasis aus und zerstört die Tarifautonomie.
FRAGE:
DGB-Chef Michael Sommer glaubt, in Deutschland stünden soziale Unruhen bevor. Hat er recht?
Dr. Peter Ramsauer:
Das ist verantwortungsloses Gerede, das Menschen in die Radikalisierung treibt. Der gleiche Herr Sommer war doch abgetaucht, als die Arbeitslosenzahl am Ende der Ära Schröder noch bei über fünf Millionen lag.
FRAGE:
Wie schlimm ist die Lage denn? Angela Merkel sagt, die Talsohle sei durchschritten.
Dr. Peter Ramsauer:
Da kommen zehn Fachleute zu zwanzig verschiedenen Meinungen. Bei exportorientierten Bereichen wie dem Maschinenbau gibt es extreme Einbrüche. Bei Handwerk und Einzelhandel sind die Zahlen dagegen stabil. Selbst wenn die Prognose von minus sechs Prozent eintrifft, wird unser Bruttoinlandsprodukt 2009 ungefähr auf dem Stand von 2006 liegen. Da frage ich mich schon, warum das ein Anlass für Barrikadenkämpfe sein sollte.
FRAGE:
Krieg gibt es aber auf den Äckern. CSU-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat die Aussaat von Genmais verboten. Hat grüne Gentechnik keinen Platz in Deutschland?
Dr. Peter Ramsauer:
Jede neue Technologie hatte es in der Wirtschaftsgeschichte schwer – von der Dampfmaschine bis zur Kernenergie. Wir müssen als Politiker aber die Bedenken, die teilweise extrem und auch irrational sind, ernst nehmen. Sie kommen auch aus unserer ureigenen Wählerklientel – von den Bauernverbänden bis hin zu kirchlichen Gruppen. Es braucht einfach Zeit, bis die Dinge nüchterner gesehen werden. Aber es bleibt dabei, dass wir zur Forschung klar Ja sagen.
FRAGE:
Was bringt denn Forschung, wenn man ihre Ergebnisse nicht anwenden darf?
Dr. Peter Ramsauer:
Wenn die Akzeptanz in der Öffentlichkeit nicht da ist, hilft auch politisches Draufgängertum nichts. Wir müssen die Bevölkerung mitnehmen. Vor allem: Die betroffene Wirtschaft, von BASF bis Monsanto, darf dieses Thema nicht allein bei der Politik abladen, nach dem Motto: Hannemann, geh du voran! Sie selbst muss den Nutzen der grünen Gentechnik erklären. Das bleibt sie bisher schuldig.
FRAGE:
Die CDU kritisiert den CSU-Kurs als fortschrittsfeindlich. Wie soll der Streit gelöst werden?
Dr. Peter Ramsauer:
Eine solche Diskussion muss eine Volkspartei ertragen.
FRAGE:
Streit zwischen den Schwesterparteien gibt es auch in der Steuerpolitik. Sie wollen einen Eingangssteuersatz von zwölf Prozent und liegen damit näher an der SPD als an der CDU.
Dr. Peter Ramsauer:
Zunächst einmal muss man festhalten, dass im Konjunkturpaket bereits Steuersenkungen enthalten sind – allein auf Druck der CSU. Deshalb finde ich es kein schlechtes Zeichen, dass die SPD entgegen ihrer früheren Aussagen auf unseren Kurs einschwenkt.
FRAGE:
Welche Senkungen bei der Einkommenssteuer will die CSU konkret?
Dr. Peter Ramsauer:
Unsere Idealvorstellung ist, dass wir zwischen Eingangs- und Spitzensteuersatz einen linearen Tarifverlauf bekommen und damit den Mittelstandsbauch beseitigen. Wir müssen dabei ehrlich bleiben. Das wird nur gehen, wenn die Konjunktur anspringt und wachsende Steuereinnahmen dies wieder hergeben. Es wäre verfrüht, genaue Zahlen und Zeiten zu nennen.
FRAGE:
Die Staatskassen sind leer. Warum sollten die Wähler der CSU das Steuersenkungsversprechen überhaupt glauben?
Dr. Peter Ramsauer:
Weil wir in dieser Legislaturperiode nicht nur den Mund gespitzt, sondern auch gepfiffen haben. Wir haben doch eine Steuerentlastung rückwirkend zum 1. Januar 2009 durchgesetzt. Die nächsten Schritte werden folgen.
FRAGE:
Anders als die CDU fordert die CSU Senkungen einzelner Mehrwertsteuertarife, unter anderem in der Gastronomie. Was bringt das?
Dr. Peter Ramsauer:
Das Thema ist uns wichtig, weil es viele Ungereimtheiten gibt. Wenn eine Currywurst auf dem Papierteller serviert wird, liegt die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent, bei der Currywurst auf dem Porzellanteller sind es neunzehn Prozent. Die Gastronomie beispielsweise hat im Vergleich zu Nachbarländern einen echten Standortnachteil. Aber wir müssen sorgfältig arbeiten. Wenn wir mit einer Branche anfangen, haben wir gleich zehn andere, die das auch für sich beanspruchen.
FRAGE:
In vielen Fragen liegen die Schwesterparteien über Kreuz. Welche Punkte sind für die CSU unverhandelbar?
Dr. Peter Ramsauer:
Wir stellen die Eigenverantwortung des Einzelnen vor die Leistungspflichten des Staates. Das wird die CSU deutlicher herausarbeiten als die CDU. Wir werden klar machen, dass wir nicht nur Änderungen bei der Mehrwertsteuer brauchen, sondern auch scharfe Korrekturen bei der Unternehmens- und Erbschaftssteuer. Und: Wir wollen Familien und Leistungsträger durch eine Entlastung bei der Einkommenssteuer fördern.
FRAGE:
Sollten CDU und CSU nicht besser mit getrennten Programmen in die Bundestagswahl gehen?
Dr. Peter Ramsauer:
Es gibt zwischen CSU und CDU eine große Schnittmenge von 90 Prozent. Um die anderen 10 Prozent werden wir ringen – mit dem Ziel eines gemeinsamen Programms.
FRAGE:
In der CDU ist die Vorstellung verbreitet, auf die Kanzlerin zu setzen und das Wahlprogramm allgemein zu halten. Welche Meinung haben Sie als Spitzenkandidat der CSU?
Dr. Peter Ramsauer:
Wir können als Union froh darüber sein, dass wir eine so populäre Kanzlerin haben. Dennoch: Ich bin für ein Wahlprogramm mit Details. Sonst müssten wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir nur heiße Luft verbreiten. Das ist mit mir nicht zu machen.