Dorothee Bär im Hörfunk-Interview mit SWR 2

Im SWR 2- Interview sieht Dorothee Bär als familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion die Bundesländer beim Ausbau der Kinderbetreuung in der Pflicht. Der Bund sei den Ländern stark entgegen gekommen, jetzt müssten auch sie ihre Hausaufgaben machen.

SWR 2: Das Statistische Bundesamt stellt heute Zahlen vor zur Betreuung von Kindern, darunter speziell zur Situation für unter Dreijährige. Nun wissen wir nicht, welche Zahlen genau die Statistiker präsentieren. Aber es gibt viele Anzeichen dafür, dass es nicht klappt, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige ab kommendem Sommer umzusetzen. Haben Sie sich schon damit abgefunden, dass es nicht klappt?

Bär: Nö, haben wir nicht. Wir haben uns selbstverständlich nicht damit abgefunden, das wäre ja auch eine Bankrotterklärung. Sondern vielmehr müssen wir alles daran setzen, dass diejenigen, die auch wirklich einen möchten, auch einen bekommen. Aber mir geht’s wirklich auch darum, dass wir nach Bedarf diese Betreuungsplätze schaffen und nicht nach fiktiven Zahlen. Deswegen bin auch mal auf heute Mittag gespannt.

SWR 2: Wie soll es denn noch gelingen, die fehlenden Plätze zu schaffen?

Bär: Also, der Bund ist den Ländern ja schon sehr entgegengekommen, was Finanzierung betrifft. Jetzt sind wir ihnen noch mal entgegengekommen, dass es keine monatlichen Auskunftspflichten gibt von den Ländern. Und die Länder müssen halt auch mal ihre Hausaufgaben machen und müssen die Prioritäten so setzen, indem sie ihre Kommunalpolitiker unterstützen. Bayern zum Beispiel hat ganz klar gesagt: wer einen Platz will, bekommt ihn auch zu hundert Prozent gefördert. Das müssen die anderen Länder halt genauso machen.

SWR 2: Das heißt ganz konkret: die Länder müssen den Kommunen eine Garantie geben, dass die Länder zur Not bezahlen.

Bär: Zumindest müssen sie ihren Haushalt so verschieben – ich kann jetzt nicht für die anderen Bundesländer sprechen -, aber mein Appell wäre schon, zu schauen, wo wird im Haushalt was eingestellt. Und das ist ja jetzt auch nichts Neues. Ich meine, es ist nicht überraschend, dass nach dem 31. Juli 2013 der 1. August 2013 plötzlich vor der Tür steht. Und es ist seit so vielen Jahren jetzt bekannt. Und wer die ersten Jahre geschlafen hat, muss halt jetzt in den Endzügen bisschen mehr Dampf machen und ein bisschen mehr Gas geben.

SWR 2: Die Grünen haben das vergangene Woche auch zum wiederholten Mal kritisiert, dass der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze den Bedürfnissen der Eltern hinterherhinke. Als Grund nennt Fraktionschefin Künast aber, dass der Krippenausbau lange verschlampt worden sei. Wo sind denn seit 2007/2008 die ganzen Fehler gemacht worden - nur in den Kommunen oder auch beim Bund?

Bär: Na ja, vielleicht ist der (Ausbau) in der rot-grünen Bundesregierung sieben Jahre lang verschlampt worden. Ich weiß nicht, was sie meint.

SWR 2: Die rot-grüne Bundesregierung war ja 2005 zu Ende. Dann kam ja dann die große Koalition.

Bär: Ja schon. Aber das ist ja nicht so, dass es damals vielleicht noch keinen Bedarf gegeben hätte. Also, da muss man mal sagen, vielleicht sind auch schon viele Jahre vorher Fehler gemacht worden. Und wir können uns gar nichts vorwerfen lassen, weil wir es erst mal als Bund auch auf die Agenda gehoben haben. Nämlich Frau von der Leyen, die damals auch sehr stark darauf gedrängt hat, was zu tun, obwohl der Bund ja überhaupt nicht zuständig ist. Sondern wir haben gesagt, das ist ein so wichtiges Projekt - Zuständigkeit hin oder her - wir machen als Bund trotzdem unsere Hausaufgaben und geben Milliarden in die Länder rein. Obwohl die originär dafür zuständig sind, weil wir eben nicht darauf warten wollten, dass von den Ländern allein die Initiative ausgeht.

SWR 2: Ein Problem beim Ausbau ist Raummangel in den Kommunen, aber vielerorts auch Personalmangel. Woher sollen die Erzieherinnen und Erzieher kommen?

Bär: Was das Personal betrifft: das ist sicherlich richtig, dass der Beruf der Erzieherin oder auch des Erziehers attraktiver gestaltet werden muss. Wir haben ja auch vom Bund aus zwei Pilotprojekte, die auch mehr Männer in die Kitas fordern, die das auch unterstützen wollen, dass eben auch das nicht nur eine Frauenaufgabe ist - nicht nur, weil Erzieher fehlen, sondern auch, weil es wichtig ist, noch eine männliche Komponente mit rein zu bekommen. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)

SWR 2: Sie sagen, es soll der Beruf attraktiver gestaltet werden. Das hört man seit Jahren. Was heißt das denn konkret? Zum Beispiel mehr Geld? Das funktioniert ja alles nicht.

Bär: Ja, die Bezahlung ist natürlich einer der Hauptschlüssel, da gebe ich Ihnen recht. Weil, es muss natürlich möglich sein, dass der Beruf, der ja eine ganz lange Ausbildung ja mit sich bringt...

SWR 2: ...vier Jahre in der Regel...

Bär: ...ja, wir haben fünf Jahre sogar. Und wenn ich dann quasi fünf Jahre lang diese Ausbildung gemacht habe, also quasi wie ein zehnsemestriges Studium, dann ist es natürlich was, wo ich sage, davon muss ich auch eine Familie ernähren können. Und das ist leider Gottes auch für viele Männer uninteressant noch an dieser Stelle. Aber das muss den Trägern klar sein, dass wenn die Träger merken, sie bekommen auch kein qualifiziertes Personal mehr, dann müssen sie an der Stelle auch mehr Geld in die Hand nehmen. Weil bei vielen Trägern wäre das Geld – gerade wenn ich an kirchliche Institutionen beispielsweise denke – auf jeden Fall vorhanden.

SWR 2: Schauen wir nochmal auf die Betreuungssituation und die Knappheit der Plätze. Der Deutsche Städtetag hat angekündigt, dass das Ziel nicht zu erreichen ist, das Ziel Sommer 2013. Hauptgeschäftsführer Landsberg hat schon eine Schadenersatzpauschale ins Gespräch gebracht, damit Eltern, die leer ausgehen, nicht klagen. Halten Sie das für eine gute Idee?

Bär: Ich würde jetzt erst mal sagen, wir müssen mal den 1. August jetzt abwarten, was dann tatsächlich gefordert ist, beziehungsweise, ob dann tatsächlich diese Lücke so groß ist zwischen den gewünschten Plätzen und denjenigen, die dann tatsächlich vorhanden sind. Aber letztlich müssen die Eltern schauen, dass sie auch zu ihrem Recht kommen, weil versprochen ist versprochen.

SWR 2: Im Zusammenhang mit Ausbau der Betreuungsplätze wird von einigen Seiten auch eine Qualitätsoffensive gefordert, konkret: weniger Kinder pro Erzieher/Erzieherin, vor allem bei den Kleinsten. Ist das noch in der politischen Diskussion?

Bär: Ja gut, wir haben den Schlüssel gerade geändert in Bayern. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Qualität muss vor Quantität gehen. Und das ist ja gerade in den ersten Lebensmonaten noch wesentlich wichtiger als in den späteren Jahren. Also, da ist es wirklich so, dass es von ganz, ganz großer Bedeutung ist, dass wirklich nur wenige Kinder auf eine Erziehungsperson kommen. Das sagt Ihnen auch jeder, wenn Sie diese ganzen Einrichtungen besuchen: schon bei einer normalen Mutter und einem Kind bräuchte man oft die dritte Hand. Es ist dann natürlich nochmal potenziert der Fall.

Druckversion