Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung zur Nachfolgedebatte um Bundespräsident Joachim Gauck, den Steuerplänen der SPD, den parteiinternen Diskussionen und ihrer Haltung gegenüber der AfD.

Frau Hasselfeldt, glauben Sie ernsthaft, dass die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten ohne Parteienstreit abläuft?

Ich rate sehr zu Zurückhaltung. Das sind wir diesem Amt und seiner Würde schuldig. Ich bin zugleich zuversichtlich, dass über die Nachfolge von Joachim Gauck ruhig und unaufgeregt entschieden wird. Allerdings: Das erfordert von allen eine gewisse Disziplin.

Es gab schon Streit zwischen den Fraktionschefs von Union und SPD. Die Schwarzen wollen keinen Roten und die Roten keinen Schwarzen wählen...

Wir sollten nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Bekommen wir am Ende einen Kuschel-Kandidaten, der dem Politikbetrieb möglichst fern ist?

All diese Spekulationen bringen uns nicht weiter. Außerdem halte ich es für respektlos und völlig unnötig, zum jetzigen Zeitpunkt über einen Nachfolger zu fabulieren. Die Bundesversammlung tritt erst Mitte Februar 2017 zusammen. Es bestehen also kein Druck und keine Eile.

Neues Thema: Der türkische Präsident Recep Erdogan spielt eine Schlüsselrolle in der Flüchtlingspolitik. Jetzt rückt er deutsch-türkische Bundestagsabgeordnete in die Nähe des Terrors. Ein Tabubruch, der Erdogan als Partner unmöglich macht?

Das Verhalten von Herrn Erdogan ist absolut inakzeptabel. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Es bestätigt mal wieder, wie weit die Türkei unter Erdogan von der EU entfernt ist.

Zwischen CDU und CSU ist das Verhältnis zerrüttet wegen der Flüchtlingspolitik. Ist das noch zu reparieren?

Es gibt keine Zerrüttung. Wir haben einige Differenzen in der Flüchtlingspolitik, das stimmt. Aber wir haben, und das fällt leider immer wieder unter den Tisch, gleichzeitig eine Fülle von gemeinsamen Entscheidungen getroffen: Asylpakete, Bleiberecht, Flüchtlingsausweis, Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten, zuletzt das Integrationsgesetz. Das haben CDU und CSU im Konsens vereinbart. Darüber müssen wir mehr reden und nicht immer nur über das, was uns trennt. Gerade in der Flüchtlingspolitik hat die CSU wichtige Impulse gegeben.

CDU und CSU sind sture Schwestern. Wie soll da Versöhnung gelingen?

Uns eint viel mehr, als uns trennt, und wir arbeiten engagiert und auch vertrauensvoll zusammen. Es geht nicht um Harmonie um jeden Preis. Entscheidend sind die Inhalte. Die Differenzen in der Sache diskutieren wir deshalb aus, es ist nicht gut, Meinungsverschiedenheiten totzuschweigen. Gerade in der Flüchtlingspolitik hat die CSU dadurch wichtige Impulse gegeben. Ansonsten sollten wir uns nicht mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigen, sondern nach vorne schauen. Dafür treffen wir uns Ende Juni zu einer gemeinsamen Klausur.

Fühlt sich CSU-Chef Horst Seehofer von der Kanzlerin nicht ernst genommen?

Diese Analyse teile ich nicht. Es geht um inhaltliche Fragen, nicht um persönliche Beziehungen.

Stichwort SPD: Deren Chef Sigmar Gabriel zeigt sich offen für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Ist das eine Annäherung an die Linkspartei und Absage an eine erneute Große Koalition?

Die Union ist aus gutem Grund gegen eine Vermögensteuer. Aufwand und Ertrag stehen in keinem verantwortbaren Verhältnis. Außerdem ist die Vermögensteuer eine Substanzsteuer, die jede wirtschaftliche Tätigkeit erschwert. Ich bin deshalb strikt gegen solche Pläne.

Auch die Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte, die derzeit 25 Prozent beträgt, bringt die SPD ins Spiel ...

Die Abgeltungsteuer wurde eingeführt, um Steuerhinterziehung zu erschweren. Bevor über ihre Abschaffung nachgedacht werden kann, muss deshalb der ab 2017 geplante internationale Informationsaustausch über Finanzkonten etabliert sein und auch in der Praxis funktionieren.

Bekommen wir 2017 einen Steuer-Wahlkampf?

Die gegenwärtige Regierungskoalition sollte ihre Arbeit erledigen – und zwar bis zum letzten Tag. Für die nächste Wahlperiode sehe ich Handlungsbedarf bei der Einkommensteuer. Es ist an der Zeit, mittlere Einkommensgruppen steuerlich zu entlasten. Das sollten wir mit Ruhe vorbereiten. Die Wirtschaftsdaten sind gut. Wenn das so bleibt, sollten wir eine grundlegende Steuerreform in Angriff nehmen.

Die derzeitige Regierung hat trotz Rekordsteuereinnahmen die Chance zu umfassenden Steuersenkungen nicht genutzt …

Das trifft so nicht zu. Im vergangenen Jahr haben wir steuerliche Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger von mehr als fünf Milliarden Euro auf den Weg gebracht und dabei beispielsweise die kalte Progression abgebaut und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende kräftig erhöht. Im Übrigen hatte die Union genug zu tun, Forderungen aus der SPD nach Steuererhöhungen abzuwenden. Wir haben außerdem den ausgeglichenen Haushalt erreicht. Das war ein ganz schöner Kraftakt.

Zum Schluss: Die CSU rutscht laut Forsa-Umfrage unter die 40-Prozent-Marke. Dies wären 7,7 Prozentpunkte weniger als 2013. Alarm in Bayern?

Umfragen sind heute so und morgen so. Das sollte man nicht überbewerten. Je mehr Institute aktiv sind, desto unterschiedlicher das Bild. Andere Institute sehen die CSU weiterhin bei 48 Prozent.

Ihre Partei hat für sinkende Umfragewerte ganz klar die Kanzlerin verantwortlich gemacht…

Wie gesagt, ich bin dafür, nach vorne zu schauen.

Hat die CSU mit ihren Attacken gegen die CDU der AfD Wähler zugetrieben?

Forschungen zeigen, dass die AfD überwiegend Nicht-Wähler und Protest-Wähler anspricht. Das müssen wir alle ernst nehmen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, AfD-Sympathisanten nicht zu stigmatisieren, sondern sie mit guten Argumenten von unserer Politik zu überzeugen.

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