Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Wahl der Verfassungsrichter durch das Plenum des Deutschen Bundestages ist eine nicht völlig unerhebliche Änderung der Verfassungspraxis in diesem Lande. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgerichtsgesetz geben dem Bundesverfassungsgericht eine starke Stellung. Es hat damit nicht nur die Kompetenz, Gesetze zu verwerfen, sondern die Urteile des Bundesverfassungsgerichts haben unter bestimmten Umständen auch selbst Gesetzeskraft. Die starke Akzeptanz des Grundgesetzes und das hohe Schutzniveau unserer Grundrechte verdanken wir in den letzten 60 Jahren auch der Arbeit unseres Verfassungsgerichts. Deswegen sei an dieser Stelle auch dem Verfassungsgericht für seine Arbeit im Verfassungsgefüge gedankt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Das Verhältnis zwischen dem rechtsetzenden Bundestag und dem rechtsprechenden Verfassungsgericht ist dennoch sensibel. Die Grenze zwischen gesetzgeberischer Wertentscheidung und verfassungsrechtlicher Kontrolle ist oftmals fließend. Gleichwohl sollte diese Grenze im Interesse beider Verfassungsorgane zumindest bestimmbar sein. So wie der Bundestag im Rahmen der Gesetzgebung den Schutz verfassungsgemäßer Rechte beachten sollte, hoffen auch wir stets auf ein Bemühen des Verfassungsgerichts, die gesetzgeberischen Entscheidungsspielräume zu respektieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Wahl der Richter des Verfassungsgerichts durch das Plenum des Deutschen Bundestages stärkt beide Verfassungsorgane. Es stärkt das Bundesverfassungsgericht, weil durch die Erfüllung des Wortlautes des Grundgesetzes die Richter eine höhere demokratische Legitimation haben. Es stärkt aber auch den Deutschen Bundestag, weil die Mitwirkungsrechte aller Kollegen in einem entscheidenden Punkt nicht nur gewahrt, sondern auch gestärkt werden.

Wir sollten uns im Rahmen der Debatte über diesen Gesetzesvorschlag auch über die Modalitäten der Entscheidungsfindung unterhalten. Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Würde des Verfassungsorgans Bundesverfassungsgericht und die starke Stellung der Richter, die gerade unabhängig sein sollen, eine Anhörung oder gar eine Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages unmöglich machen. Gleichwohl meine ich, dass das Informationsrecht des einzelnen Abgeordneten – möglicherweise auch auf vertraulichem Wege – über die zu bestimmenden Kandidaten eine Rolle einnehmen sollte, über die wir noch konkret zu sprechen haben. Ich glaube, dass sich jeder Kollege aus diesem Hohen Hause, der zukünftig Verfassungsrichter wählt, redlicherweise zumindest über die Kandidaten informieren sollte. Das sind wir der Machtbalance zwischen beiden Verfassungsorganen schuldig. Wie diese Mitwirkungspflicht erfüllt wird, sollten wir möglicherweise auch im Rahmen der Geschäftsordnung festlegen.

Letzten Endes wird sicherlich die Frage erlaubt sein, ob diese Änderung verfassungspolitisch in der Verfassungspraxis eine tatsächliche Änderung bringt oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage sei in den Raum gestellt. In unserer Verfassung kommt auch dem Verfahren und der Pflege von Symbolen ein hoher Wert zu. -Allein der Umstand, dass zukünftig dieses Plenum die Verfassungsrichter wählt, ist eine Stärkung der demokratischen Teilhabe und eine Aufwertung des Symbols Bundesverfassungsgericht im Machtgefüge zweier Verfassungsorgane. Wer es mit unserer Verfassung ernst meint und sie weiterhin stärken möchte, kommt um die Pflege und die Wertschätzung der Verfassungssymbole nicht umhin.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns dieses Verfahren beschließen, auf dass das Verfassungsgericht und der Bundestag gleichermaßen an Rechten gewinnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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