Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Stefan Müller in der Bundestagsdebatte zum Thema Banken und Sparkassen vor Ort am 23.6.2023: 

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! 

Die Europäische Kommission hat im April Vorschläge zur Reform der Einlagensicherung und Bankenabwicklung in Europa vorgelegt. Die Kommission schlägt insbesondere vor, kleinere und mittlere Banken in das Abwicklungsregime der Europäischen Union einzubeziehen. Sie schlägt vor, den Vorrang der nationalen Einlagensicherung abzuschaffen. Sie schlägt weiterhin vor, eine Ausweitung der Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen vorzunehmen.

Bevor ich zu den einzelnen Vorschlägen der EU-Kommission komme, will ich zunächst einmal für meine Fraktion festhalten, dass es richtig war und richtig bleibt, dass wir mit der Bankenunion auch in der Folge der Finanzmarkt- und Bankenkrisen eine einheitliche europäische Bankenaufsicht eingeführt haben. Es war und bleibt auch richtig, dass wir seinerzeit eine einheitliche Abwicklung von systemrelevanten Banken eingeführt haben. Und es war richtig, dass die Eurogruppe im vergangenen Jahr der Kommission den Auftrag gegeben hat, das bestehende Regelwerk zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Natürlich werfen die jüngsten Bankenkrisen in den USA, aber auch in der Schweiz die Frage auf, wie die Abwicklung von Banken erleichtert werden kann, um gerade zu verhindern, dass die Steuerzahler für Ausfälle haften. Man muss aber nach der Lektüre der Vorschläge der EU-Kommission Folgendes feststellen: Die Vorschläge der Kommission sind die falsche Antwort auf die vergangenen Diskussionen unter den EU-Mitgliedstaaten. Sie sind auch der falsche Weg, um Vertrauen innerhalb des Bankensektors zu erhalten und Finanzstabilität zu gewährleisten.

Ich will an drei Beispielen festmachen, weswegen wir dieser Auffassung sind und diesen Antrag eingereicht haben:

Erstens. Die Zuständigkeit für die Bankenabwicklung würde von der nationalen Ebene, also auch für die kleinen und mittelständischen Institute, auf die europäische Ebene übertragen. Das heißt, selbst kleinere und mittelständische Banken würden künftig nicht mehr wie bisher von den nationalen Sicherungseinrichtungen aufgefangen, sondern zuständig wäre dann in Zukunft auf europäischer Ebene der Single Resolution Fund. Man muss sich noch mal in Erinnerung rufen, dass der SRF seinerzeit eingerichtet worden ist, um die großen und systemrelevanten Institute abzuwickeln. Genau darum ging es ja, nämlich zu verhindern, dass durch den Ausfall großer und systemrelevanter Banken der gesamte Bankensektor innerhalb der Europäischen Union tatsächlich in eine Schieflage gerät.

Gerade vor diesem Hintergrund und in Anbetracht dessen, was seinerzeit mit der Bankenunion beabsichtigt war, macht der Vorschlag der Kommission gar keinen Sinn, weil die Schieflage einer kleinen Bank, einer kleinen Genossenschaftsbank oder einer Sparkasse, eben nicht das gesamte Bankensystem in Europa in eine Schieflage bringt.

Wir finden, dass das im Übrigen auch dem Subsidiaritätsprinzip innerhalb der Europäischen Union widerspricht, das in der Form auszulegen ist, dass die europäische Ebene erst dann zum Einsatz kommt, wenn eine untere Ebene dazu nicht mehr in der Lage ist. Das ist hier ausdrücklich nicht gegeben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der zweite Punkt. Vorbeugendes Handeln wäre ebenfalls kaum mehr möglich. Schon heute besteht die Möglichkeit, sehr frühzeitig einzugreifen, wenn erkannt wird, dass eine Bank in eine Schieflage gerät, das heißt, noch bevor es zu einem Ausfall dieser Bank käme. Nach den Vorschlägen der Kommission wäre jedenfalls ein solch frühzeitiges und präventives Handeln kaum mehr möglich. Wir finden, dass das auch in Zukunft noch möglich sein soll, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der dritte Punkt. Wenn man den Vorschlägen der Kommission folgt, ist das der Einstieg in eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung.

Weil der SRF auch die nationalen Einlagensicherungssysteme zur Finanzierung heranziehen könnte, bekäme er damit letztlich Zugriff auf die Finanzmittel der nationalen Systeme. Aufgrund der Tatsache, dass dann aber auch mehr Banken Zugriff auf die Abwicklungsfinanzierung hätten, kommt es damit am Ende zu einer Vergemeinschaftung der europäischen Einlagensicherung. Wir lehnen das ab, und bisher hat auch eine Mehrheit im Deutschen Bundestag diese Vergemeinschaftung abgelehnt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Kommission missachtet mit dem, was sie hier vorschlägt, jedenfalls auch das, was bisher unter den Mitgliedstaaten diskutiert worden ist. Sie missachtet, dass es für eine solche Vergemeinschaftung bisher eben keine Mehrheit innerhalb der Mitgliedstaaten gegeben hat. Sie versucht damit, schon gescheiterte Vorschläge gewissermaßen durch die Hintertür wieder umzusetzen. Und sie ignoriert letztlich den Auftrag der Eurogruppe vom vergangenen Jahr, in dem ausdrücklich festgeschrieben worden ist, dass es den nationalen Institutssicherungssystemen weiterhin möglich sein muss, präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Ohne Zweifel hätte das, was die Kommission dort vorschlägt, auch Auswirkungen auf unser bewährtes Drei- Säulen-Modell innerhalb des deutschen Bankensektors. Es ist ja gerade das Drei-Säulen-Modell, das in der Vergangenheit die Finanzstabilität in Deutschland gewährleistet hat. Die Ergebnisse jedenfalls sprechen für sich: Seit dem Bestehen der deutschen Einlagensicherungssysteme musste kein Einleger einer Sparkasse oder einer Genossenschaftsbank entschädigt werden, und es ist auch kein Verbundinstitut insolvent geworden. Wir wollen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzminister recht, wenn er Kritik an diesen Vorschlägen übt. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die gesamte Bundesregierung sich dieser Haltung anschließen würde. Aus unserer Sicht wäre das zwingend erforderlich. Wir schlagen Ihnen mit unserem Antrag vor, zu einer gemeinsamen Position des Deutschen Bundestages zu kommen – letzter Satz, Frau Präsidentin – und mit dieser geschlossenen Position der Bundesregierung und dem Bundesfinanzminister – ein klares Mandat für die Ablehnung dieser Vorschläge zu geben.
 

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