Rede in der Debatte zu Organspenden

Die Situation von Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, und ihrer Angehörigen kenne ich persönlich nur zu gut. Denn mein Vater war Dialysepatient und ist viel zu früh, auch aufgrund seiner Nierenerkrankung, wenige Tage vor seinem 65. Geburtstag, gestorben.

Sehr viele Patientinnen und Patienten warten und hoffen auch heute auf ein gespendetes Organ, das oft die einzige Chance ist, zu leben. So ein Warten und Hoffen ist eine immense Belastung für die Patienten und ihre Angehörigen. Ich unterstütze darum nachdrücklich das Ziel, in Deutschland die Zahl der Organspenderinnen und -spender sowie die Zahl der Transplantationen zu erhöhen. Diejenigen Menschen, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, brauchen dringend unser aller Hilfe!

Die Maßnahmen zur Verbesserung der organisatorischen Rahmenbedingungen, zu denen Bundesminister Jens Spahn einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, begrüße ich deshalb sehr: Transplantationsbeauftragte auf jeder Intensivstation, die mit mehr Zeit und mehr Rechten ausgestattet werden als bisher; eine Vergütung der Organentnahmen, die am tatsächlichen Aufwand bemessen wird, anstatt pauschal zu erfolgen; ein flächendeckender neurologischer konsiliarärztlicher Bereitschaftsdienst, um die Krankhäuser dabei zu unterstützen, den sogenannten Hirntod festzustellen, und eine verbesserte Betreuung der Angehörigen.

Und ich bin erleichtert, dass zumindest der Tiefstpunkt der Bereitschaft zur Organspende durchschritten zu sein scheint: Die Zahlen der Organspenden waren seit 2011 bis 2017 stetig gesunken, sind aber in diesem Jahr wieder leicht angestiegen. Um diese Zahlen auch weiterhin zu erhöhen, wird – neben den genannten Rahmenbedingungen – das Wichtigste sein, verlorenes Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Denn begreiflicherweise haben viele Menschen in Deutschland durch die Richtlinienverstöße in einigen Kliniken in den Jahren 2010 und 2011 ihr Vertrauen in Akteure und Verfahren der Organspende verloren. Die Vergabe von Spenderorganen muss sich ausschließlich an den medizinischen Notwendigkeiten orientieren, und vor allem müssen die verbindlichen Regeln zur Vergabe absolut verlässlich eingehalten werden.

Doch nun zum Kern der heutigen Orientierungsdebatte: Ist die geltende Regelung, nach der eine freiwillige Zustimmung des Spenders Voraussetzung für eine Organspende ist, noch angemessen? Könnten durch eine andere Regelung nicht mehr Organe zur Verfügung gestellt werden, nicht mehr Menschen gerettet werden? Meine Haltung in dieser Frage ist eindeutig und klar für die derzeit geltende Zustimmungsregelung. Es ist meiner Überzeugung nach unabdingbare Voraussetzung einer Organspende, dass eine freiwillige Zustimmung der Betroffenen selbst vorliegen muss – oder nach Eintreten des Hirntods eine freiwillige Zustimmung ihrer Angehörigen.

Dagegen lehne ich eine Regelung ausdrücklich ab, die davon ausgeht, man dürfe einem Menschen Organe entnehmen, wenn er nicht ausdrücklich widersprochen hat. Eine solche sogenannte Widerspruchslösung wäre sowohl mit dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen unvereinbar wie auch mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Nur eine bewusste und freiwillige Zustimmung kann Grundlage einer Organtransplantation sein!

Das europäische Land mit den meisten Spendern und den meisten Transplantationen ist Spanien. Dort besteht gesetzlich eine Widerspruchslösung. Aber diese wird in der Praxis gerade nicht angewendet, sondern de facto wird auf eine doppelte ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen selbst sowie auch ihrer Angehörigen gesetzt, wie eine Delegation des Gesundheitsausschusses jüngst berichtet hat. Grundlage der erfolgreichen spanischen Praxis ist gerade nicht, dass eine gesetzliche Widerspruchslösung greifen würde. Wesentliche Grundlage der vielen lebensrettenden Organspenden in Spanien ist vielmehr das verbreitete Vertrauen der Bevölkerung in die offenbar sehr gut organisierten Spende- und Transplantationsverfahren.

An solchem Vertrauen in der Bevölkerung müssen auch wir in Deutschland arbeiten: Um die Bevölkerung stärker für eine Spendenbereitschaft zu sensibilisieren, sollten wir gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren, mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften neue Maßnahmen entwickeln. Wir sollten mehr Informations- und Beratungsangebote zur Organspende erstellen, die patientenorientiert, gendersensibel und kultursensibel sind. Auch eine psychologische und gegebenenfalls seelsorgliche Begleitung von – potenziellen – Organspenderinnen und -spendern, deren Angehörigen sowie des medizinischen Personals sollten wir sicherstellen.

Es ist an uns, den gesetzlichen Rahmen dafür entsprechend zu gestalten. Ich rufe Sie darum auf: Lassen Sie uns durch gute Rahmenbedingungen und durch wiedergewonnenes Vertrauen in der Bevölkerung die Bereitschaft, Organe zu spenden, und die Zahl lebensrettender Organspenden erhöhen – stets auf der Basis einer bewussten und freiwilligen Entscheidung!

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