Rede zur raschen und unkomplizierten Einbürgerung britischer Staatsangehöriger

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Man könnte es sich leicht machen oder lapidar sagen: „olle Kamellen“ oder „alter Wein in neuen Schläuchen“. Die Grünen legen einen Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts vor und sprechen sich für die generelle Anerkennung der Mehrstaatigkeit aus. Aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, so leicht möchte ich es mir nicht machen, weil aus meiner Sicht insbesondere dieser Gesetzentwurf, den Sie heute in erster Lesung vorlegen, auf eine parteipolitische, aber auch eine gesellschaftspolitische Geisterfahrt führt. Es geht nicht nur um Detailregelungen, die Sie im Staatsangehörigkeitsrecht ändern wollen, sondern – dieser festen Überzeugung bin ich – Ihr Ansatz hat eine gesellschaftspolitische Dimension.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Integration!)

Sie, die Grünen, wollen sich ein neues Staatsvolk schaffen. Wenn man in die Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf blickt, erkennt man, dass Sie sehr unverblümt Ihr Ansinnen offenbaren. Sie wollen eine „größtmögliche Kongruenz“ – so schreiben Sie – zwischen dem Staatsvolk und der Bevölkerung.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Dafür wird Ihnen die CDU/CSU nicht die Hand reichen. Dafür sind wir nicht zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Leider! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist sehr bedauerlich!)

Die Grünen wollen generell den Grundsatz der Mehrstaatigkeit anerkennen und sich insoweit von der bisherigen, bewährten rechtlichen Grundlage abkehren, dass die Mehrstaatigkeit die Ausnahme ist. Sie offenbaren dies sehr verräterisch in Ihrer Begründung, indem Sie ganz dezidiert von einer Einbürgerungsoffensive sprechen. Sie wollen in Deutschland eine Einbürgerungsoffensive vornehmen. Ich bin der felsenfesten Überzeugung: Der überwiegende Teil, der Großteil der deutschen Bevölkerung will dies nicht. Wir brauchen keine Einwanderungsoffensive.

Gerade in einer Zeit, in der wir ohnehin in schwierigem Fahrwasser sind, in der sich unsere Gesellschaft ohnehin eher auseinanderdividiert, in der wir eine Polarisierung unserer Gesellschaft erleben,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sie betreiben! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scheuer und AfD, das ist die Polarisierung!)

in der die Zentrifugalkräfte, die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft zunehmen, wäre es genau kontraproduktiv, wenn wir jetzt, wie von Ihnen intendiert und gefordert, eine Einwanderungsoffensive vornähmen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Einbürgerungsoffensive!)

Der Gesetzentwurf, den Sie vorlegen, würde genau das Gegenteil dessen bewirken, was er Ihnen zufolge bewirken würde: Er wirkt nicht integrationsfördernd; er wirkt integrationshemmend. Wenn die Regelungen so umgesetzt würden, wie Sie sie vorschlagen, würde genau das Gegenteil entstehen; es würden nämlich Parallelgesellschaften gefördert und in ihrer Gegensätzlichkeit intensiviert werden.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie in Bayern, meinen Sie? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ein Beleg! Ein Beleg, nicht nur behaupten!)

Ich darf Ihnen einige Beispiele nennen. Sie wollen generell auf das Erfordernis des Nachweises der Sicherung des Lebensunterhalts bei jungen Menschen, die in Ausbildung sind, verzichten. Was bedeutet das? Dass ein junger Mensch, der gerade in der Ausbildung ist,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der hier geboren, hier aufgewachsen ist, das Recht auf Staatsbürgerschaft haben sollte!)

im Hinblick auf die Einbürgerung nicht mehr nachweisen muss, dass er seinen eigenen Lebensunterhalt selbst generieren kann. Das wäre genau kontraproduktiv. Wir wollen doch, dass die jungen Menschen in die Lage versetzt werden, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Wir wollen keine Einwanderung in die Sozialsysteme. Genau das würde eintreten, wenn Ihr Gesetzentwurf umgesetzt würde. Sie würden der Einwanderung in die Sozialsysteme Vorschub leisten. Ich sage Ihnen hier ganz offen: Dafür hat auch die deutsche Bevölkerung kein Verständnis. Dies findet in der deutschen Bevölkerung auch keine Akzeptanz.

Des Weiteren wollen Sie bei einigen Personengruppen auf den Nachweis von Deutschkenntnissen verzichten. Dafür gilt das Gleiche. Auch diese Regelung wäre nicht integrationsfördernd, sondern integrationshindernd. Wir wollen doch gerade, dass Menschen, die zu uns kommen, möglichst schnell Deutsch lernen. Das Erlernen der deutschen Sprache ist die Grundvoraussetzung, um in Deutschland Fuß zu fassen, um in Deutschland erfolgreich zu sein, um sich einen Freundeskreis aufzubauen,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dagegen hat keiner was gesagt!)

um in bestimmte soziale Schichten aufsteigen zu können, um Arbeit zu finden.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie vermischen da die Themen, glaube ich!)

Sie wollen genau das Gegenteil. Sie wollen bei bestimmten Personengruppen auf den Nachweis von Deutschkenntnissen verzichten, wenn es darum geht, ob diese Person eingebürgert werden kann.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nicht zugehört, was er gesagt hat?)

Damit würden Sie der Integration einen Bärendienst erweisen.

Ich möchte hier auch betonen, dass in den letzten Jahren gerade auf Druck der CDU/CSU die Ausgaben für Deutsch- und Integrationskurse deutlich erhöht wurden. Im Jahr 2015 hat der Bund 260 Millionen Euro für Deutsch- und Integrationskurse ausgegeben. Wir haben die Mittel für die Kurse von 2015 auf 2016 mehr als verdoppelt, nämlich auf 570 Millionen Euro in diesem Jahr. Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf noch einmal 40 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprechen Sie mal zum Antrag!)

Im nächsten Jahr werden mindestens 610 Millionen Euro für Sprach- und Integrationskurse ausgegeben. Das ist richtig verstandene Integration, nicht der von Ihnen vorgeschlagene Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das Thema ist nicht Integration, sondern Einbürgerung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus wollen Sie, dass eine Anspruchseinbürgerung bereits nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland möglich ist. Sie wollen also die Frist von acht auf fünf Jahre reduzieren. Was hinzukommt – das ist aus meiner Sicht völlig unlogisch und nicht nachvollziehbar –: Sie würden Flüchtlinge und ihnen gleichgestellte Personen noch einmal dadurch privilegieren, dass bei Flüchtlingen allein schon ein dreijähriger Aufenthalt ausreichen würde, um die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen und daneben die bisherige Staatsbürgerschaft beibehalten zu können. Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Dafür sind wir in keiner Weise zu haben.

Das Gleiche gilt für Ihren Vorschlag, auf den Einbürgerungstest zu verzichten. Sie, Herr Kollege Volker Beck, haben gesagt: Na ja, der Einbürgerungstest ist umstritten. – Der Test wird von Ihnen nicht anerkannt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich gar nicht gesagt!)

Aber ich sage hier ganz deutlich: Der Einbürgerungstest hat sich bewährt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich streite es ja gar nicht ab!)

Es ist gut, wenn vor der Einbürgerung ein entsprechender Nachweis in Form einer Prüfung erbracht werden muss, um zu beweisen, dass man zumindest Grundkenntnisse der deutschen Geschichte, des deutschen Sozialaufbaus und des deutschen Staatsgefüges besitzt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von jemandem, der hier Abitur gemacht hat, von jemandem, der hier Politik oder Geschichte studiert hat?)

Darauf jetzt zu verzichten, wäre aus meiner Sicht der völlig falsche Weg und wäre vollkommen kontraproduktiv.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie mal den Test selber!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben in dieser Legislaturperiode unser Staatsangehörigkeitsrecht bereits grundlegend geändert. Ich mache keinen Hehl daraus: Es war nicht der Wunsch der CDU/CSU, in Teilen auf das Optionsmodell zu verzichten. Wir haben aber aus meiner Sicht einen verträglichen Kompromiss dahin gehend gefunden, dass das Optionsmodell nur in den Fällen obsolet ist und nicht mehr angewandt wird, in denen konkrete Nachweise erbracht sind, dass eine Person in Deutschland Fuß gefasst hat,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch nur eine absolute Mogelpackung! Da hat die SPD mitgemacht!)

wenn sie sich also mindestens acht Jahre in Deutschland aufgehalten hat, wenn sie sechs Jahre in Deutschland zur Schule gegangen ist oder wenn sie in Deutschland einen erfolgreichen Schulabschluss oder einen erfolgreichen Berufsschulabschluss vorweisen kann. Das sind ganz konkrete Indizien dafür, dass jemand in Deutschland angekommen ist und sich in die deutsche Gesellschaft erfolgreich integriert hat, sodass aus meiner Sicht unter diesen Voraussetzungen auf das Optionsmodell verzichtet werden kann. Weiter gehende Wünsche im Hinblick auf eine Liberalisierung werden wir auf jeden Fall nicht mittragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die angesprochenen Loyalitätskonflikte gibt es natürlich.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt! Bayern meinen Sie jetzt, oder was?)

Sie haben die Deutschen aus Russland angesprochen. Wir haben doch gerade in diesem Jahr erlebt, wie die Deutschen aus Russland vom Putin-Regime teilweise instrumentalisiert werden. Es geht darum, dass sie in erster Linie Russia Today und nicht deutsches Fernsehen sehen.

Ich erinnere an den Fall Lisa, der sich hier in Berlin im Januar dieses Jahres ereignet hat. Es hat nur wenige Stunden gedauert, bis in über 100 Städten Deutschlands angeblich spontane Demonstrationen von Deutschen aus Russland stattgefunden haben. Mir macht keiner weis, dass die Deutschen aus Russland, losgelöst und unkoordiniert, in über 100 Städten in wenigen Stunden von alleine auf die Straße gegangen sind. Das war natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, von langer Hand geplant. Da sieht man doch genau an diesem konkreten Fall, wie es dann bei Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft zu Loyalitätskonflikten kommen kann.

Ich möchte auf einen weiteren konkreten Fall der Praxis zu sprechen kommen, bei dem sich ebenfalls Loyalitätskonflikte zeigen könnten – wohlgemerkt: könnten –, der aber noch nicht endgültig ausermittelt ist. Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli dieses Jahres befinden sich sechs deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft. Ob zu Recht oder zu Unrecht, steht mir nicht zu zu bewerten. Es ist noch nicht klar, ob diese neben der deutschen die türkische Staatsangehörigkeit haben. Ich nehme an, dass es dem Erdogan-Regime ziemlich egal ist, ob die Betreffenden, wenn sie die türkische Staatsangehörigkeit haben, auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen; denn allein das Vorhandensein der entsprechenden Staatsangehörigkeit reicht für viele Staaten auf der Welt aus – so auch die Türkei –, die betreffenden Personen als ihre Staatsangehörigen zu behandeln. Diesen Personen bringt es in einem Konfliktfall überhaupt nichts, auch die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Entscheidung können Sie diesen Bürgern schon selber überlassen! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht nur das Problem der Türkei!)

Es gibt überhaupt keinen Grund, nun einer weiteren Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts näherzutreten. Wir fordern in Teilen sogar eine Verschärfung, insbesondere wenn es darum geht, potenziellen IS-Kämpfern oder Kämpfern, die sich in Kampfhandlungen des Dschihad engagieren, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, sofern sie über eine weitere Staatsangehörigkeit verfügen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Da ist die Verfassung vor!)

Wir von der Union werden Ihnen von der SPD sehr bald einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Ich bitte Sie eindringlich, diesem wichtigen und sachgerechten Anliegen näherzutreten.

Zum Schluss noch ein kurzes Wort zu Ihrem Antrag, britische Staatsangehörige rasch und unkompliziert einzubürgern. Ich habe mich in meiner Funktion als Vorsitzender der Deutsch-Britischen Parlamentariergruppe nach dem Referendum vom 23. Juni dahin gehend geäußert, dass es wünschenswert ist – demgegenüber sind wir aufgeschlossen –, dass britische Staatsangehörige in Deutschland auch die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen. Man kann das aber derzeit mit Gelassenheit sehen. Zum einen sind die Verhandlungen bezüglich des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union noch gar nicht angelaufen. Zum anderen besteht aus meiner Sicht überhaupt kein Grund für eine Zwangsgermanisierung der Briten in Deutschland.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Argument? Das ist doch Wahnsinn, was Sie sagen! Lesen Sie erstmal unseren Antrag, bevor Sie einen solchen Schwachsinn erzählen!)

Ich glaube, wir sollten das alles mit britischer Gelassenheit sehen. Für das in Ihrem Antrag geäußerte Ansinnen besteht überhaupt kein Anlass. Briten in Deutschland haben ohnehin aufgrund ihrer britischen Staatsangehörigkeit alle Rechte, bis auf das Wahlrecht bei Bundestags- und Landtagswahlen. Deswegen ist Ihr Antrag völlig überflüssig. Er wird dementsprechend unsere Ablehnung erfahren.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Druckversion