Rede zu einem Bleiberecht der Roma aus dem Kosovo

19.*) Beratung Antrag DIE LINKE.
In historischer Verantwortung - Für ein Bleiberecht der Roma aus dem Kosovo
- Drs 17/784
ZP.4) Beratung Antrag B90/GRÜNE
Keine Zwangsrückführung von Minderheitenangehörigen in das Kosovo
- Drs 17/1569 -
Die Anträge der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen verkennen nicht nur die rechtlichen Grundsätze im deutschen Aufenthaltsrecht, sondern sie sind auch realitätsfern. Das Rückübernahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo ist am 14. April 2010 durch den Bundesinnenminister und seinen kosovarischen Amtskollegen unterzeichnet worden und mittlerweile im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Es enthält die auch in anderen etwa von der EU mit Drittstaaten geschlossenen Rückübernahmeabkommen, üblichen Komponenten der Rückübernahme eigener Staatsangehöriger, der Übernahme Drittstaatsangehöriger und Staatenloser sowie Regelungen zur Durchbeförderung von Personen. Somit handelt es sich also keineswegs um ein Abkommen, das ausschließlich die Abschiebung von bestimmten ethnischen Gruppen zum Ziel hätte. Vielmehr ist international anerkannter Anknüpfungspunkt für die Frage einer Pflicht zur Rückübernahme stets nur die Staatsangehörigkeit oder die Herkunft einer Person aus dem Zielstaat, nicht aber ethnische oder sonstige persönliche Merkmale.
 
Hierauf stellt auch dieses Rückübernahmeabkommen ab. Mit dem Rückübernahmeabkommen werden somit lediglich die verfahrensmäßigen und technischen Einzelheiten für die Verpflichtung zur Rückübernahme einer Person zwischen den Vertragsstaaten geregelt. Dies betrifft etwa die Nachweis- und Glaubhaftmachungsmittel für die Staatsangehörigkeit, Fristen zur Beantwortung eines Übernahmeersuchens und dessen erforderliche Angaben oder die für die Stellung der Ersuchen zuständigen Behörden. Es findet hingegen keine Bewertung der Frage statt, ob eine Person tatsächlich zurückgeführt werden kann. Diese erfolgt im Rahmen der Einzelfallprüfung durch die zuständigen Ausländerbehörden der Länder bzw. durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach den Maßgaben des deutschen Aufenthaltsgesetzes.
 
Im Rahmen einer solchen Einzelfallprüfung werden dann selbstverständlich auch humanitäre und menschenrechtliche Aspekte berücksichtigt. Dies ist ein Kernbestandteil des deutschen Ausländer- bzw. Asylrechts. Ausländer, denen im Herkunftsland politische Verfolgung, eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Folter droht, erhalten in Deutschland Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz. Dieser Schutz kann vorliegend nur im Wege einer Einzelfallprüfung gewährt werden, da die Bundesregierung unter Beiziehung von Berichten internationaler Organisationen zurecht festgestellt hat, dass keine unmittelbare Gefährdung nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie und auch keine eingeschränkte Bewegungsfreiheit in der Republik Kosovo mehr herrscht.
 
Zu der gleichen Einschätzung sind im Übrigen auch andere europäische Aufnahmestaaten, die ebenfalls bereits mit der Rückführung von ethnischen Minderheiten begonnen haben, gekommen. Erst kürzlich hat etwa das Vereinigte Königreich die Republik Kosovo in seine Liste sicherer Zielstaaten aufgenommen. Auch der von Ihnen in der Antragsdrucksache zitierte Bericht des Kommissars für Menschenrechte des Europarates, Thomas Hammarberg, spricht sich lediglich gegen „Massenabschiebungen“ von Personen in das Kosovo aus.
 
Unabhängig davon existieren im geltenden Aufenthaltsrecht eine Reihe von Regelungen, die eine Legalisierung des Aufenthaltes Geduldeter ermöglichen. Hierzu gehören die §§ 25 Abs. 4 und 5 und 23 a Aufenthaltsgesetz sowie die Bleiberechtsregelung des § 104 a Aufenthaltsgesetz, die durch Beschluss der Innenministerkonferenz Anfang Dezember 2009 um zwei Jahre verlängert und um weitere Verlängerungstatbestände ergänzt wurden, unter anderem für Personen mit abgeschlossener Schul- oder Berufsausbildung.
 
Auch angesichts dieser Regelungen, von denen in der Vergangenheit bereits mehrere Tausend kosovarische Staatsangehörige profitiert haben, besteht aus meiner Sicht zu Recht kein Handlungsbedarf für eine spezielle Bleiberechtsregelung für Roma-Familien aus dem Kosovo oder die Anregung einer Aussetzung der Abschiebungen von Personen aus dem Kosovo gegenüber den Bundesländern.
 
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu den tatsächlichen Bedingungen bei der Rückführung ausführen. Die Angaben in den beiden Anträgen von den Linken und von Bündnis 90/Die Grünen entsprechen leider nicht der Realität. Der kosovarischen Seite wurde am Rande der Abkommensverhandlungen zugesagt, dass jährlich maximal 2 500 Übernahmeersuchen durch die Ausländerbehörden übermittelt werden und auf ein angemessenes Verhältnis der ethnischen Zugehörigkeiten geachtet wird. Massenabschiebungen, so wie von Ihnen vorgetragen, kann es somit gerade nicht geben.
 
Die tatsächlichen Rückführungszahlen belegen zudem, dass Deutschland seine Zusagen auch einhält. Im Jahr 2009 wurden bei 2 385 Ersuchen nur 541 Personen zurückgeführt, hiervon 179 Angehörige ethnischer Minderheiten, darunter 76 Roma. Bis Ende März 2010 wurden 177 Personen zurückgeführt, hierunter 66 Angehörige ethnischer Minderheiten, davon 47 Roma.
 
Bund und Länder bevorzugen die freiwillige Ausreise von illegal aufhältigen Personen und fördern diese gerade bei rückkehrwilligen Kosovaren auch finanziell in beachtlichem Umfang. So erhält zum Beispiel eine vierköpfige Roma-Familie – zwei Erwachsene, zwei Kinder – neben der vollständigen Übernahme ihrer Heimreisekosten eine Starthilfe und eine Reisebeihilfe von insgesamt 2 850 Euro, was einem durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen im Kosovo entspricht.
 
Im Übrigen leistet für Rückkehrer aus den Ländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt das vom Bund und diesen Ländern betriebene Rückkehrprojekt „URA 2“ mit einem Beratungszentrum in Pristina wertvolle Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die kosovarische Gesellschaft durch vielfältige Beratungs- und Betreuungsangebote. Diese Angebote reichen von sozialer und psychologischer Beratung über Arbeits- und Wohnraumvermittlung bis hin zur Gewährung von Lohn- und Mietkostenzuschüssen oder einer Existenzgründungshilfe. Dabei werden alle Rückkehrer ohne Rücksicht auf die Art ihrer Rückkehr oder ihre ethnische Zugehörigkeit gleichermaßen betreut. Somit sind auch die in den Anträgen geschilderten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Bundestages nicht gegeben.
 
 
 
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