08.07.2016
Wir wollen die Energiewende nicht stoppen
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Rede zum Erneuerbare-Energien-Gesetz

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Rituale bei einer EEG-Reform sind offenkundig immer dieselben. Es beginnt mit einer Geschäftsordnungsdebatte. Das Argument ist auch immer gleich: Man hätte das in der Kürze der Zeit nicht erfassen können. Wenn man sich die Reden der Opposition anhört, merkt man: Das stimmt. Sie haben es nicht erfasst. Nun weiß ich nicht, ob es an der Zeit liegt. Ich will auch nicht sagen, dass es an der Auffassungsgabe liegt – überhaupt nicht –, sondern es liegt daran, meine Damen und Herren, dass Sie es nicht verstehen wollen. Sie wollen es nicht erfassen, weil Sie die Welt einfach aufteilen wollen in die einen, die für die Erneuerbaren, für das EEG sind, und die anderen, die dagegen sind. Sie wollen einfache Botschaften machen und, Herr Lenkert, dann auch noch einfache Lösungen anbieten. So einfach ist die Realität nicht.

Ich sage hier am Anfang auch ganz klar: Wenn man insbesondere den Grünen gefolgt wäre, wären wir heute noch auf dem Stand von 2000, wo man die Solarenergie zu früh und zu teuer an den Markt geführt hat. Das kostet uns jährlich 10 Milliarden bis 12 Milliarden Euro. Das sind die Altlasten, die wir an dieser Stelle durchschleppen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an dieser Stelle auch nicht einfach die Schuld zuschieben. Wir haben ein systemisches Problem im EEG, das ich ansonsten – ich habe das immer wieder betont – für ein gutes Gesetz halte. Wir haben das systemische Problem, dass die Erfolgskurven Gott sei Dank steil sind, die Kosten schneller sinken, als der Deutsche Bundestag reagieren kann. Deshalb kommt es immer wieder zu Überrenditen, aktuell wieder bei der Windkraft, und deshalb waren wir bisher immer im Zugzwang, nachzusteuern. Ich gehe davon aus, dass der Systemwechsel, über den wir heute hier reden, das ändern wird, dass wir über die Ausschreibungen verhindern können, dass wir nachsteuern müssen, und dass wir Überrenditen marktnah ändern können.

Meine Damen und Herren, wir wollen die Energiewende nicht stoppen. Wir wollen sie steuern; das ist entscheidend. Wenn man darüber nachdenkt, ist die Notwendigkeit, glaube ich, auch offenkundig. Allein das, was bei Windparks auf hoher See passiert – Stichwort „BorWin 3“, 700 bis 900 Millionen Euro, die die Stromkunden für Strom ausgeben müssen, der sozusagen nicht produziert wird, der bezahlt werden muss, aber nicht transportiert werden kann –, ist ein Schildbürgerstreich. Das können wir uns auf Dauer nicht leisten. Das wird die Akzeptanz des EEG und damit auch der Energiewende deutlich infrage stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist das, was wir hier tun, intelligent, intelligent auch für die Erneuerbaren.

Wer sagt, das gehe nicht, müsste Folgendes einmal bedenken: Es ist ein großer Erfolg, dass wir nach der Einführungsförderung, nach einem beachtlichen Zuwachs bei den erneuerbaren Energien jetzt an einen Punkt kommen, wo wir Markt organisieren können. Wer das nicht glaubt, wer das nicht sieht, der glaubt nicht an den Erfolg der Erneuerbaren. Deshalb bin ich ein bisschen traurig, dass Linke und Grüne dem an dieser Stelle nicht folgen können.

Nun tun wir einiges, um zu steuern. Wir verlegen eine Tranche der Offshoreprojekte in die Ostsee, weil wir zuversichtlich sind, dass wir den Strom dort tatsächlich in die Netze bekommen. Wir weisen Netzengpassgebiete dort aus, wo es zu viel Wind und zu wenig Leitungen gibt. Wir sorgen für eine Einmaldegression bei Wind onshore, um den Übergang zu den Ausschreibungen richtig zu schaffen. Das sind alles notwendige Dinge. Aber, meine Damen und Herren, das ist auch ein Hinweis an die, die Windenergie produzieren, dass es jetzt höchste Zeit ist, Netze auszubauen.

Ich weiß, wenn man das als Bayer sagt, dann kommen sofort Anwürfe, wir hätten da doch verzögert, und was auch immer.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)

Ich sage Ihnen: Wir haben etwas anderes gemacht. Wir haben erstens dafür gesorgt, dass die Verkabelung auf das notwendige Maß reduziert wird.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht verzögert, sondern sabotiert! Sie sabotieren weiter!)

Wir haben zweitens dafür gesorgt, dass sich Erdverkabelung durchsetzt. Das wird der Akzeptanz helfen. Und drittens sage ich: Wenn Sie sich anschauen wollen, wie das richtig umgesetzt wird, dann können Sie auch nach Bayern kommen. Stichwort „Thüringer Strombrücke“ – die bayerische Wirtschaftsministerin sitzt dort auf der Länderbank; die kann Ihnen das beschreiben –, beispielgebend auch für andere Bundesländer.

Ich kann insbesondere den Niedersachsen nur empfehlen, dem zu folgen, meine Damen und Herren. Denn wenn sich da nichts ändert, dann wird es eng, nicht nur in Niedersachsen, sondern insbesondere bei der Frage, wie wir zukünftig in Schritten die Erneuerbaren ausbauen können.

Ich will Ihnen sagen, es geht uns ganz erkennbar um die Sache. Da ist das Thema Biomasse ein gutes Beispiel. Die Biomasse scheint ein ungeliebtes Kind zu sein. Die Vaterschaft dafür – ausgenommen die CSU – wird mittlerweile von allen Parteien geleugnet. Alle machen sich an dieser Stelle sprichwörtlich vom Acker, obwohl Bioenergie speicherbar ist, obwohl wir erkennen können, dass wir für die Energiewende genau einen solchen Beitrag brauchen.

In den Debatten haben ein paar so getan, als sei das Thema Biomasse ein bayerisches Hobby. Dazu muss ich Ihnen sagen: Ein Drittel der Biogasanlagen liegt in Bayern. Das heißt im Umkehrschluss, zwei Drittel müssen anderswo liegen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir uns für dieses Thema immerhin noch starkgemacht haben und mit diesem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Botschaft senden, dass es für die Bestandsanlagen einen Anschluss gibt, dass es weitergeht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das halte ich für ganz wichtig, insbesondere als Botschaft in eine Branche, nämlich in die Landwirtschaft, die momentan schwer gebeutelt ist. Die Landwirtschaft sagt uns ja: Uns mit eurer politischen Irrlichterei in die Investitionen zu führen und dann zu sagen: „Braucht man nicht“, das ist ein falscher Ansatz. – Deshalb war es mir wichtig, dass wir an dieser Stelle tatsächlich zu wichtigen und richtigen Perspektiven kommen.

Weitere Beispiele dafür, dass wir es mit der Energiewende ernst meinen, wurden hier schon angesprochen. Bürgerenergie und Akteursvielfalt sind ein wichtiges Thema; denn wir wollen die Bürger schon noch bei der Stange halten, und wir sehen, dass Ausschreibungen den Nachteil haben, dass man nicht steuern kann, wer am Schluss den Zuschlag bekommt. Deshalb haben wir da, glaube ich, die richtigen Weichen gestellt, dass Bürgerenergiegesellschaften ohne große Vorlaufkosten bieten können und dann auch eine gute Aussicht haben, privilegiert beteiligt zu werden.

Das Thema Mieterstrom wurde angesprochen. Es geht darum, den Strom aus erneuerbaren Energien in die Städte zu bekommen. Ich weise darauf hin, dass das ein Modell für beide Seiten ist, nicht nur für die Mieter, sondern auch für die Vermieter. Das ist etwas, was der Vertragsfreiheit von Mietern und Vermietern unterliegt. Da haben wir noch Defizite, und da muss sich etwas ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben beim Thema „zuschaltbare Lasten“ dafür gesorgt, dass Windstrom, der eigentlich abreguliert wird, fossile Brennstoffe in KWK-Anlagen ersetzt. Da spart niemand Geld, aber es macht ökologisch und, wie ich meine, auch volkswirtschaftlich Sinn, so etwas zu tun.

Apropos Volkswirtschaft: Ich halte es für richtig, dass wir die besondere Ausgleichsregelung aufrechterhalten haben, dass wir dafür Sorge getragen haben, dass diejenigen Unternehmen, die bisher, weil sie energieintensiv sind, Ausnahmen genossen haben, in diesem Bereich bleiben, nicht zu tief nach unten fallen. Es geht hier darum, Deutschland aufgrund der hohen Kosten nicht zu deindustrialisieren. Ich glaube, wir haben auch hier einen guten Weg beschrieben, wie wir der Industrie helfen können – nicht nur den neuen Unternehmen, die beim Thema Offshore entstehen, sondern auch den etablierten, die trotz hoher Energiekosten hierbleiben und weiter investieren sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden uns in der Tat – irgendjemand hat gefragt: wie geht es weiter? – im Herbst noch einmal über das Thema Eigenstromproduktion unterhalten müssen und auch über die Frage: Unter welchen Umständen kann man das zulassen, und wie kann man diese fördern? Da wird es die üblichen Diskussionen mit Brüssel geben. Auch das ist ein Thema, das uns wichtig ist. In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass wir auch mit dem Bundesfinanzminister zu Recht kontroverse Diskussionen über die Frage der Stromsteuer führen; denn ich sehe überhaupt nicht, dass wir hier eine Doppelförderung haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wenn jemand erneuerbaren Strom produziert, dann verkauft er den einen Teil, der nach dem EEG gefördert wurde, und verbraucht den anderen Teil, der nicht gefördert wurde, selber. Diesen Strom kann man ohne Probleme von der Stromsteuer befreien, so wie das bei vielen seit Jahrzehnten der Fall ist. Ich spreche an dieser Stelle insbesondere die Mühlenbetriebe an, die seit ewigen Zeiten diesen Strom selber produzieren und selber verwenden.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege.

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):

Sie können deshalb zu Recht darauf pochen, dass das in Zukunft weiter so bleiben und Bestand haben darf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):

Ich komme zum Schluss meiner Rede, Herr Präsident. – Sie sehen: Wir haben hier einen wohlabgewogenen Entwurf vorgelegt, von dem ich meine, dass auch Sie von der Opposition ihm zustimmen sollten, weil er Sinn macht, weil er die Akzeptanz erhöht und weil er bei weitem nicht so schlimm ist, wie Sie hier den Eindruck erwecken wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)