22.06.2015
Wir setzen dem Misstrauen gegenüber der Polizeiarbeit das Vertrauen in den wehrhaften Rechtsstaat
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Rede zum Antrag der LINKEN zu unabhängigen Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linkspartei auf Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle und eines Aufenthaltsrechts für Opfer ist dem Titel nach eine Sorge um die Polizei und den wehrhaften Rechtsstaat. Tatsächlich ist Ihr Antrag aber geprägt von einer tendenziösen Sprache und von Voreingenommenheit.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das überrascht ja nicht!)

Ihr Antrag, in dem über unsere Polizei „institutioneller Rassismus“, „Corpsgeist“, „bestehende Polizeikultur“, „Schwierigkeiten, Fehlverhalten anzeigen zu können“ zu lesen ist, ist von einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat und der Polizeiarbeit geprägt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, oder wie?)

Wir setzen dem Misstrauen gegenüber der Polizeiarbeit das Vertrauen in den wehrhaften Rechtsstaat und in unsere Polizei gegenüber.

Viele Zehntausend Menschen sind in diesem Land als Polizeibeamte tätig – die meisten davon im Streifendienst, auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Revieren, im Umfeld von Fußballstadien, an Flughäfen und an Bahnhöfen. Diese Polizeibeamten haben keine leichte Aufgabe. Sie sind meist im mittleren Dienst besoldet, sie haben Nachtschichten und haben mit Gewalttätern und Betrunkenen zu kämpfen, und sie sind oftmals nicht im großen Maße sichtbar, sind aber immer da, wenn es darum geht, Freiheit und Sicherheit zu verteidigen.

Deswegen lade ich Sie ganz persönlich ein: Machen Sie einmal eine Nachtschicht mit Polizisten am Hauptbahnhof oder mit Streifenbeamten in einer deutschen Großstadt.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe 20 Jahre lang Nachtschichten gemacht! Herzlichen Dank!)

Sie werden erkennen, welch wertvolle Arbeit unsere Polizei leistet. Wir danken für deren Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich kommen auch – das sind aber die absoluten Ausnahmen – Fehlverhalten von einzelnen Polizeibeamten vor. Diese müssen und werden vom Rechtsstaat verfolgt werden. Das Gewaltmonopol des Staates verlangt, dass dieser Staat bei einem Überschreiten der Grenzen intensiv reagiert, und wir haben gar keine Erkenntnisse, dass dies nicht der Fall ist.

(Abg. Frank Tempel [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Herr Dr. Ullrich, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):

Nein.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Angst?)

Dienstaufsichtsbeschwerden, interne Ermittlungsgruppen, Disziplinarverfahren, die Möglichkeit zur Remonstration, besondere Straftatbestände, die eine höhere Strafdrohung haben, wenn im Dienst Gewalt angewendet wird oder gar bei Verfolgung Unschuldiger, zeigen, dass dieser Rechtsstaat sehr klar und deutlich reagiert, wenn Inhaber und Träger des Gewaltmonopols ihre Grenzen überschreiten. Wir haben Vertrauen in diesen Rechtsstaat.

Der Linkspartei scheint es auch entgangen zu sein,

(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Wir heißen „Linke“ und nicht „Linkspartei“!)

dass 47 Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses teilweise schon umgesetzt worden sind.

Im Bereich der Gewaltkriminalität wird sorgfältiger geprüft, ob ein rassistischer oder anderweitig politisch motivierter Hintergrund vorliegt. Wir haben vor einigen Monaten § 46 des Strafgesetzbuches geändert und damit auch den Staatsanwaltschaften den Auftrag gegeben, rassistische oder menschenverachtende Motive besonders zu berücksichtigen. Wir haben dem Generalbundesanwalt mehr Kompetenzen gegeben. Das, was Sie fordern, ist zu einem großen Teil bereits umgesetzt, und die anderen Punkte werden wir umsetzen. Dieser Staat handelt, er schläft nicht.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Warum hat es in Hannover nicht funktioniert?)

Meine Damen und Herren, in diesem Land ist aber nicht nur über das Fehlverhalten einzelner Polizisten zu sprechen, sondern auch über die Frage, wie diese Gesellschaft mit denjenigen umgeht, die uns schützen. Deshalb sei noch ein Wort in Bezug auf Blockupy und Frankfurt verloren: 150 verletzte Polizeibeamte, verletzte Feuerwehrleute, circa Tausend Gewalttäter: Das sind schreckliche Bilder, die uns noch gut in Erinnerung sind.

Was sagt die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping? Parlamentarier seien anwesend gewesen, um zu deeskalieren, weil – ich zitiere –:

Dies war auch deshalb notwendig, weil Teile der Polizei zum Aufheizen der Stimmung beigetragen haben.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist ein Skandal!)

Ihre Kollegin Heike Hänsel hat Rauchschwaden in Frankfurt mit dem Maidan verglichen – ich zitiere –:

Auf dem Maidan in Kiew waren Rauchschwaden für die Presse Zeichen der Freiheitsbewegung!

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Frechheit!)

Ulrich Wilken, Landtagsvizepräsident in Hessen, hat gesagt:

Klar ist uns allen, dass die Proteste, die in Frankfurt auch in Gewalt stattgefunden haben, in anderen europäischen Ländern viel selbstverständlicher sind, als das in Deutschland Demonstrationskultur ist.

Wilken sieht die Ausschreitungen nur als „Auswirkungen einer gewalttätigen Politik“. Der Fraktionschef Ihrer Partei im hessischen Landtag, Willi van Ooyen, sagt, wer Sturm ernte, werde Wind säen.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umgekehrt! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch zitiert!)

Meine Damen und Herren, die Äußerungen Ihrer Parteikollegen sind inakzeptabel. Ich verlange eine Ablehnung und Distanzierung von Gewalt im Bereich der politischen Auseinandersetzung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer Gewalt relativiert oder sie zu politischen Zwecken billigt, stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses. Deswegen wäre es wichtig, dass Sie sich von diesen Aussagen eindeutig distanzieren und die gute -Polizeiarbeit in Frankfurt und auch anlässlich des G-7-Gipfels klar und deutlich würdigen. Das ist in diesem Hohen Haus einfach Ihre Pflicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Anstrengungen gelten unserer Polizei. Wir werden bei der Bundespolizei 750 neue Stellen schaffen. Wir werden die Ausrüstung verbessern. Wir werden auch ein Gesetzespaket zum besseren Schutz von Polizeibeamten und Rettungskräften angehen. Das sind wir denjenigen schuldig, die diesen Staat schützen.

Diese Rede wäre aber unvollständig, wenn man nicht auch noch auf Ihren zweiten Punkt eingehen würde: Sie fordern ein Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt. Wir werden diesen Antrag aus vielen guten Gründen, die meine Kollegen schon angesprochen haben, ablehnen. Aber es bleibt augenfällig, wen Sie ausblenden: Sie blenden die Opfer linker Gewalt aus. Sie blenden die Opfer religiös-extremistischer oder islamistischer Gewalt aus. Sie blenden die Opfer von Menschenhandel aus, von Ausbeutung und von erpresserischem Menschenraub.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Lesen Sie mal unsere Anträge! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie blenden alles aus!)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie sehen Menschen nur in Gruppen gemäß Ihren Interessen aufgeteilt.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie nicht?)

Wir haben alle Menschen im Blick; alle Menschen, die Opfer von Gewalt, von Übergriffen und von Intoleranz werden. Wir werden es nicht zulassen und auch nicht dulden, dass unvollständige Anträge beschlossen werden, dass man linke, rechte oder islamistische Gewalt gegeneinander ausspielt. Wir bekämpfen Gewalt und Extremismus jeglicher Couleur.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, diese Anträge sind rechtsstaatlich bedenklich, unvollständig und drücken Misstrauen gegenüber diesem Rechtsstaat und der Polizei aus. Wir leben eine Kultur des Vertrauens in den Rechtsstaat, der Tauglichkeit unserer Maßnahmen, der Freiheit und der demokratischen Werte. Deswegen lehnen wir diese Anträge ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)