30.01.2015
Es muss sehr wohl abgewogen werden, welchen Weg wir einschlagen wollen
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Rede zur Übernahme der Energienetze durch Stadtwerke erleichtern

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der Fraktion Die Linke soll die Übernahme der Energienetze durch Stadtwerke erleichtert werden. Wieder einmal suggeriert die Linke den Menschen, dass sie der Bundesregierung die politischen Themen diktiert. Genau das Gegenteil ist der Fall.

(Lachen bei der LINKEN)

Wir bestimmen den Weg, und Sie laufen uns hinterher.

(Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Caren Lay [DIE LINKE]: Aber beim Mindestlohn war es genau umgekehrt!)

Das Thema der Rekommunalisierung beschäftigt uns schon seit vielen Jahren. Es wurde bereits gesagt, dass es absehbar ist, dass in der nächsten Zeit viele Netzkonzessionen auslaufen, die vor 20 Jahren vergeben wurden. Wir haben das Thema daher in unserem Koalitionsvertrag aufgegriffen. Es heißt dort – das wurde schon einmal angesprochen –:

Wir werden das Bewertungsverfahren bei Neuvergabe (z. B. bei der Rekommunalisierung) der Verteilernetze eindeutig und rechtssicher regeln sowie die Rechtssicherheit im Netzübergang verbessern.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Dann machen Sie es doch auch!)

So steht es in unserem Koalitionsvertrag.

Aus diesem Grund arbeitet die Bundesregierung aktuell an einem entsprechenden Gesetzentwurf zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes.

Sie fordern in Ihrem Antrag, die Energienetze wieder in die Hände der Kommunen zu geben, Stichwort -„Rekommunalisierung“. Als langjähriger Bürgermeister kann ich Ihnen umfassend über die Stärken der Kommunen berichten. Die Kommunen nutzen nämlich die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten. Ich habe zum Beispiel in meiner Gemeinde ein eigenes kommunales Breitbandnetz aufgebaut. Das war eine richtige Entscheidung.

Sehr verehrte Damen und Herren, ich traue unseren Kommunen sehr viel zu und kann jede Kommune nur beglückwünschen, wenn sie den Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern sucht und sich dem auch stellt. Kommunen übernehmen zum Teil auch eine tragende Rolle in der Energieerzeugung. In meiner Heimat betreiben viele Kommunen Hackschnitzelkraftwerke und Biomassekraftwerke, alle mit großem Erfolg. Es kann daher für alle Beteiligten nur von Vorteil sein, wenn sich Kommunen zum Beispiel auf der Ebene von Zweckverbänden zusammenschließen und über das Thema diskutieren und wenn Möglichkeiten geschaffen werden, selbst ein Stromnetz zu betreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus meiner Sicht machen energiewirtschaftliche Tätigkeiten von Kommunen aber nur dann Sinn, wenn sie tatsächlich geeignet sind, Marktstrukturen zu verbessern. Das muss geprüft werden. Eine Rekommunalisierung um jeden Preis darf es nicht geben. Rekommunalisierung darf keine Flucht in öffentlich-rechtliche Rechtsformen sein, um die Kartellaufsicht zu unterlaufen und von den Bürgern höhere Gebühren einzufordern.

Eine Kommune muss wirtschaftlich arbeiten. Daher kommt eine Konzessionsübernahme für mich nur in Betracht, wenn sie tatsächlich wirtschaftlich ist und nicht zulasten der Effizienz geht. Eine Zersplitterung der Netze muss verhindert werden. Je kleinteiliger die Netze sind, desto höher ist der Regulierungsaufwand. Ein hoher Regulierungsaufwand birgt die Gefahr von Kostensteigerungen. Diese werden am Ende beim Endverbraucher abgeladen. Auch dazu darf es nicht kommen.

Es gibt also eine Menge zu beachten, wenn wir die Rahmenbedingungen gesetzgeberisch neu auf den Weg bringen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns die Bundesregierung bald einen ausgewogenen Regelungsentwurf vorlegen wird.

Was ich ablehne, ist die von den Linken geforderte Inhouse-Vergabe der Netze an kommunale Unternehmen.

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Warum?)

Die Übernahme eines bisher privatwirtschaftlich betriebenen Energienetzes durch die Kommune selbst würde erhebliche europarechtliche Probleme aufwerfen. Sie könnte der EU-Kommission den Anlass bieten, die geltende sogenannte De-minimis-Regelung in der EU-Energiebinnenmarktrichtlinie grundsätzlich infrage zu stellen.

Meine Damen und Herren, die De-minimis-Regelung ist vor Jahren auf deutschen Wunsch in die EU-Energiebinnenmarktrichtlinie aufgenommen worden. Sie ist für die Kommunen, die Stadtwerke haben, von ganz großer Bedeutung. Durch die Sonderregelung werden die überwiegend kleineren und mittleren Stadtwerke im Gegensatz zu den großen Energieversorgungsunternehmen von einer Reihe aufwendiger Pflichten, zum Beispiel der Gründung einer separaten Netzgesellschaft, befreit.

Es muss also sehr wohl abgewogen werden, welchen Weg wir in dieser Sache einschlagen wollen. Ich freue mich daher schon jetzt auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung und auf die inhaltliche Diskussion im Deutschen Bundestag und wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)