Rede zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist im Grunde schon eine beschämende Situation: In den Minuten, in denen wir hier über Opfer von Menschenhandel diskutieren, werden in diesem Land Tausende von Menschen ausgebeutet. Sie müssen zum Zwecke eines unnatürlichen Gewinnstrebens dienen, und sie werden an Körper und Seele ausgebeutet. Wir in Deutschland sind stolz auf unseren Rechtsstaat, auf unsere Werte und Traditionen. Aber wir müssen selbstkritisch sagen: Wir haben es nicht geschafft – bislang nicht geschafft –, die Strukturen und Umstände von Menschenhandel in Deutschland wirksam zu bekämpfen. Das bleibt unsere Pflicht.
Das Wort einer jungen Frau, die selbst Opfer von Menschenhandel war und ein Buch darüber geschrieben hat, soll uns zur Mahnung gereichen. Sie schreibt:
Kein junger Mensch … verkauft gern seinen Körper. Doch wenn man diesen Weg erst einmal beschritten hat, führt er unaufhaltsam nach unten. Es wird dunkler, … und man sieht nirgendwo einen Ausweg.
Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die Opfer von Menschenhandel sind, einen Ausweg sehen. Durch gesetzgeberische Maßnahmen müssen wir diesem Leid ein Ende bereiten und sicherstellen, dass der wehrhafte Rechtsstaat diesen Menschen zur Seite steht. Dafür stehen wir.
Es ist richtig, dass der Gesetzentwurf der Grünen in vielen Punkten wahre Dinge anspricht,
(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Dinge, die der Gesetzentwurf der Regierung in den nächsten Monaten anpacken und umsetzen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)
Interessant ist aber auch, das anzusprechen, was die Grünen nicht in ihren Gesetzentwurf geschrieben haben.
Es gibt nämlich gerade auch im Bereich der sexuellen Ausbeutung Umstände, die ein Handeln von uns allen erfordern, und dieses Handeln fordern die Grünen gerade nicht ein. Es geht um das Handeln im Bereich der Prostitution, um eine Reform des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2002.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist denn das in Ihrem Gesetzentwurf zum Bleiberecht geregelt? Dazu haben wir doch andere Gesetze!)
Ich mache Ihnen überhaupt keinen Vorwurf, dass im Jahr 2002 dieses Gesetzgebungsverfahren so über die Bühne ging. Es war sicherlich aus manchen Gründen gut gemeint. Aber es hat sich in der Realität als nicht gut erwiesen, deshalb muss der Gesetzgeber den Mut haben, dies anzusprechen und zu ändern. Wir wollen es ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Genau! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach neun Jahren!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage? – Bitte, Herr Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nur damit das Hohe Haus bei der Chronologie durch Ihren Sachvortrag nicht durcheinanderkommt: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir als Grüne schon 2002 eine Ausgestaltung des Berufs- und Gewerberechts der Prostitution für erforderlich gehalten haben und im Jahr 2013, als die schwarz-gelbe Koalition einen später im Bundesrat gescheiterten Versuch unternommen hat, die Menschenhandelsopferfrage zu regeln – wobei übrigens auf das Aufenthaltsrecht gar nicht eingegangen wurde, sondern nur auf das Strafrecht –, Änderungsanträge gestellt haben, um die gewerberechtliche Reglung der Prostitution vorzunehmen, die die Koalition jetzt auch im Grundsatz aufgegriffen hat?
In vielen Details werden wir uns wahrscheinlich noch auseinandersetzen müssen, aber wir sind uns einig, dass wir Prostitutionsstätten gewerberechtlich durchregeln müssen. Der Kollege Uhl war damals bass erstaunt, dass von uns Anträge kamen, die offensichtlich in der damaligen Koalition nicht mehrheitsfähig gewesen sind. Wir sind sogar so weit gegangen – was in Ihren Reihen, glaube ich, jetzt auch diskutiert wird –, zu sagen: Wer als Freier vorsätzlich die Dienstleistung eines Menschenhandelsopfers ausnutzt, der muss dafür natürlich bestraft werden, weil er sich zum Täter macht und sich nicht darauf berufen kann, dass ihm jemand anderes das Menschenhandelsopfer zugeführt hat.
Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir vielleicht schon etwas weiter waren als Sie, gezwungen durch Ihren Koalitionspartner in der letzten Legislaturperiode? – Sie müssen nur Ja sagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):
Herr Kollege Beck, Ihre Rhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgehen. Wenn Sie sich mit Opferverbänden, mit Personen unterhalten, die sich beruflich mit den Folgen des Menschenhandels beschäftigen, dann wird Ihnen unisono gesagt: Das rot-grüne Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 hat es erst ermöglicht, dass in Deutschland
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe mit sehr vielen gesprochen! Ich habe das nicht unisono gehört!)
– Kollege Beck, Zuhören erleichtert manchmal die Findung der Realität –
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, wenn Sie Falsches erzählen!)
Hunderttausende von jungen Frauen in Bordellen ausgebeutet werden konnten,
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Vermischen Sie nicht alles!)
weil man es aufgrund der laxen Rechtslage den Bordellbesitzern einfach gemacht hat, diese Menschen auszubeuten. Legale Prostitution lässt sich oftmals in einem Graubereich nicht von Zwangsprostitution trennen, deswegen tragen Sie Mitverantwortung für dieses Gesetz.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fakten- und sachwidrig ist Ihr Vortrag!)
Daher wäre ich an Ihrer Stelle eher ruhig geblieben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn in den letzten zehn Jahren gemacht? Die Verantwortung liegt doch bei Ihnen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 2005 regieren Sie!)
Wir wollen in diesem Hohen Hause die gesetzlichen Maßnahmen umsetzen, um zukünftig junge Frauen stärker vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Dazu braucht es nicht allein eine Reform der Erlaubnispflicht von Bordellen. Es braucht auch eine Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre. Wir brauchen eine verpflichtende Beratung und verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen. Wir brauchen eine Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, und wir brauchen am Ende auch eine Änderung der Kultur in diesem Land. Körper sind keine Ware.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sexuelle Dienstleistungen!)
Man kauft Menschen nicht. Der Respekt vor Menschen verbietet es, dass wir sexuelle Dienstleistungen als Ware ansehen. Es geht um Menschen, die oftmals vor dem Hintergrund einer legalen Fassade ausgebeutet wurden.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen die Prostitution verbieten! Dann sagen Sie es doch! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen also die Prostitution verbieten!)
Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren und tolerieren wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Frage der Bekämpfung von Menschenhandel ist geprägt durch ein Mosaik von vielen Maßnahmen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man bei der Moral zu sehr aufdreht, landet man manchmal in der falschen Ecke!)
Wir müssen stärker überwachen, dass Unternehmer Menschen nicht ausbeuten. Wir müssen zukünftig die Bordellszene in Deutschland stärker reglementieren, um damit die Opfer zu schützen. Wir müssen dieses Thema aber immer auch vor dem Hintergrund der Würde des Menschen betrachten. Dort, wo die Würde des Menschen verletzt ist, haben wir die Pflicht, zu handeln. Die Würde des Menschen ist die beste Idee, die wir haben. Deswegen ist das Handeln unsere allererste Pflicht.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie die Würde von Prostituierten schützen! Das ist auch Menschenwürde!)
Dafür wollen wir kämpfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)