
Rede zum Dritten Zusatzprotokoll vom 10. November 2010
Mit dem Gesetzentwurf zum Dritten Zusatzprotokoll vom 10. November 2010 zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957, 3. ZP-EuAlÜbk, geht es um die deutsche Umsetzung des Zusatzprotokolls mit dem Ziel, das EuAlÜbk in bestimmten Punkten zu verbessern und zu ergänzen. Am 9. Oktober 2014 wurde der Gesetzentwurf bereits ohne Debatte in erster Lesung beraten.
Zum Hintergrund: Das vereinfachte Auslieferungsverfahren nach deutschem Recht ist in § 41 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, IRG, normiert. Im Jahr 2009 hat in Deutschland mehr als die Hälfte der verfolgten Personen ihrer vereinfachten Auslieferung zugestimmt. Auch die Regelungen zum Europäischen Haftbefehl sehen die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens vor. In diesen Verfahren verkürzte sich im Jahr 2012 die durchschnittliche Zeitspanne zwischen Festnahme und Auslieferungsentscheidung von durchschnittlich 38,4 Tagen im Normalfall auf 15,2 Tage bei Zustimmung der verfolgten Person. Der Europarat hat mit dem 3. ZP-EuAlÜbk das Mutterübereinkommen (BGBl. 1964 II S. 1369, 1371) ergänzt, um das Auslieferungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, wenn die verfolgte Person der Auslieferung zugestimmt und auf den Schutz des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet hat. Es dient damit einerseits den Interessen der verfolgten Person, indem es die Dauer des Freiheitsentzuges im Ergreifungsstaat reduziert und eine zeitnahe Verteidigung im Staat, der um Auslieferung ersucht hat, ermöglicht. Andererseits wird damit die Effizienz der Strafjustiz in den beteiligten Staaten erhöht. Deutschland hat sich während der Verhandlungen zum 3. ZP-EuAlÜbk für eine die Grundrechte schonende Gestaltung des Auslieferungsverfahrens eingesetzt. Der Gesetzentwurf steht darüber hinaus im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, weil die Kriminalitätsbekämpfung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Vertragsstaaten auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung verbessert werden. Das EuAlÜbk und damit auch das 3. ZP-EuAlÜbk sind allerdings im Verhältnis zu Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht anwendbar. Hier haben die Regelungen zum Europäischen Haftbefehl Vorrang (§ 78 IRG).
Folgend möchte ich Neuerungen durch das Übereinkommen vorstellen, welches das Auslieferungsverfahren näher beschreibt:
Artikel 1 des 3. ZP-EuAlÜbk verpflichtet den ersuchten Staat zur Durchführung des vereinfachten Auslieferungsverfahrens, wenn die verfolgte Person damit einverstanden ist. Von dieser Verpflichtung gibt es allerdings eine Ausnahme. Nach Artikel 6 Absatz 2 des 3. ZP-EuAlÜbk kann der ersuchte Staat in Ausnahmefällen entscheiden, das normale Verfahren nach dem EuAlÜbk anzuwenden. Er ist lediglich verpflichtet, dies dem ersuchenden Staat so rechtzeitig mitzuteilen, dass dieser die Frist zur Vorlage eines Auslieferungsersuchens einhalten kann.
Artikel 2 ff. des 3. ZP-EuAlÜbk legen das Grundprinzip des vereinfachten Verfahrens, die Unterrichtung der betroffenen Person, die Zustimmung zur Auslieferung und den Verzicht auf den Grundsatz der Spezialität fest. Das Verfahren der vereinfachten Auslieferung entspricht dem des § 41 IRG: Ein Auslieferungsverfahren wird nach den Regelungen des IRG durch ein Fahndungsersuchen, ein Ersuchen um vorläufige Inhaftnahme oder ein Auslieferungsersuchen vorbereitet. Wird die verfolgte Person aufgegriffen, ist sie unverzüglich einem Richter vorzuführen (§§ 21, 22 IRG). Im Rahmen der Vernehmung ist die verfolgte Person über die Möglichkeit der vereinfachten Auslieferung und deren Rechtsfolgen zu belehren. Der Richter nimmt die Erklärung der verfolgten Person zu Protokoll (§ 21 Absatz 6, § 22 Absatz 3, § 28 Absatz 2, § 41 Absatz 4 IRG, Nummer 40 Absatz 2 der Richtlinien über den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, RiVASt). Zudem kann die verfolgte Person entscheiden, ob sie auf den Spezialitätsschutz verzichtet (§ 41 Absatz 2 IRG). Die Einverständniserklärung kann auch zu einem späteren Zeitpunkt im Auslieferungsverfahren zu Protokoll eines Richters abgegeben werden. Sie ist nicht widerruflich (§ 41 Absatz 3 IRG). Nach der Vernehmung übersendet die Generalstaatsanwaltschaft die Verfahrensakte an das Oberlandesgericht, das über den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls entscheidet, falls dieser noch nicht vorliegt (§17 Absatz 1 IRG). Über die Zulässigkeit der Auslieferung kann anschließend die Generalstaatsanwaltschaft entscheiden, ohne das Oberlandesgericht damit zu befassen (§ 29 Absatz 1 IRG). Gemäß § 29 Absatz 2 IRG bleibt der Generalstaatsanwaltschaft bei komplexen Verfahrensgegenständen oder Zweifeln an der Wirksamkeit des Einverständnisses die Möglichkeit, die Entscheidung des Oberlandesgerichts herbeizuführen und so das übliche Auslieferungsverfahren anzuwenden. Die gemäß § 74 IRG zuständigen Behörden bewilligen anschließend die Auslieferung. Die unverzichtbaren materiellen Auslieferungsvoraussetzungen, die in den §§ 1 bis 9, 10 Absatz 2 und § 73 IRG aufgezählt sind, sind in jedem Fall einzuhalten. Wird jedoch ein Einverständnis mit der Auslieferung erteilt, so ist es nicht mehr erforderlich, dass der ersuchende Staat ein förmliches Auslieferungsersuchen nach § 12 IRG übersendet; zumindest ein Ersuchen um vorläufige Inhaftnahme nach § 16 IRG muss jedoch vorliegen.
Die verfolgte Person wird gemäß Artikel 4 des 3. ZP-EuAlÜbk dadurch geschützt, dass die Einwilligung freiwillig, bewusst und im Wissen der rechtlichen Tragweite zu erfolgen hat.
Artikel 5 des 3. ZP-EuAlÜbk sieht ferner die Möglichkeit des Verzichts auf den Schutz des Grundsatzes der Spezialität vor. Nach diesem Grundsatz darf eine Person nach der Auslieferung nur wegen der Taten verfolgt werden, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens waren. Die Verfolgung wegen weiterer Taten setzt gemäß Artikel 14 EuAlÜbk eine Zustimmung des ausliefernden Staates oder eine freiwillige Rückkehr in den ersuchenden Staat voraus. Verzichtet die verfolgte Person auf diesen Schutz, kann sie auch wegen anderer Taten verfolgt werden und damit die Verfahren im ersuchenden Staat beschleunigen und erreichen, dass alle anhängigen Verfahren auf einmal erledigt werden. Dabei ist der ersuchte Staat auch nach
Abgabe einer Zustimmungserklärung der verfolgten Person nicht verpflichtet, ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen, sondern er kann am normalen Auslieferungsverfahren festhalten.
Zur weiteren Beschleunigung sehen die Artikel 6, 7 und 9 des 3. ZP-EuAlÜbk Fristen für Mitteilungen und Entscheidungen vor. An deren Nichteinhaltung sind keine Rechtsfolgen, insbesondere keine Sanktionen, gebunden. Durch die Fristsetzung soll gewährleistet werden, dass die übliche mehrmonatige Verfahrensdauer bei Zustimmung der verfolgten Person zur Auslieferung erheblich verkürzt wird.
Im Ergebnis lässt sich durch das vereinfachte Verfahren der Auslieferungsverkehr im Kreis der Staaten des Europarats insgesamt effektiver gestalten und beschleunigen. Es wird kein neues Verfahren eingeführt, sondern das 3. ZP-EuAlÜbk führt dazu, dass die übrigen Vertragsstaaten bei Auslieferungen nach Deutschland das vereinfachte Verfahren anwenden können. Ich bin zuversichtlich, dass wir dadurch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Kriminalitätsbekämpfung verbessern können.