Rede zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Debattenbeiträge der Opposition ein paar klarstellende Bemerkungen vorweg:
Erstens. Es ist nicht verboten, Geld im Ausland anzulegen.
Zweitens. Ein Freispruch ist ein Freispruch, und Steuergeheimnis muss Steuergeheimnis bleiben. Steuerhinterziehung muss bestraft werden. Das scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben.
Drittens. Wer durch Geldanlage im Ausland Gewinne macht, muss sie ordnungsgemäß versteuern.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Genau!)
Viertens. Auch heute ist festzustellen, dass das leider nicht alle tun.
Damit wären wir beim eigentlichen Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Diese Debatte mit der Attitüde des Klassenkampfes zu führen,
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ein Schmarrn!)
wie das heute hier wieder einmal zu erleben war, bringt uns allerdings nicht weiter.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Gehen Sie auf den Inhalt ein!)
Was wir brauchen, ist eine sachliche Debatte mit dem Ziel, Wege zu finden, wie der Staat an die ihm zustehenden Steuern kommt. Deshalb geht es natürlich um Steuerhinterziehung, aber nicht nur um Steuerhinterziehung; es geht auch um falsche grenzüberschreitende Steuergestaltung, Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage, Gewinnverschiebung internationaler Konzerne usw. usf.
Es ist nämlich nicht hinnehmbar, dass einige Konzerne hier kaum Steuern zahlen, aber gleichzeitig die steuerzahlenden Mittelständler das Wasser abgegraben bekommen. Das vernichtet Arbeitsplätze vor Ort. Das ist unfaire Konkurrenz. Das bedeutet letzten Endes Wettbewerbsverzerrung. Auch das gehört zum Thema, meine Damen und Herren, über das hier zu reden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Weil das so ist, hat diese Koalition vereinbart, die internationale Zusammenarbeit in Steuersachen Schritt für Schritt gänzlich zu verbessern. Natürlich gehört dazu insbesondere die Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Wir, die Union, haben in den vergangenen Jahren Wesentliches dazu beigetragen, um unlauteren Machenschaften einen Riegel vorzuschieben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Legalisieren wollten Sie!)
Wir haben 36 bilaterale Abkommen unter dem Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble beschlossen. Unter Rot-Grün waren es leider nur 6 Abkommen. Das sind die Tatsachen, meine Damen und Herren.
Wir haben das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige durch die Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre und die Verpflichtung zur vollständigen Offenbarung der hinterzogenen Steuern sinnvoll verschärft.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich glaube, es ist auch hier nicht überall bekannt, dass Zuschläge von 6 Prozent pro Jahr von dem bezahlt werden müssen, der sich endlich ehrlich macht. Auch das gehört zur Wahrheit und gehört in der Öffentlichkeit deutlich gesagt.
(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und den Säumniszuschlag! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Er ist nicht vorbestraft!)
Aus verschiedenen Gründen sind wir aber in einigen Punkten bei der Sicherstellung der Steuern nicht so weit gekommen, wie es möglich gewesen wäre – ich stehe dazu –; zum Schaden übrigens der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Ich will da nicht nachkarten mit dem Hinweis darauf, was wir mit dem Abkommen mit der Schweiz erreicht hätten, aber Sie müssen sich immer wieder dafür verantworten, was in die Verjährung gegangen ist, meine Damen und Herren. Was wir eingenommen hätten, das verschweigen Sie nämlich, wenn Sie über dieses Abkommen sprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Straftäter schützen wollt ihr!)
Der Versuch, die Meinungsführerschaft bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu behaupten, darf nicht zu blankem Populismus führen. Den Kollegen sage ich immer wieder nur: In Nordrhein-Westfalen wurden 570 Ermittlungsverfahren begonnen. Bisher sind 19 Steuerhinterzieher bestraft worden. Auch das gehört zur Wahrheit, meine Damen und Herren. Also: Jeder kehre vor seiner eigenen Tür.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es geht jetzt darum, dass wir sachbezogen prüfen, ob und, wenn ja, inwieweit eine weitere Reform der strafbefreienden Selbstanzeige notwendig ist. Klar ist: Ohne die strafbefreiende Selbstanzeige wären die vielen Fälle gar nicht erst ans Licht gekommen; denn bei der strafbefreienden Selbstanzeige erklärt der Steuersünder sein Vergehen umfassend; hingegen hätte er im Strafverfahren selbst – der Minister hat es gesagt – ein Auskunftsverweigerungsrecht. Deshalb warne ich davor, das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige abzuschaffen. Im Rechtsstaat gilt nun einmal der Grundsatz: Niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu belasten. – Das heißt aber auch: Die Steuerquellen bleiben weiterhin im Dunkeln, und es gibt auch keine Einnahmen; denn Menschen zeigen sich nicht selber an, wenn die Strafe so oder so identisch ausfällt.
Die Vergangenheit lehrt zudem: Das Institut der strafbefreienden Selbstanzeige hat funktioniert, meine Damen und Herren. Es hat 70 000 strafbefreiende Selbst-anzeigen gegeben, die über 3 Milliarden Euro an Einnahmen erbracht haben. Das ist nicht die Priorität, aber das zeigt auch die Funktionsfähigkeit des Instruments.
Unser Ziel muss sein, Steuerhinterziehung erst gar nicht zu ermöglichen. Wir haben vor, den automatischen Informationsaustausch mit allen Ländern jetzt auf den Weg zu bringen. Lassen Sie uns gemeinsam mit Sachbezogenheit und Vernunft für mehr Steuergerechtigkeit und mehr Steuerehrlichkeit in diesem Land kämpfen. Dann haben wir viel erreicht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)