Rede zur deutschen Sprache
Es ist eine unendliche und aus deutscher Sicht auch beschämende Geschichte: Obwohl Deutsch in der Europäischen Kommission gleichberechtigte Arbeitssprache neben Englisch und Französisch ist und obwohl Catherine Ashton, die Hohe Repräsentantin der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Außenminister Guido Westerwelle seit Jahren die ja selbstverständliche Zusage gemacht hat, Deutsch im Europäischen Auswärtigen Dienst, EAD, angemessen zu berücksichtigen, sprechen die Fakten noch immer eine andere Sprache:
Die Homepage des EAD ist nur in eingeschränktem Umfang auf Deutsch verfügbar. Termine, Reden und Erklärungen von Frau Ashton werden auf der deutschen EAD-Seite in englischer Sprache veröffentlicht.
Erst auf massiven Druck werden jetzt Stellenausschreibungen in Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht und neben Englisch- und Französisch- auch formal Deutschkenntnisse gefordert. Was das konkret heißt, formuliert Frau Ashton in einem Schreiben vom 24. April 2013 an mich ganz offen mit den Worten: „… dass wir von den Bewerbern erwarten, dass sie über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Kenntnisse der im Rahmen der GASP und der Außenbeziehungen verwendeten Sprachen verfügen. Gleichzeitig wird eine Kenntnis anderer EU-Sprachen, natürlich einschließlich der Deutschen, auch als Vorteil betrachtet.“ Im Klartext: Deutschkenntnisse sind keine EAD-Einstellungsvoraussetzung bis heute.
Außenminister Guido Westerwelle teilte mir in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 19. April 2013 mit, dass Deutschland rund 20 Prozent des EAD finanziert, auf der Ebene der EAD-Delegationsleiter aber nur 10 von 136 Posten mit Deutschen besetzt sind, das sind gerade mal 7 Prozent. Wenn wundert es noch, dass Deutsch in der EU untergeht?
Es ist freilich nur ein Mosaikstein in der systematischen Diskriminierung, die die deutsche Sprache durch die Mehrzahl der europäischen Organe und Behörden erfahren hat und erfährt.
Es hat zahllose Initiativen zur Behebung dieses Missstandes gegeben – von der Anweisung der Bundesregierung an deutsche Beamte, nur auf Deutsch zu verhandeln, über geplatzte Ratstagungen, an denen die Vertreter Deutschlands und Österreichs nicht teilgenommen haben, weil keine deutsche Übersetzung gewährleistet war, bis zu Vorstößen des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und von Vertretern der Zivilgesellschaft. Der Erfolg ist bislang mäßig.
Es kann nicht sein, dass wir Parlamentarier regelmäßig Beratungsdokumente nur in englischer Sprache vorliegen haben, die der Deutsche Bundestag dann auf eigene Kosten übersetzen soll.
Es kann nicht sein, dass immer wieder Überlegungen aufflammen, in der Brüsseler Generaldirektion Übersetzung in der Deutschabteilung bis zu 22 Stellen zu streichen und dafür den englischen Bereich auszuweiten.
Es kann nicht sein, dass das Auswärtige Amt Deutschkurse für den EAD durch das Goethe-Institut mit Sprachaufenthalten in Berlin anbieten muss. Dies alles ist eine eigene Aufgabe der EU.
Dabei ist Deutsch für über 100 Millionen Menschen Muttersprache, und damit die größte Sprachgruppe in der Europäischen Union. Deutsch ist Amts- bzw. anerkannte Minderheitensprache in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Belgien, Dänemark, Polen, Italien und Frankreich, und es ist nach Englisch die am zweithäufigsten verbreitete Fremdsprache in Europa. Diese Fakten gilt es selbstbewusst zur Kenntnis zu nehmen.
Die Charta der Grundrechte gewährleistet mittlerweile in Art. 41 jedermann das Recht, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten; in der Praxis ist dies jedoch noch nicht angekommen.
Doch ist es mit dem Anspruch auf Kommunikation in der eigenen Sprache nicht getan. Auch in den internen Entscheidungsprozessen der EU-Organe bedarf es der gleichberechtigten Berücksichtigung des Deutschen.
So werden zum Beispiel Fortschrittsberichte über EU-Beitrittsverhandlungen zunächst nur in Englisch veröffentlicht. Deutsch folgt Wochen später. Da ist dann die öffentliche Diskussion bereits vorbei.
Sprache ist Identität, gelebte Kultur und Heimat. Soll die europäische Integration auf Dauer nicht in der Herrschaft einer entrückten Brüsseler EU-Bürokratie münden, dann wird dies nur möglich sein, wenn Deutsch endlich auch tatsächlich im Gebrauch zu einer echten Arbeits- und Umgangssprache der EU wird.
Es ist deshalb notwendig, auf allen Ebenen die Umsetzung der rechtlichen Garantien der deutschen Sprache als Arbeitssprache nicht nur einzufordern, sondern dies auch mit allen rechtlichen und politischen Mitteln von der Bundesregierung durchzusetzen, bis hin zur Frage der Zustimmung zu einem EU-Haushalt, in dem der Etat für Übersetzungen zu gering ist.
Doch müssen wir auch als Deutsche selbst immer wieder bei internationalen Organisationen die Verwendung der deutschen Sprache aktiv einfordern und dies auch konsequent in Deutschland vorleben.
Denn die prekäre Situation des Deutschen ist nicht zuletzt auch unsere eigene Schuld: Jahrzehntelang konnten unsere Partner in Europa beobachten und unsere eigenen Kinder lernen, wie desinteressiert wir an der eigenen deutschen Sprache waren bzw. sind, dass man lieber pseudo-englische Begriffe wie „Handy“ erfand und vermeintliche Weltläufigkeit durch das Einstreuen von Angli-zismen zu belegen versuchte, dass selbst von der Bundesregierung finanzierte wissenschaftliche Kongresse wie der „World Health Summit“ in Berlin in englischer Sprache abgehalten werden und deutsche Vertreter dort ihre Reden auf Englisch halten, ohne deutsche Übersetzung, dass deutsche Universitäten Prüfungen nur noch auf Englisch abhalten – und ich rede nicht von Sprachprüfungen in Englisch. Solche negativen Beispiele gibt es leider zu viele.
Aber es gibt auch eine positive Wende: Bundesverkehrsminister Ramsauer hat bei der Deutschen Bahn ein klares Signal zurück zum Deutschen gestellt: Der Counter ist jetzt wieder der Schalter. Es geht also, wenn man nur will.
Daher unsere Forderungen in diesem Antrag, dass die deutsche Bundesregierung eigene Texte, Verlautbarungen, Werbekampagnen und Bürgerkommunikation in verständlicher deutscher Sprache abfassen soll, dass Deutsch durchgängig bei Beschilderungen, Beschriftungen usw. auf allen Ebenen verwendet werden soll, dass in den europäischen Institutionen Deutsch als Arbeitssprache praktiziert wird, auch bei Übersetzungen und Unterlagen, dass deutsche Beamte in den EU-Gremien deutsch sprechen sollen und dass im EAD Deutsch angemessen und wie zugesagt zum Einsatz kommt.
Im Wissenschaftsbereich gilt, dass Deutsch die Wissenschaftssprache in Deutschland bleiben muss, dass akademische Lehre zumindest ausgewogen in deutscher Sprache erfolgt, dass professionelle Übersetzung aus dem Deutschen oder ins Deutsche gefördert werden soll, aber auch, dass es über die Goethe-Institute weiter gefördert wird, dass junge Menschen Deutsch als Fremdsprache lernen können.
Diese sich in Deutschland verändernde öffentliche Meinung gilt es dann auch in Brüssel zu transportieren und selbstbewusst für die Sprache der Dichter und Denker zu fechten.