
Rede zu eingetragenen Lebenspartnerschaften
8.a) Erste Beratung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Abschließende Beendigung der verfassungswidrigen Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften
- Drs 17/12676 -
b) Beratung Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gleiches Recht für Lebenspartnerschaft und Ehe beim Adoptionsrecht - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013 jetzt umsetzen
- Drs 17/12691 -
c) Zweite und dritte Beratung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze im Bereich des Adoptionsrechts
- Drs 17/1429, 17/... -
ZP 6) Beratung Bericht Rechtsausschuss gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze im Bereich des Adoptionsrechts
ZP 7) Erste Beratung SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts
- Drs 17/12677 -
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist guter parlamentarischer Brauch, dass man auch einmal eine andere Meinung erträgt. Ich bitte darum: Lassen Sie mich auch meine Meinung noch einmal sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es dürfte eigentlich unter uns nicht streitig sein, dass Ehe und Familie zu den Grundlagen unseres Staatswesens und unserer Gesellschaft zählen.
(Zurufe von der LINKEN: Doch! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Daran kann eigentlich niemand ernsthaft zweifeln.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Grundgesetz hat Ehe und Familie deshalb unter den besonderen Schutz des Staates gestellt.
(Zurufe von der SPD)
Das gilt nicht nur für das Grundgesetz, sondern auch für viele Länderverfassungen der Bundesrepublik Deutschland. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Es ist nun einmal so, dass Vater, Mutter und Kind die Grundlagen menschlicher Gemeinwesen bilden.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch Quatsch, Herr Geis!)
Der Großrabbiner von Frankreich, Herr Bernheim, hat in einem Traktat, in welchem er sich mit der Gender-Ideologie auseinandersetzt,
(Mechthild Rawert [SPD]: Vorsicht!)
folgenden Satz geprägt: Die wahre Familie sind Vater, Mutter und Kind. – Auch das muss man doch zur Kenntnis nehmen.
(Christine Lambrecht [SPD]: Kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen!)
Zumindest muss ich das sagen dürfen.
(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der Ehe vollkommen gleichstellen. Das ist Ihr Weg.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Ich schlage Ihnen vor, erst einmal abzuwarten. – Sie machen das mit der Begründung, in der Ehe würden Mann und Frau genauso füreinander sorgen, wie das in den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der Fall ist.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Das ist für Sie die Begründung der Privilegierung. Ich gebe zu, dass auch das Verfassungsgericht dies sagt. Das ist aber deswegen nicht richtig.
(Lachen und Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 etwas ganz anderes gesagt hat. Es hat da nämlich noch festgestellt, dass die Ehe mit der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft gar nicht vergleichbar ist.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Verfassungsgericht hat dazugelernt! Sie nicht!)
Meine Damen und Herren, die Privilegierung der Ehe im Grundgesetz
(Zuruf von der SPD: Eine Schande! – Zurufe von der LINKEN)
– vielleicht ist es möglich, dass Sie mich in Ruhe aussprechen lassen – ist nicht deshalb gegeben, damit der Staat die Ehe in besonderer Weise schützt, sondern deshalb, weil niemand sonst als Vater und Mutter das Leben weitergeben können.
(Christine Lambrecht [SPD]: Dazu braucht es keine Ehe!)
Deswegen ist die Privilegierung gegeben. Das ist ständige Rechtsprechung. So steht es übereinstimmend in allen verfassungsrechtlichen Kommentaren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wo steht das?)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Geis, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Volker Beck zulassen?
Norbert Geis (CDU/CSU):
Ich will noch Ausführungen zu einem zweiten Grund machen, dann kann er die Zwischenfrage stellen. – Es gibt noch einen zweiten Grund, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der zweite Grund besteht darin, dass niemand sonst als Vater und Mutter, wenn sie zusammenleben, dem Kind besser Daseinskompetenz und soziale Kompetenz – sie gehen der schulischen Kompetenz voraus – vermitteln können. Das geht zwar auch auf anderem Wege. Hier aber geht es um die generelle Regelung. Auch das müssen Sie berücksichtigen. Sie können in allen Kommentaren nachlesen, dass das der Grund ist, weshalb Ehe und Familie privilegiert werden.
(Christine Lambrecht [SPD]: Schauen Sie einmal die Lebenswirklichkeit an!)
Das kann die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft in diesem Sinne nun einmal nicht leisten.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum nicht?)
Wenn Sie im Übrigen nur darauf abstellen, dass man in der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft füreinander sorgt wie in der Ehe – ich gebe Ihnen das ohne Weiteres zu –, müssen Sie aber – das hat Herr Papier -übrigens auch gesagt und geschrieben – alle anderen Einstandsgemeinschaften genauso behandeln. Warum werden die dann diskriminiert? Das geht doch nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Das wäre nämlich eine Diskriminierung anderer Lebensgemeinschaften, in denen man auch füreinander einsteht. Deswegen gibt es aber nicht die Privilegierung. Warum privilegiert wird, habe ich vorhin dargestellt. Das ist der Grund, weshalb es so im Grundgesetz steht. – Bitte, Herr Beck.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Beck, bitte.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Kollege. – Da Sie ein Zitat aus einem Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 gebracht und behauptet haben, das Verfassungs-gericht habe damals etwas anderes als das gesagt, was es uns seit 2009 immer wieder als Schlag auf den Hinterkopf präsentiert, frage ich: Sind Ihnen die Leitsätze 3 und 4 des Urteils bekannt, in denen eine Antwort auf die von Ihnen gerade gestellte Frage gegeben wird? Leitsatz 3 lautet:
Die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare verletzt Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.
Zu Ihrer Frage der fantasierten möglichen anderen bunten Lebensformen – Kardinal Meisner wollte schon Fahrgemeinschaften mit der Ehe gleichstellen – heißt es im Leitsatz 4 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts:
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nichtehelichen Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen und verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften
– das ist Ihr Lieblingsbeispiel –
der Zugang zur Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt ist.
Es geht dem Verfassungsgericht im Grundsatz um eines: In der Lebenspartnerschaft sind Verantwortung und Einstehen mit dem gleichen Unterhaltsrecht und im -Lebenspartnerschaftsfolgenrecht gleich, wie im Ehefolgenrecht geregelt. Deshalb ist es nach Art. 3 Abs. 1 gleich zu behandeln.
Können Sie mir bestätigen, dass das Bundesverfassungsgericht insofern seit 2002 nichts anderes sagt als das, was es uns auch im Jahre 2013 gesagt hat?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Norbert Geis (CDU/CSU):
Herr Beck, wenn ich Sie so höre – Sie haben jetzt noch einmal eine Rede gehalten und ungefähr das Gleiche gesagt wie vorhin, jedenfalls dem Inhalt nach – komme ich zu dem Schluss: Man sollte Zwischenfragen von Ihnen nicht mehr zulassen – ich werde es auch nicht mehr tun –,
(Zurufe von der SPD: Oh!)
denn Sie nutzen jede Gelegenheit, um hier Ihre Meinung zu deklamieren. Sie stellen ja gar keine wirklichen Fragen. Aber ich will Ihnen die Frage beantworten.
(Widerspruch bei der SPD und der LINKEN – Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] hält ein Schriftstück hoch)
– Denken Sie, ich kenne das nicht? Ich kenne das sehr gut. Ich weiß, was das ist, und ich weiß auch, was darin steht.
In den Gründen des Urteils des Verfassungsgerichts steht ganz klar, dass es dem Gesetzgeber verwehrt ist, ein Institut neben die Ehe zu stellen, das identisch ist mit der Ehe.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren gerade die Leitsätze!)
– Damals ging das Verfassungsgericht noch davon aus, dass ein Unterschied besteht.
(Zurufe von der SPD und der LINKEN)
– Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht zuhören wollen, dann kann ich mir die Mühe sparen. – In den Gründen steht es ganz klar. Ich bitte Sie, das einmal nachzulesen. Ich bitte wirklich darum. Ich bitte auch Sie, Herr Beck, das einmal nachzulesen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne das fast auswendig!)
Denn wenn Sie das tun würden, würden Sie nicht ständig dieselben Fragen stellen, die längst beantwortet sind. In den Gründen steht ganz klar, dass es dem Gesetzgeber verwehrt ist, ein Institut neben die Ehe zu stellen, das identisch ist mit der Ehe. Lesen Sie es nach; das steht drin. Es hat keinen Sinn, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Sie dürfen sich wieder setzen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil steht im Urteil!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Geis, es gibt noch eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Vogler aus der Linksfraktion. Möchten Sie diese zulassen?
Norbert Geis (CDU/CSU):
Nein, ich lasse keine Zwischenfragen mehr zu. Das hat ja keinen Sinn.
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Ein Austausch von Argumenten ist hier ja nicht mehr möglich.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Nein, Sie verschließen sich einfach den Argumenten.
(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mein Wort an die FDP: Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, ich habe in den langen Jahren der Zusammenarbeit immer wieder festgestellt, dass die FDP eine Verfassungspartei ist. Wenn die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe gleichgestellt werden sollen – das ist ja der Inhalt des Gesetzgebungsantrags –,
(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Sie kommen jetzt wieder in alle Satiresendungen!)
dann ist das keine Verfassungsänderung, die man über ein einfaches Gesetz machen kann. Dies wäre vielmehr eine massive Verfassungsänderung, die Sie gemäß Art. 79 des Grundgesetzes nur mit einem Gesetz machen können, das von einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird. Ich bitte Sie sehr herzlich, dies mitzubedenken. Es verstößt meiner Meinung nach gegen die Verfassung, wenn wir so vorgehen, dass wir sagen: Das können wir mit einem einfachem Gesetz tun. Die Verfassung kann in diesem Punkt nur über den Weg, der in Art. 79 Grundgesetz beschrieben ist, geändert werden.
Lassen Sie mich ein weiteres Wort dazu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren:
(Widerspruch bei der LINKEN)
In Ihrem Gesetzentwurf steht, dass Elternschaft biologisch zu verstehen sei. Es ist von der sogenannten biologischen Elternschaft die Rede. Das wird dem Begriff der Elternschaft, das wird dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht mehr gerecht. Wir müssen bei dem Begriff „natürliche Elternschaft“ bleiben, weil wir unter Natur viel mehr verstehen als Biologie.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Geis.
Norbert Geis (CDU/CSU):
Unter Natur verstehen wir auch, dass der Mensch von Anfang an seine Würde hat; dies hat ihm das Verfassungsgericht in zwei großartigen Urteilen zugebilligt.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Geis, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Norbert Geis (CDU/CSU):
Ja. Ich komme auch zum Ende.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind auch am Ende!)
Dieses Thema kann ich hier nicht in sechs Minuten abhandeln.
(Christine Lambrecht [SPD]: Lassen Sie sich Zeit!)
– Frau Kollegin, ich kenne Sie als ernsthafte Kollegin. Lassen Sie doch diese Zwischenrufe!
(Christine Lambrecht [SPD]: „Ernsthaft“? Das kann ich von Ihrer Rede nicht sagen!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Geis, Ihre Redezeit ist zu Ende!
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können ja noch ein paar Fragen stellen! – Johannes Kahrs [SPD]: Nee, lass das lieber! Dann dauert es ja noch länger!)
Norbert Geis (CDU/CSU):
Ich komme zum Ende. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie sehr herzlich, diese Diskussion nicht mit der Aufgeregtheit zu führen, mit der Sie sie führen. Ich bitte, wirklich sachlich zu diskutieren. Dann werden wir vielleicht auch gemeinsam zu sachlichen Ergebnissen kommen. Das ist bisher immer gelungen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Oh, das ist ja ein ganz toller Applaus! Ui, ui, ui!)