Rede in der Bundestagsdebatte: 50 Jahre Demokratie - Dank an Bonn
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich möchte zuvorderst dem Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, dem wir es verdanken, dass Berlin wieder deutsche Hauptstadt und Sitz des Parlamentes sein kann, für eine große Rede danken.
Wir nehmen heute Abschied von Bonn und ziehen in den Reichstag nach Berlin. Bonn und Berlin sind Symbole der jüngeren deutschen Geschichte. Bonn steht für den demokratischen Wiederaufbau und für die Rückkehr der Deutschen in die Wertegemeinschaft des Westens. Berlin, sowohl West-Berlin aus auch der Ostteil, stehen für den ungebrochenen Willen der Deutschen zur Einheit in Frieden und Freiheit.
Fünf Jahrzehnte Politik aus Bonn waren alles in allem 50 gute Jahre für unser Vaterland. Mit dem Namen Bonn verbindet sich der längste von Frieden und Freiheit geprägte Zeitabschnitt in der jüngeren deutschen Geschichte. Bismarcks Reich war lediglich ein Lebensalter von 43 Jahren beschieden. Die Weimarer Republik brachte es auf 14 Jahre. Das tausendjährige Reich ist nach 12 Jahren in Schutt und Asche gefallen. Die mit dem Namen Bonn verknüpfte Bundesrepublik Deutschland konnte dagegen ihren 50. Geburtstag in Frieden, Freiheit Wohlstand und in sozialer Sicherheit feiern.
Unsere Aufgabe ist, diese Werte auch nach dem Umzug vom Rhein an die Spree für die Zukunft sicherzustellen.
Es hat der Bundesrepublik Deutschland gutgetan, dass in ihren Anfängen politische Entscheidungen nicht in der unruhigen Atmosphäre einer Metropole gereift sind, sondern in dieser schönen Stadt am Rhein.
Bescheidenheit, Offenheit, Toleranz und rheinische Liberalität zeichnen Bonn bis zum heutigen Tag aus. Ich bin sicher, dies wird auch so sein, wenn der Bundestag und die Regierung weggezogen sind.
Für die langjährige Gastfreundschaft sind wir der Stadt Bonn sowie allen Bonnerinnen und Bonnern dauerhaft zu Dank verpflichtet. Deswegen sage ich im Gegensatz zu anderen: Ich weine der Stadt Bonn schon Tränen nach. Mir tut es leid, dass wir nach Berlin umziehen müssen. Aber wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass wir nach hinten schauen, hätte er uns hinten Augen wachsen lassen. Ich sehe genauso zuversichtlich nach vorne, nach Berlin.
Die Bayern und hier insbesondere die CSU haben sich in Bonn immer wohl gefühlt. Das mag sicher auch von historischen Bezugspunkten herrühren, die Bayern und das Rheinland miteinander verbinden. In Bonn haben die Bayern schon immer eine besondere Rolle gespielt. Als einst ein Kurfürst in Köln vom katholischen ins protestantische Lager gewechselt ist, nahmen ihm die Wittelsbacher dies übel und zum Anlass, die Godesburg zu stürmen und zurückzuerobern.
Aber ich möchte Sie an etwas anderes erinnern. Ich möchte Sie daran erinnern, dass man im Rheinland in Erinnerung an diese Herrschaft lange gesagt hat: "Bei Kurfürst Clemens August trug man blau und weiß und lebte wie im Paradeis".
Ich will mir jetzt ersparen, alle bayerischen Beziehungen zu Bonn aufzuzählen. Auch an der Spree waren die Bayern. Es war ja Kaiser Ludwig der Bayer, der über die Mark Brandenburg geherrscht hat. Das ging allerdings nicht allzu lange gut.
Das neue Herrschergeschlecht in der Mark Brandenburg waren dann die Hohenzollern aus Nürnberg. Inzwischen sind die Bayern so liberal, dass sie die Franken voll dazurechnen. Bayern hat dadurch den Vorteil, Brandenburg über uns Franken reklamieren zu können. Insofern ziehen wir wieder auf vertrautes Gelände.
Die CSU-Landesgruppe hat immer versucht, für die Politik in Deutschland eine gute Rolle zu spielen.
Wir haben unsere Möglichkeiten in Bayern für bürgerliche Mehrheiten voll ausgeschöpft. Wenn wir dies nicht getan hätten, wären manche Regierungen, die zum Segen unseres Landes gewirkt haben, nicht möglich gewesen.
Historisch richtig war auch - wir werden dies in Zukunft nach Möglichkeit fortsetzen -, mit der CDU eine Fraktionsgemeinschaft zu gründen, um die getrennt gewonnenen Kräfte gemeinsam in die deutsche Politik einzubringen.
Dass die CSU sehr zum Gelingen der deutschen Politik beigetragen hat, war von Anfang an Fakt; inzwischen ist es historisch. Franz Josef Strauß und die CSU haben bei den Rhöndorfer Gesprächen die Voraussetzung für die kleine Koalition und damit für die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft durch den fränkischen Bayern Ludwig Erhard geschaffen. Gleiches gilt für die Westbindung Deutschlands sowie den Beitritt zur nordatlantischen Allianz und zur Europäischen Gemeinschaft.
Franz Josef Strauß und Fritz Schäffer haben die Jahre des Wiederaufbaus an entscheidender Stelle politisch mitgestaltet. Später konnten politische Persönlichkeiten, wie Richard Jaeger, Hermann Höcherl, Richard Stücklen, Werner Dollinger, Fritz Zimmermann, Theo Waigel und Wolfgang Bötsch, um nur ein paar Namen zu nennen, dieses Werk fortsetzen. Alle haben sie in der politischen Entwicklung der jungen Bundesrepublik Deutschland die unverkennbare wie auch unverwechselbare Handschrift der bayerischen CSU hinterlassen.
Diese Handschrift ist ebenfalls im Stadtbild Bonns hinterlassen worden. Auch im Stadtbild Berlin ist sie schon zu sehen.
Ich möchte an dieser stelle unseren Freund Oscar Schneider erwähnen, der sein Engagement im Bereich der Kunst, letztendlich auch durch die Mitgestaltung der Kunsthalle in Bonn, sehr stark manifestiert hat.
Bundeskanzler Kohl hat ihn immer zu Rate gezogen. Angesichts dessen, dass wir nach Berlin ziehen und sich auf dem Reichstag eine Kuppel befindet, auf die der Architekt , der sie eigentlich verhindern wollte, ganz besonders stolz ist, muss man auch einmal den Namen Oscar Schneider und den Kampf der CSU-Landesgruppe innerhalb und außerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erwähnen, durch den der Bau dieser Kuppel letztendlich ermöglicht worden ist. Insofern haben wir nicht nur politische, sondern auch optische Spuren hinterlassen, und tun dies auch in Zukunft.
Bonn war nie ein Name für einen zentralistischen Machtanspruch. Bundeskanzler Kohl hat dies vorhin schon erwähnt. Bonn wurde zur Wiege des Föderalismus. Dieser Föderalismus hat ganz entscheidend zum Aufstieg unseres Landes und zum Aufstieg der Demokratie in Deutschland beigetragen. Deswegen müssen wir dieses System mit nach Europa nehmen und ein föderalistisches Europa schaffen.
Unser Respekt, unsere Sympathie und unsere Zuneigung für das, was hier in Bonn in Jahrzehnten geschaffen worden ist, was wir in Jahrzehnten erfahren haben, werden erhalten bleiben. Hierfür möchte ich den Bonnern im Namen aller Bayern ein herzliches "Vergelt's Gott" zurufen.
Ich möchte an dieser Stelle auch einmal ganz herzlich allen dienstbaren Geistern danken, all denen, die bei uns gearbeitet, die uns in unserer Arbeit unterstützt haben, und zwar - stellvertretend für viele andere - den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen und der Abgeordneten, den Pförtnern, den Fahrern und den Boten. Sie alle haben eine großartige Arbeit geleistet.
Zur Bonner Demokratie gehört das Bekenntnis zu Europa. An unserer Verpflichtung zur Fortsetzung des europäischen Einigungsprozesses darf sich auch nach dem Umzug, nach einer weiteren räumlichen Entfernung von Brüssel nichts ändern.
Ich möchte an dieser Stelle insbesondere die großartige Leistung von Theo Waigel erwähnen, der als einer der Väter des Euro dafür gesorgt hat, dass in Europa wenig zu verändernde Tatsachen geschaffen worden sind, die dieses Europa festigen und zusammenschweißen.
Der Föderalismus steht für eine Dezentralisierung politischer Entscheidungsprozesse, für eine breite Verteilung der Macht und für eine bürgerliche und vor allen Dingen bürgernahe Politik. Deshalb wäre es kontraproduktiv, würde man in Deutschland einen Schritt zurück in Richtung Zentralstaat machen. Wir werden auch in Berlin dafür kämpfen, dass dies in Zukunft nicht geschehen wird.
Bonn ist eine sehr liebenswerte Stadt, in der ich 23 Jahre lang ausgesprochen gerne meine Arbeit als Abgeordneter eines unterfränkischen Wahlkreises getan habe. - Wir Unterfranken sind sowieso ein Stück weit Brücke zwischen Bayern und dem übrigen Deutschland. - Der Rhein und der Petersberg, das Beethoven-Haus und - nicht zu vergessen - die Bayerische Vertretung mit ihrem legendären Bierkeller, der rheinische Frohsinn und die Liberalität der Menschen sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Aus dem Provisorium Bonn ist in diesen 50 Jahren ein Symbol demokratischer Tradition entstanden, das weltweit Anerkennung und Bewunderung hervorgerufen hat. Bonn steht für das, was unsere Nachbarn und Partner heute an Positivem mit der Bundesrepublik Deutschland verbinden: historische Verantwortung, moralische Rückbesinnung auf christliche Grundsätze, Fleiß und Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und Solidarität der Menschen, vor allen Dingen das unverbrüchliche Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie, freiheitlichem Rechtsstaat und Sozialer Marktwirtschaft sowie die Garantie für internationale Verlässlichkeit und Bündnistreue.
Auch wenn wir heute vor neuen Aufgaben und Herausforderungen stehen und wenn wir heute neue Antworten und Perspektiven aufzeigen müssen:
Es darf keine Berliner Republik geben - genauso wenig wie es eine Bonner Republik gegeben hat. Unser Land muss die Bundesrepublik Deutschland bleiben, wie wir sie gebaut haben und auch für die Zukunft bewahren wollen.
Mit bewundernswerter Gelassenheit haben die Menschen in dieser Region den sehr knappen Mehrheitsbeschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 respektiert. Es ist bereits gesagt worden: Bonn braucht Verlässlichkeit. Das sind wir dieser Stadt und diesen Menschen schuldig. Ein herzliches Wort des Dankes für 50 Jahre gute Gastfreundschaft!