02.02.2007
Börsenumsatzsteuer ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert
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Rede zu einer Börsenumsatzsteuer

In der heutigen Debatte zum Antrag der Linken auf Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer führte Georg Fahrenschon u.a. folgendes aus:

Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir vermissen den Weltkökonomen Oskar Lafontaine in dieser Debatte.

Auch Herr Ernst hat uns schon verlassen. Angesichts der durchschlagenden Argumentation, mit der der Antrag begründet wird, kann die deutsche Öffentlichkeit sehr froh sein, dass Oskar Lafontaine in den Jahren 1998 und 1999 nicht länger als knapp fünf Monate Finanzminister dieses Landes war.

Sie rechnen in Ihrem Antrag zur Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer mit sagenhaften 38 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen. In der Debatte haben Sie diesen Betrag auf immerhin 30 Milliarden Euro reduziert. Die Summe erklärt sich mit einer klassischen Milchmädchenrechnung: Bei einem Börsenumsatz von 3,8 Billionen Euro in Deutschland entspricht 1 Prozent 38 Milliarden Euro. Das ist rechnerisch richtig und klingt auf den ersten Blick auch logisch. Auf den zweiten Blick jedoch stellt sich der Antrag als völliger Unfug heraus, mit dem die Linksfraktion ihren alten Schlager „Wir sind die sozialste Partei, greifen den Großkapitalisten in die Tasche und verteilen das Geld an die armen Leute“ in leicht veränderter Melodie neu aufführen möchte.

Dabei übersehen Sie leider zwei maßgebliche Punkte. Erstens geht Ihre Rechnung nicht auf. 38 Milliarden Euro bzw. 30 Milliarden Euro Einnahmen sind eine völlige Utopie. Das von Ihnen gerne angeführte Beispiel Großbritannien – immerhin einer der größten Finanzmärkte der Welt – nimmt durch die Stamp Duty im Schnitt 4,6 Milliarden Euro ein.

Sie übersehen zweitens, dass inzwischen nicht mehr nur der klassische Großkapitalist mit Aktien handelt, sondern durchaus auch der sogenannte kleine Mann, der damit zum Beispiel seine private Altersversorgung betreibt.

Die Börsenumsatzsteuer ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Sie ist ursprünglich aus der fiskalischen Belastung von Urkunden des Börsenverkehrs hervorgegangen, für die früher behördlich gestempeltes Papier zu verwenden war. 1881 wurden erstmals Schlussnoten über gewisse Wertpapieranschaffungen mit einer fixen Stempelabgabe belegt. Die Börsenumsatzsteuer, die ihren Ursprung, wie gesagt, im vorvergangenen Jahrhundert hat, wurde nicht zuletzt nach klaren Einlassungen der damaligen unionsgeführten Bundesregierung 1991 durch das Finanzmarktförderungsgesetz abgeschafft.

Die Begründungen für diesen Schritt sind heute noch so aktuell wie damals.

Erstens. Kapitalverkehrsteuern behindern die Kapitalbeschaffung zur Stärkung des Eigenkapitals.

Zweitens. Kapitalverkehrsteuern behindern die Mobilität des Finanzkapitals.

Drittens. Kapitalverkehrsteuern laufen dem Gedanken einer EU-weiten Integration der Märkte völlig zuwider.

Viertens. Kapitalverkehrsteuern stellen einen Wettbewerbsnachteil für den Finanzplatz Deutschland dar.

Gemessen an ihrem fiskalischen Nutzen sind ihre Nachteile für Wettbewerb, Wachstum und Arbeitsplätze groß. Ich weiß, jetzt kommt das Argument, dass andere Staaten ebenfalls eine Börsenumsatzsteuer haben und wir mit anderen Staaten im Wettbewerb stehen. Das ist richtig, in elf Ländern der Europäischen Union gibt es eine sogenannte Transaction Tax. Ihre Höhe liegt zwischen 0,005 und 1 Prozent. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in einem Großteil der Länder, die die Transaction Tax erheben, ganz wesentliche Ausnahmeregelungen zugrunde liegen.

So wird in Finnland, Italien, Malta, Polen, Portugal und Slowenien – immerhin in sechs von den elf Staaten – keine Transaction Tax auf an der Börse gehandelte Wertpapiere erhoben, sondern lediglich auf außerbörsliche Geschäfte sowie auf Immobilien und Grundbesitz.

Das ist genau im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrem Antrag verlangen.

In dem immer wieder gern angeführten Großbritannien gilt die Stamp Duty Reverse Tax nur auf inländische Transaktionen. Zudem sind weitere Finanzprodukte wie Renten, Derivate, Exchange Traded Funds und ausländische Aktien ausgenommen.

Nebenbei bemerkt: Die Höhe der Einnahmen aus der Stamp Duty in Großbritannien erklärt sich unter anderem dadurch, dass in Großbritannien auch sehr starke Anlageprodukte wie beispielsweise die Immobilien-AG – Stichwort REITs – gehandelt werden dürfen. Das wollen Sie ja unter allen Umständen verhindern. Wir erwarten eine spannende Debatte.

Festzuhalten ist auch, dass in keinem EU-Mitgliedstaat in den letzten 20 Jahren eine Transaction Tax für Börsengeschäfte eingeführt wurde. Über Schweden wurde bereits gesprochen. Schauen Sie sich die Realität an. Schweden hat 1983 mit 165 Millionen Euro pro Jahr gerechnet, es sind aber durchschnittlich nur 9 Millionen Euro geworden. Schweden hat dieses Projekt schnellstmöglich wieder eingestellt.

Das Gegenteil ist richtig. Die meisten Staaten in der Europäischen Union haben die Börsenumsatzsteuer abgeschafft: Spanien 1988, die Niederlande 1990, Dänemark 1999 und Österreich 2000. In anderen nichteuro-päischen Finanzplätzen wie zum Beispiel den USA und Japan ist die Börsenumsatzsteuer ebenfalls abgeschafft worden, in den Vereinigten Staaten 1966 und in Japan 1999.

Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, sehen: Die Entwicklung hinsichtlich der Börsenumsatzsteuer in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeigt deutlich einen Trend hin zur Abschaffung. Selbst Länder, die die Steuer erheben, haben in den letzten Jahren Anpassungen vorgenommen.

Vor kurzem ist in Großbritannien wieder eine Diskussion darüber entbrannt, ob die Stamp Duty vor dem Hintergrund der aktuellen MiFID-Umsetzung, also der europaweiten Richtlinie zur Regulierung der Finanzmärkte, überhaupt noch gerechtfertigt ist. Denn derzeit ist noch vollkommen unklar, inwieweit die europaweite Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie nicht auch generell zu einer Abschaffung der Börsenumsatzsteuer in der EU führen wird; denn sie stellt für ausländische Anleger ein Marktzugangshindernis dar.

Genau solche Hindernisse wollen wir jetzt aber im Zuge der geplanten Finanzmarktintegration abbauen. Sie wollen sie mit einer Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer mittelfristig wieder einbauen.

Meine Damen und Herren, das passt dann auch zum politischen Ansatz Ihres Weltökonomen: heute so, morgen so und übermorgen wieder ganz anders.

Ich kann Sie nur bitten: Tun Sie uns allen einen Gefallen, bleiben Sie mit solchen Vorschlägen zu Hause, kümmern Sie sich um Haus und Hof, sparen Sie dem deutschen Steuerzahler Geld und uns Zeit und Nerven.