Bundestagsrede 04.12.2025
Verlässliche Partnerschaften stärken!
© CSU im Bundestag

In seiner Rede im Deutschen Bundestag unterstreicht Florian Hahn, wie wichtig eine verlässliche und geschlossene europäische Haltung in der aktuellen Sicherheitslage ist. Angesichts der Herausforderungen des Krieges gegen die Ukraine betont er die Bedeutung von Diplomatie, internationaler Zusammenarbeit und klarer Solidarität.

Deutschland stimmt sich dafür eng mit seinen Partnern ab – in der EU, der NATO und insbesondere mit den USA. Gespräche auf höchster Ebene, etwa zwischen dem Bundeskanzler und europäischen Regierungschefs, tragen dazu bei, gemeinsame Prioritäten zu setzen und die Ukraine weiterhin zu unterstützen.

Zentral ist dabei, dass ein möglicher Frieden nicht gegen die Ukraine, sondern mit Blick auf ihre Sicherheit und Europas Stabilität gestaltet werden muss. Die Bundesregierung arbeitet daher unter anderem an Lösungen zur Nutzung eingefrorener russischer Staatsvermögen, um finanzielle Lücken zu schließen und die Ukraine langfristig zu stärken.

Die Botschaft: Europa steht zusammen – für Frieden, Freiheit und eine verlässliche Sicherheitsordnung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Als Erstes darf ich den Bundesminister des Äußeren entschuldigen, der gerade an der OSZE-Ministerratssitzung in Wien teilnimmt. Er hätte sehr gerne an dieser Debatte teilgenommen und auch eine Rede gehalten. Ich darf das jetzt übernehmen.
Bevor ich das übernehme, kann ich nicht anders, als auf den Vorredner einzugehen. Herr Frohnmaier, ich muss ganz ehrlich sagen: Was Sie hier immer aufführen, ist schon interessant. Sie widersprechen sich im Grunde fast in jedem Satz.

Auf der einen Seite behaupten Sie, wir würden die aktuelle Friedensinitiative der US-Regierung und die Verhandlungen zwischen Amerika und Russland blockieren und verzögern. Andererseits sagen Sie aber, wir sind nur Statisten und haben überhaupt gar keinen Einfluss. Also, was denn jetzt? Entweder sind wir so mächtig und stark, dass wir Ihrer Meinung nach blockieren und verzögern können – was wir nicht tun, sondern wir tragen einen wichtigen Beitrag bei –, oder wir sind Statisten.
Was denn jetzt? Sie müssen sich entscheiden; das widerspricht sich irgendwie, Herr Kollege.

Dann sagen Sie, auch in Interviews: Von Russland geht keine Gefahr aus. Auf der anderen Seite beklagen Sie, dass die Bundeswehr nicht ausreichend ausgerüstet ist. Ich frage mich: Wenn von Russland keine Gefahr ausgeht, von welcher Seite sollte Deutschland denn dann bedroht sein, wofür brauchen wir denn dann wirklich eine Bundeswehr? Auch hier ein vollendeter Widerspruch.

Der letzte Punkt, an dem ich das gerne aufzeigen möchte, ist: Sie sind sich in Ihrer eigenen Partei, in Ihren eigenen Reihen nicht wirklich einig. Bei einer Sitzung des Kreistags in München hat sich Ihre Fraktion das nehmen Sie nicht ernst? ich weiß schon: Sie nehmen die Kommunalpolitik nicht ernst; das ist schon in Ordnung –beklagt und hat gesagt: Wir müssen endlich verteidigungsbereiter werden. Wir müssen auch die zivilen Strukturen endlich stärken, weil die wachsende Bedrohung aus Russland sichtbar werde. – Was denn jetzt? Auch hier ein klassischer Widerspruch, Herr Kollege. Also räumen Sie erst mal in Ihrem eigenen Laden auf, bevor Sie hier die Backen so aufblasen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurz nach Veröffentlichung des sogenannten 28-Punkte-Plans beschrieb der ukrainische Präsident Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft die aktuelle Lage in düsteren Worten: Die Ukraine erlebe einen der schwersten Momente in ihrer Geschichte und stehe vor einer sehr schwierigen Entscheidung, nämlich jener, entweder ihre Würde oder einen Schlüsselpartner zu verlieren. Diese Botschaft hat mich tief bewegt und viele von Ihnen sicherlich auch.
Die Bundesregierung hat die Bedeutung des sogenannten 28-Punkte-Plans erkannt.

Vizepräsident Bodo Ramelow:

Herr Staatsminister, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Florian Hahn, Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen:

Nein, ich möchte jetzt fortsetzen. Wir haben noch am selben Tag in Kyjiw hochranging mit der Ukraine gesprochen, und wir haben gemeinsam mit unseren europäischen Partnern gehandelt; denn es ist nicht eine schnöde Floskel, sondern eine Tatsache: Die Sicherheit der Ukraine ist untrennbar mit unserer eigenen Sicherheit verbunden. Und bei jeglichen Verhandlungen muss Europa angemessen beteiligt sein. Dementsprechend haben wir uns insbesondere mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich sehr eng zu den Vorschlägen der US-Seite abgestimmt.

Wir waren dann zwei Tage später am Ort der Gespräche zwischen der Ukraine und den USA, in Genf, und wir haben Wichtiges erreicht: Nicht nur ist es gelungen, die zuerst genannten Zeitlinien aufzuheben; die USA haben auch die Bedenken und Vorschläge der Ukrainer und der anderen Europäer in der Überarbeitung ihres ursprünglichen Vorschlags berücksichtigt. Die Ukraine konnte ihre völlig legitimen Vorstellungen eines dauerhaften und gerechten Friedens einbringen. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Ohne den europäischen Einsatz wäre die Ukraine mit den Vorschlägen konfrontiert gewesen, die weder für die Ukraine noch für uns wirklich denkbar sind. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass Fragen, welche die EU und die NATO betreffen, nicht ohne die direkte Einbeziehung der EU und aller NATO-Alliierten getroffen werden. Auch das ein Verdienst unserer europäischen Bemühungen.

Die jüngsten Gespräche zwischen den USA und der Ukraine sowie den USA und Russland haben keine echte Annäherung ergeben. Russland hält weiter an Maximalforderungen fest. Wie es konkret weitergeht, ist noch unklar. Klar sind aber unsere Erwartungen: Erstens braucht es einen bedingungslosen sofortigen Waffenstillstand. Zweitens muss die Kontaktlinie Ausgangspunkt von Gesprächen über Territorien sein; Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden. Und drittens braucht es starke und gut ausgerüstete ukrainische Streitkräfte im Zentrum von jeder Sicherheitsgarantie; denn jeglicher Frieden muss dauerhaft und gerecht sein, und die Ukraine, die sich im vierten Kriegsjahr gegen die russische Vollinvasion verteidigt, muss als souveräner und unabhängiger Staat erhalten bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in meinen regelmäßigen Gesprächen mit den Ukrainerinnen und Ukrainern wird für mich mehr als deutlich: Niemand wünscht sich so sehr einen gerechten Frieden wie die Ukraine. Die Bürgerinnen und Bürger verteidigen sich seit 1 380 Tagen gegen diesen brutalen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands. Sie sind dem Krieg tagtäglich ausgesetzt, nicht nur an der Front.

Massive russische Angriffe auf die Infrastruktur in den Bereichen Energie und Wasser und auch auf Wohnhäuser führen fast täglich zu Todesopfern und zu bewusst herbeigeführten Unterbrechungen der Wärme- und Wasserversorgung. Selbst in der gut verteidigten Hauptstadt Kyjiw können diese tagelang anhalten, und der Winter hat noch nicht einmal begonnen.

Besonders grausam ist die Verschleppung ukrainischer Kinder durch Russland, deren Rückkehr die Generalversammlung der Vereinten Nationen gestern erneut mit großer Mehrheit eingefordert hat.

Diese Beispiele veranschaulichen die menschenverachtende russische Kriegsführung, die unmissverständlich auf Angst und Schrecken, auf Ermüdung und Zermürbung setzt. Das wollen und dürfen wir so nicht akzeptieren. Da hätte ich mir gewünscht, dass Sie vielleicht auch dazu mal was sagen, Herr Kollege Frohnmaier.

Für die Ukraine ist also zentral: Es darf keinen Frieden um jeden Preis geben; denn sonst wäre Russland versucht, die Aggression mit neuer Kraft fortzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet für uns, erstens die Ukraine kontinuierlich weiter zu unterstützen und zweitens den Druck auf Russland fortwährend zu er-höhen, damit Putin endlich ernsthafte Verhandlungsbereitschaft zeigt. Und wir tun, drittens, all dies in enger Abstimmung mit unseren Partnern, insbesondere auch mit den USA.

Zur Unterstützung der Ukraine hat der Außenminister gestern beim NATO-Außenministertreffen deutsche Bei-träge für zwei Pakete im Wert von insgesamt 200 Millionen US-Dollar mit dringend benötigten Rüstungsgütern wie etwa Patriot-Lenkflugkörpern zur Luftverteidigung über den NATO-Finanzierungsmechanismus PURL angekündigt. Und wir haben vergangene Woche hier im Bundestag entschieden, für das Jahr 202611,5 Milliarden Euro an militärischer Unterstützung für die Ukraine vorzusehen.

Von den Erfahrungen, welche die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Aggression, gegen Drohnen wie gegen Desinformationen sammelt, können wir auch lernen. Gleichzeitig erhöhen wir unsere Unterstützung für den ukrainischen Energiesektor und für die humanitäre Winterhilfe deutlich. Wir fordern auch von allen unseren Partnern ein, mehr für die Ukraine zu leisten, sei es bei der NATO oder in der EU. Doch wir brauchen Mechanismen, um die Ukraine langfristig finanziell bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Aggressor zu unterstützen. Daher setzen wir auf die politische Einigung zur Nutzung der eingefrorenen staatlichen russischen Vermögenswerte. Um große Finanzierungslücken auszugleichen, arbeiten wir daran in Brüssel mit Hochdruck.

Mit den USA und unseren weiteren Partnern sind wir kontinuierlich im Austausch. Erst am Montag hat der Bundesaußenminister mit seinem Amtskollegen Rubio telefoniert; der Bundeskanzler hat sich mit den Staats- und Regierungschefs unter anderem von der Ukraine, Frankreich, Großbritannien und Polen ausgetauscht. Und auch mit dem US-Sondergesandten Witkoff sind wir in Kontakt. Wir setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass Europa mit einer Stimme spricht und unsere zentralen europäischen Sicherheitsinteressen auch Gehör finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele von Ihnen einen schnellen Friedensschluss für die Ukraine wünschen; das tun wir als Bundesregierung auch.

Doch dürfen wir nicht zulassen, dass die Ukraine zu einem Diktatfrieden gezwungen wird, der auch unseren Sicherheitsinteressen zuwiderläuft. Daher werden wir weiterhin fest an der Seite der Ukraine stehen, an der Seite der Regierung und der unglaublich mutigen Bevölkerung, die sich schon seit knapp vier Jahren so tapfer wehrt.

Herzlichen Dank.
 

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