07.10.2020
Tobias Zech: Alle Regelsätze werden ab 2021 steigen
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Redebeitrag zur Anpassung der Regelbedarfe nach dem SGB XII

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei grundsätzliche Anmerkungen machen, bevor ich über das Gesetz spreche. – Wir sprechen hier über die Grundsicherung im SGB XII. Das heißt, wir gehen heute – die Staatssekretärin hat, der Kürze der Zeit geschuldet, sehr schnell die Technik vorgestellt – an die Grenze; denn wir diskutieren alle fünf Jahre darüber, was wir als Parlament und Regierung als das Minimum ansehen, das wir in diesem Sozialstaat Deutschland zum Leben brauchen. Das Minimum! Dieses Minimum muss für alle gelten, die sich auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befinden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt für die Bezieher von Grundsicherung im Alter. Das gilt auch für die Arbeitsuchenden, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Das gilt aber natürlich auch für die Asylbewerber, die Migranten und die Nichtdeutschen, die auf deutschem Grund und Boden leben. Wir sprechen hier über das Minimum, den untersten Betrag, den wir als Staat jedem zugestehen.

Das ist eine Debatte, die mir auch immer wieder in Erinnerung ruft, welche Verantwortung wir Abgeordnete hier haben. Es gibt sicherlich Gesetze, die in keinster Weise diese Dynamik und diese Auswirkungen haben wie das, über das wir heute sprechen, das zudem so viele Personen betrifft, nämlich fast 6 Millionen im Regelkreis und durch die damit verbundene Neunivellierung der Steuerfreibeträge quasi alle Deutschen, die noch Einkommensteuer zahlen, somit ein Gesetz, von dem ganz viele Personen betroffen sind.

Wir führen keine reine sozialpolitische Debatte, wir führen hier auch definitiv keine finanzpolitische Debatte, sondern wir führen hier vor allem eine ordnungspolitische und werteorientierte Debatte, wenn wir über das Existenzminimum und die Grundsicherung sprechen. Das zu sagen, ist mir wichtig.

Wichtig ist mir auch – ich weiß, dass wir, wenn wir jetzt in die Beratungen gehen, über Systemwechsel, über Höhen, über die Kugel Eis und den Christbaumschmuck diskutieren werden –: Wir leben in einem der besten und sichersten Sozialstaaten der Welt. Wir haben unseren Sozialstaat sicher durch die Krise geführt. Wir können auch in Krisenzeiten immer noch pünktlich Grundsicherung überweisen. Wir haben ein soziales Netz, das international einen Benchmark darstellt und international zu den sichersten und besten der Welt gehört. Das gilt es hier auch mal zu betonen, wenn wir über Grundsicherung, SGB II und SGB XII, sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will auf ein paar Kriterien eingehen, die für mich wichtig sind, auch in der Beratung. Wichtig ist: Wir brauchen eine vernünftige Methodik, und wir brauchen eine saubere Transparenz in der Methodik. Das leistet die EVS. Wir können mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe in 60 000 Haushalten, die da mitmachen, feststellen, wie sich die Einkommen, aber auch wie sich die Ausgaben zusammensetzen. Einen Teil dessen nehmen wir transparent als Basis für die dann normative Berechnung und Bewertung der Regelsätze.

Und: Wir brauchen Rechtssicherheit. Das heißt: Wir haben aktuell ein Verfahren, das bei der Herleitung der Methodik transparent ist und das schon mehrfach angewandt, mehrfach höchstrichterlich begutachtet, beklagt und vom Bundesverfassungsgericht als „in Ordnung“ eingestuft worden ist. Ich kann nur davor warnen, vorschnell einen Systemwechsel zu fordern, der sich auch nicht umsetzen lässt.

Ein weiteres Thema ist die Frage der Existenzsicherung. Das heißt: Wie bewerten wir ebendieses Minimum und diese Verantwortung? Alle Regelsätze werden ab 2021 steigen, vor allem bei Jugendlichen zwischen 14 bis unter 18 Jahren; für sie gibt es mit 45 Euro die größte Steigerung. Mit der Fortschreibung zum 1. Januar entsteht ein Mehrbedarf von 1,3 Milliarden Euro. Das ist ein großer Betrag, der hier für die Fortschreibung aufgewendet wird. Er ist richtig angelegt, und er ist klug angelegt.

Ein letzter Punkt – Existenzsicherung, Rechtssicherheit und Transparenz habe ich angeführt – ist Gerechtigkeit. Gerechtigkeit für die, die im Regelkreis sind. Dann ist Gerechtigkeit nicht, die Grundsicherungsleistung so auszustatten, dass ich möglichst lange in der Grundsicherung bleibe, sondern dass wir alles daransetzen, dass wir die 4 Millionen Arbeitsuchenden aus der Grundsicherung herausbekommen und in den ersten Arbeitsmarkt bekommen,

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

dass wir nicht darüber diskutieren, dass sie so lange wie möglich darin bleiben. Gerechtigkeit auch für die, die kurz über der Schwelle sind. Diese Transferleistungen müssen auch verdient werden. Es gibt Menschen im Land, die das mit Steuern finanzieren. Die finanzieren übrigens auch uns. Auch denen schulden wir übrigens Gerechtigkeit.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Tobias Zech (CDU/CSU):

Es muss klar sein: Jeder, der in diesem Land arbeitet, muss mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet. Das muss klar sein. Wir brauchen ein Existenzminimum, das dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts und des Grundgesetzes gerecht wird. Ich freue mich auf die Debatte.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)