18.06.2020
Dr. Anja Weisgerber: Unsere Unternehmen brauchen dringend Klarheit, was sie beim Emissionshandel erwartet
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Redebeitrag zum Brennstoffemissionshandel und Batteriegesetz

Lassen wir zu dem Antrag der AfD doch erst einmal die Fakten sprechen. Die Coronakrise wurde durch eine weltweite Pandemie ausgelöst. In den Ländern der Welt, in denen die Politik nicht so konsequent gehandelt hat, sind unzählige Menschen gestorben. Die meisten Coronatoten haben die USA zu verzeichnen, und gleichzeitig verloren da über 40 Millionen Menschen ihren Job. Großbritannien hat im Ländervergleich, bezogen auf eine Million Menschen, die meisten Coronatoten. Das sind die Länder, wo das gemacht wurde, was die AfD fordert: nicht von Anfang an Kontaktbeschränkungen.

Am Anfang hieß es dort: Die Wirtschaft muss weiterlaufen. Das ist schon alles nicht so schlimm. – Dort haben Zehntausende von Menschen ihr Leben verloren und Millionen von Menschen ihren Job! Der Staat hat den Menschen auch nicht so geholfen wie in Deutschland. Deutschland steht in dieser Krise so gut da wie kein anderes Land auf dieser Welt. Wenn wir das gemacht hätten, was die AfD uns hier vorschlägt, dann wäre es bei uns jetzt so schlimm wie in den USA und Großbritannien. Das ist doch die Wahrheit!

Das zweite Thema des Antrags ist: Der Mensch hat keinen Einfluss auf den Klimawandel. Wissenschaftler aus aller Welt legen uns praktisch täglich Belege dafür vor, dass das Weltklima aus der Balance geraten ist und dass dies auf die Aktivitäten des Menschen zurückzuführen ist. Die AfD ändert dazu ständig ihre Meinung: Zuerst hieß es, dass der Klimawandel zwar da ist, dass der Mensch aber keinerlei Einfluss darauf hat. Dann sprachen Sie auf einmal davon, dass der Mensch keinen „nennenswerten“ Beitrag dazu leistet. Sie fühlen sich nicht wohl mit Ihrer Position. Was denn nun: Leistet er einen Beitrag, oder leistet er keinen Beitrag? Sie vertreten diese Positionen, obwohl fast die gesamte Wissenschaft sagt, dass der Mensch entscheidenden Einfluss auf den Klimawandel hat und tragen uns diese Positionen gebetsmühlenartig immer wieder vor – im Ausschuss und im Plenum.

Sie machen Ihre Politik damit in dem vollen Bewusstsein dessen, dass wir – wenn wir nicht handeln – den kommenden Generationen unüberschaubare Risiken und Folgekosten vererben. Das ist für mich völlig unbegreiflich – vor allem, wenn ich in die Augen meiner 9-jährigen Tochter und meines 7-jährigen Sohnes schaue, wenn sie mich beim Frühstück löchern, was wir tun können, um den Klimawandel einzudämmen.

Zurück zum eigentlichen Thema; denn wir haben Wichtiges zu debattieren und zu entscheiden. Das BEHG ist das Kernstück des Klimapakets, das wir im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht haben. Damit führen wir als eines der ersten Länder in der EU und der Welt ein separates Emissionshandelssystem für die Bereiche Wärme und Verkehr ein und geben dem Klimagas CO2 auch in diesen beiden Sektoren einen Preis. Das ist der richtige Weg; denn durch die CO2-Bepreisung setzen wir einen Anreiz, auf klimafreundliche Technologien umzusteigen.

Dass dieses Instrument sehr gut funktioniert, sehen wir am europäischen Emissionshandel für Industrie und Energie. Denn in den letzten Jahren ist in diesen Sektoren der CO2-Ausstoß kontinuierlich gesunken. Durch den Emissionshandel werden erneuerbare Energien wettbewerbsfähiger gegenüber fossilen Energien, und es gehen immer mehr fossile Energien aus dem Netz. Wir setzen damit ganz bewusst auf ein marktwirtschaftliches Instrument und nicht auf Ordnungsrecht, wie es andere Parteien auf europäischer Ebene gerne fordern.

Dieses marktwirtschaftliche Instrument hat auch den Vorteil, dass in der Krise der Preis sinkt und damit automatisch die Belastung nachlässt. Vor der Coronakrise, im Februar dieses Jahres, lag der CO2-Preis im EUETS noch bei rund 25 Euro. Zwischenzeitlich lag der Preis bei nur knapp 16 Euro, und nun, da wir langsam aus der Krise kommen, ist er wieder auf etwas über 20 Euro angestiegen, aber eben noch nicht auf den Preis vor der Krise. Der Emissionshandel, die Bepreisung von CO2, ist ein marktwirtschaftliches Instrument und funktioniert zuverlässig. Das sehen wir in der aktuellen Krise.

Neben der CO2-Bepreisung enthält das Klimapaket ein Bündel von über 60 Maßnahmen, die ganz erheblich dazu beitragen werden, unsere Klimaziele zu erreichen. Das dritte Element des Klimapakets ist der Kontrollmechanismus, den wir mit dem Klimaschutzgesetz eingeführt haben und durch den wir in jedem einzelnen Sektor immer wieder prüfen, ob wir auf Kurs sind. Drohen wir unsere Ziele zu verfehlen, muss nachgesteuert werden.

Neben diesen drei wichtigen Elementen gibt es jetzt aktuell noch weitere Bausteine: Mit dem Konjunkturpaket investieren wir rund 40 Milliarden Euro in Zukunftsinvestitionen und Klimaschutz. Auch für die Nationale Wasserstoffstrategie sind in dem Paket 9 Milliarden Euro enthalten. Die Strategie ist ein wichtiger Schritt; denn Grüner Wasserstoff ist der Schlüsselrohstoff zur Erreichung unserer Klimaziele.

Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien kommt weiter voran: Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energien am Stromverbrauch zu erreichen. Mit dem Wegfall des 52-Gigawatt- Fotovoltaikdeckels, den wir heute Abend beschlossen haben, schaffen wir eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, dass wir dieses Ziel erreichen. Als Klimabeauftragte meiner Fraktion habe ich mich in den vergangenen Wochen und Monaten ebenfalls sehr dafür starkgemacht, dass der Fotovoltaikdeckel endlich wegfällt. Die Häuslebauer bekommen weiterhin eine Förderung, wenn sie auf ihr Hausdach eine Fotovoltaikanlage bauen. Ich bin sehr froh darüber; denn das ist eine klare Entscheidung für mehr Klimaschutz.

Zurück zum Emissionshandel. Da war es uns wichtig, dass es den Menschen und vor allem auch der Wirtschaft trotzdem möglich sein soll, sich zunächst auf die steigenden Preise für fossile Kraft und Brennstoffe einzustellen. Daher haben wir bewusst einen niedrigen Einstiegspreis beim Emissionshandel gewählt. Ursprünglich waren dies 10 Euro pro Tonne CO2, nach den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss werden es nun 25 Euro sein. Aus meiner Sicht ist dieser Kompromiss mehr als tragbar. Die Wissenschaft oder auch Fridays for Future haben noch weit höhere Preise gefordert.

Der Emissionshandel wirkt. Das sehen wir auf der europäischen Ebene. Deshalb setze ich mich vehement dafür ein, dass wir auf europäischer Ebene ebenfalls einen Emissionshandel für Wärme und Verkehr bekommen. Nur so können wir die Klimaziele der EU erreichen, auch das ambitionierte Ziel für 2030 mit einer CO2-Reduktion von 50 oder sogar 55 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD, vielleicht erklären Sie mir bei Gelegenheit mal, warum Ihre Kollegen in Brüssel so strikt gegen die Ausweitung des Emissionshandels sind – aber das nur am Rande.

Ich bin froh, dass weite Teile der Wirtschaft nach wie vor für Klimaschutz einstehen, ja sogar noch größere Anstrengungen unternehmen wollen, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Diese Unterstützung dürfen wir nicht verspielen. Unsere Unternehmen, vor allem auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen, brauchen dringend Klarheit, was sie beim Emissionshandel erwartet, worauf sie sich einstellen müssen. Unsere Unternehmen brauchen diese Sicherheit heute mehr denn je.

Für uns ist es essenziell, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht gefährden. Daher hat sich die Bundesregierung und haben wir uns als Deutscher Bundestag verpflichtet, Verordnungen auf den Weg zu bringen, die unsere Unternehmen vor Doppelbelastungen durch den nationalen und den europäischen Emissionshandel schützen, im Falle einer Doppelbelastung Kompensationen bieten und die Bedingungen schaffen, damit Unternehmen nicht ins europäische Ausland abwandern, fachlich ausgedrückt, die Carbon Leakage verhindern.

Auch diese Verordnungen müssen nun endlich vorgelegt werden. Deshalb möchte ich einen eindringlichen Appell an das BMU richten: Zögern Sie diese so wichtigen Verordnungen nicht länger hinaus! Unser Ziel muss es sein, die Novelle des BEHG und die Verordnungen hier im Bundestag gemeinsam zu verabschieden. Das sind wir der Wirtschaft und dem Klima schuldig. Im Übrigen lehnen wir den vorliegenden Antrag der AfD Fraktion ab.