Interview Passauer Neue Presse 15.09.2018
Dobrindt: „Ich empfehle der SPD, von ihrem Baum wieder runterzukommen“
Alexander Dobrindt
© CSU im Bundestag/Florian Gaertner

Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag, stellt sich im aktuellen PNP-Interview hinter Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Drohungen der Sozialdemokraten wegen der Causa Maaßen die Koalition platzen zu lassen, kann Dobrindt nicht nachvollziehen. 

Herr Dobrindt, warum ist Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen noch der richtige Mann an der Spitze des Amtes?

Herr Maaßen hat langjährige Erfahrung. Ich sehe kein Problem darin, dass er sich öffentlich zu Ereignissen äußert, die die Sicherheit und Verfassung unseres Landes betreffen und seine Erkenntnisse und Einschätzungen darüber liefert. Dazu gehören auch Zweifel, zu dem Video von Antifa Zeckenbiss, ob dort in dem Kontext Bilder und Text übereinstimmten. Herr Maaßen hat inzwischen bedauert, dass es missverständliche Interpretationen gab. Ich sehe keinen Grund für die von Teilen der SPD geforderte Entlassung von Präsident Maaßen. 

Die SPD pocht auf seine Entlassung, und es werden Stimmen laut, die Große Koalition aufzukündigen, sollte das nicht passieren…

So eine Drohung wäre vollkommen abwegig. Hier geht es um die Personalie einer Bundesbehörde. Von dieser Frage die Zukunft der Koalition abhängig machen zu wollen, kann man der Öffentlichkeit nicht glaubhaft erklären. Ich empfehle der SPD, von ihrem Baum wieder runterzukommen und nicht weiter denen Zucker zu geben, die den Kampf gegen den Verfassungsschutz schon seit Jahren führen.

Nach den Ausschreitungen von Chemnitz werden Warnungen vor einer gesellschaftlichen Spaltung laut. Wie kann man gegenwirken, welche Konsequenzen müssen gezogen werden?

Wir erleben in Deutschland eine Spaltung der Gesellschaft und eine Destabilisierung des Parteiensystems. Und das nicht erst seit den Ereignissen in Chemnitz. Hass und Hetze, die wir bereits aus sozialen Medien kennen, werden jetzt auch auf die Straße getragen. Der Rechtsstaat duldet keine Gewalt, Naziparolen und Hitlergruß auf unseren Straßen – unter keinen Umständen. Die Empörung über die Bluttat von Chemnitz ist für mich nachvollziehbar. Das rechtfertigt aber keine Hetze und Gewalt. Ich bin allerdings auch irritiert, dass in der Diskussion manchmal der Eindruck entsteht, dass die Empörung über die Empörten größer ist als die Empörung über die schreckliche Bluttat.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hält die AfD für staatszersetzend und wirft ihr Radikalisierung vor. Die Rechtspopulisten hätten jetzt ihre Maske fallen lassen. Wäre es da nicht höchste Zeit für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz? 

Wir erleben überall in Europa das gleiche: Rechtspopulisten versuchen die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln zu schwächen. Das gilt auch für die AfD. Dagegen müssen sich alle demokratischen Parteien zur Wehr setzen. Der Rechtsaußen-Flügel der AfD mit Höcke gewinnt zunehmend an Einfluss innerhalb der AfD. Die Hemmungen der AfD gegenüber Rechtsextremisten sind offenbar gefallen. Die AfD ist klar unser politischer Gegner. Wir müssen die Auseinandersetzung mit den AfD-Funktionären suchen und auch Wähler zurückgewinnen.

Union und SPD verlieren laut Meinungsumfragen weiter an Zustimmung. CSU-Chef Horst Seehofer sagt, die Große Koalition arbeitet störungsfrei. Der Mann hat Humor, oder?

Die Große Koalition hat in den vergangenen Wochen wichtige Entscheidungen getroffen. Mit der Senkung der Arbeitslosenbeiträge und der Einführung der Parität bei der Krankenversicherung etwa werden die Bürgerinnen und Bürger entlastet. Das Rentenniveau wird bis 2025 stabilisiert, die Mütterrente mit einem weiteren Schritt gestärkt, ein Wohn- und Baupaket geschnürt und wir treten für weitere Entlastungen ein. Bei Rekordsteuereinnahmen muss endlich die Netto-Frage wieder ganz oben auf die Agenda. Wir brauchen mehr Netto vom Brutto und fordern einen klaren Fahrplan für die Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlages. Der Soli gehört nicht auf den Steuerzettel der Bürger sondern ins Geschichtsbuch!

Die FDP will in der nächsten Sitzungswoche den Bundestag über die Komplettabschaffung des Soli entscheiden lassen. Warum stimmen Sie nicht einfach dafür?

Der Soli hat ein Gesamtvolumen von 20 Milliarden Euro pro Jahr. Eine sofortige Abschaffung wäre nicht seriös. Die finanziellen Spielräume, die sich ergeben, müssen für Entlastungen eingesetzt werden, allerdings ohne, dass es neue Schulden gibt. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass wir den Soli schrittweise abschaffen und ab dem Jahr 2021 mit einem ersten Schritt beginnen. Wir fordern, dass das Gesetz, mit dem der erste Schritt der Entlastung umgesetzt wird, auch ein verbindliches Enddatum und einen klaren Fahrplan für die endgültige Abschaffung enthält. 

Die Union rutscht in den Umfragen auf 30 Prozent. Die SPD liegt unter 20 Prozent. Erleben wir jetzt auch in Deutschland das Ende der Volksparteien?

In unseren Nachbarländern sind ehemalige Volksparteien heute kaum mehr existent. Das ist besorgniserregend. Gleichzeitig werden die Ränder links und rechts stärker und es gibt neue politische Bewegungen jenseits des bestehenden Parteiensystems. Wir sind auch in Deutschland nicht mehr immun gegen eine solche Entwicklung. Deshalb müssen wir engagiert dafür eintreten, dass die Idee der Volkspartei als Heimat für ein großes Wählerspektrum erhalten bleibt. Volksparteien mit ihrer politischen Breite und dem gezielten Ausgleich der Interessen sind Garant für eine stabile Demokratie.

Bayern geht es gut. Dennoch liegt die allein regierende CSU laut Umfragen nur noch bei 35 Prozent. Wie ist das zu erklären? Ist die Zeit der absoluten Mehrheiten endgültig vorbei?

Das Zauberwort heißt doch Mobilisierung. Umfragen sind keine Wahlergebnisse. Es gibt sehr viele Unentschiedene. Die gilt es ebenso noch bis zur Landtagswahl zu mobilisieren wie die Nichtwähler. Wer will, dass Wohlstand und Chancen auch weiterhin in Bayern dominieren, muss auf Stabilität setzen. Das heißt auch, diejenigen, die in der Vergangenheit sich nicht an Wahlen beteiligt haben weil sie mit der politischen Situation zufrieden waren, gilt es jetzt zu mobilisieren.

Themawechsel: Die deutsche Wirtschaft fordert einen Spurwechsel bei der Fachkräftezuwanderung. Bereits integrierte Flüchtlinge mit Job und Ausbildung müssten bleiben. Warum lehnt die CSU dies ab?

Der Spurwechsel bei der Zuwanderung oder auch eine Stichtagsregelung würden geltendes Recht aushebeln. Es muss klar unterschieden werden zwischen Asyl und Arbeitsmigration. Es muss einen Unterschied machen, ob man Asyl berechtigt ist oder ob man abgelehnt und ausreisepflichtig ist und damit kein Bleiberecht in Deutschland hat. Wenn jeder bleiben kann unabhängig vom Ergebnis seines Asylverfahrens wird das Anreize für Flüchtlinge in der ganzen Welt schaffen und einen Pull-Effekt auslösen. Das wird zu einem Zuzug in unsere Sozialsysteme führen, das lehnen wir ab. 

SPD-Chefin Andrea Nahles lehnt eine deutsche Beteiligung an einem möglichen Einsatz in Syrien ab. Sind derartige Pläne damit vom Tisch?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt eine hypothetische Diskussion. Die Androhung im Falle eines Einsatzes von Giftgas durch Assad ist eine Abschreckung von Amerika, Frankreich und England gegenüber Assad. Er soll wissen, wenn er wieder so handelt wie im April dieses Jahres und in Idlib Giftgas einsetzt, wird er erneut mit einer militärischen Reaktion rechnen müssen. Man sollte Abschreckung nicht dadurch schwächen, dass man von vornherein  jede Beteiligung ausschließt. Gleichwohl stellt sich diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Wir setzen darauf, dass die Gespräche in Genf einen Weg aus der Katastrophe weisen.

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