Interview 15.08.2017
Hasselfeldt: „Ich blicke zurück in großer Dankbarkeit“
Gerda Hasselfeldt
© Henning Schacht

Im Interview mit dem Straubinger Tagblatt spricht die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, über ihren Abschied aus dem Bundestag und die Höhepunkte ihrer politischen Laufbahn. 

Frau Hasselfeldt, Sie blicken auf eine lange politische Karriere zurück. Sie waren Bundesbau- und Bundesgesundheitsministerin, Bundestagsvizepräsidentin, Landesgruppenchefin und hatten mehrere lokale Mandate inne. Welches Amt hat Ihnen am meisten Spaß bereitet?

Zweifellos das Amt der Landesgruppenvorsitzenden. Es ist das einflussreichste, es ist äußerst vielgestaltig, man ist mit allen politischen Themen befasst. Gerade die Funktion als Schaltstelle zwischen CDU und CSU war in dieser Legislaturperiode besonders spannend.

Jetzt, nach gut 30 Jahren im Bundestag, treten Sie nicht mehr an. Vielen Ihrer Kollegen ist das Loslassen schwergefallen. Denken Sie, das leichter zu schaffen?

Ich habe diese Entscheidung völlig frei schon vor mehr als einem Jahr getroffen – unabhängig von der aktuellen politischen Situation. Ich habe sie rein persönlich getroffen und sie keine Sekunde bereut.

Warum wollen Sie die Politik jetzt aufgeben?

Ich blicke zurück in großer Dankbarkeit und schaue nach vorne mit großer persönlicher Neugier. Aber ich habe keine Sekunde Wehmut verspürt, sondern die Angelegenheit ist sehr rational. Mit 67 meine ich in einem Alter zu sein, die Verantwortung an Jüngere abgeben zu können. Das habe ich im Wahlkreis auch gut vorbereitet. Das Auswahlverfahren war sehr fair und ich freue mich, dass nun eine junge Frau meine Nachfolgerin sein wird. Ich übergebe ein gut bestelltes Haus – im Wahlkreis wie in der Landesgruppe. Ich habe mir schon früh vorgenommen, Abschied zu nehmen, wenn erkennbar die Mehrheit der Menschen dies noch schade findet und meiner noch nicht überdrüssig geworden ist.

Im Zuge der Flüchtlingskrise wurden Sie von der eigenen Partei hart angegangen. Ihnen wurde vorgeworfen, die in der CSU unbeliebte Politik der Kanzlerin übernommen zu haben. Hat auch diese Erfahrung mit der eigenen Partei einen Ausschlag bei der Entscheidung zum Karriereende gegeben?

Nein, meine Entscheidung ist davon völlig unabhängig gefallen und war schon zu Beginn der Legislaturperiode in meinen Plänen. Wir hatten eine schwierige Zeit, nicht nur in der CSU, sondern auch zwischen CDU und CSU. Heute sagen viele, die mir damals kritisch gegenüberstanden, dass mein Weg der richtige war. Es ist ja mittlerweile zwischen den Schwesterparteien auch wieder alles auf einem guten Weg. Sicher war auch wichtig, dass ich immer wieder auf die besondere Situation in Bayern hingewiesen habe, weil nun einmal alle Flüchtlinge über Bayern nach Deutschland kamen. Wir haben in der Koalition auch Entscheidungen getroffen, die ohne Druck der CSU nicht zustande gekommen wären. Das wiederum hat zur spürbaren Entspannung in der Flüchtlingsproblematik geführt.

Wie haben Sie es damals empfunden, von der CSU-Landtagsfraktion nach Ihrem politischen Bericht bei der Klausurtagung so angegangen worden zu sein?

Das war in der Tat eine schwierige Situation, als sich der Unmut gegenüber der Bundeskanzlerin vor allem an meiner Person festmachte. Das war schon harter Tobak, das gebe ich zu. Aber Politik ist keine Harmonieveranstaltung. Das Thema hat nicht nur die Partei, sondern auch die Menschen sehr bewegt. Unsere Abgeordneten sind nahe an den Menschen dran. So ist es auch normal, dass diese Sorgen deutlich zum Ausdruck kamen. Heute ist das alles vergessen. Und auch heftige Kritiker von damals wollen davon heute nichts mehr wissen.

Als Landesgruppenchefin fungierten Sie sozusagen als Puffer zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. Wie haben Sie diesen Spagat empfunden? Gerade in der Flüchtlingspolitik taten sich ja lange tiefe Gräben auf.

Es ist ja nicht das erste Mal in der Geschichte, dass es zwischen CDU und CSU Spannungen gibt. Auch zwischen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß hat es hin und wieder gekracht. Das vergisst man nur. In Bayern hat sich der Flüchtlingszuzug heftiger ausgewirkt als anderswo. Aber der Gesprächsfaden zwischen den Parteivorsitzenden Angela Merkel und Horst Seehofer war nie abgerissen. Das hat auch manches innerhalb der Fraktion möglich gemacht, wie eine Reihe von Gesetzesänderungen, die dazu beigetragen haben – neben Türkeiabkommen und Schließung der Balkanroute –, dass die Zahlen zurückgegangen sind.

Es ist noch gar nicht so lange her, da sprach CSU-Chef Seehofer mit Blick auf die Flüchtlingspolitik in Berlin von einer „Herrschaft des Unrechts“. Heute findet sich das Bild Merkels auf den CSU-Wahlplakaten. Ist nun wieder alles gut oder hat die Auseinandersetzung das Miteinander der Schwesterparteien nachhaltig gestört?

Auch wenn manche Äußerung etwas hart wirkte, in der Sache haben wir immer gemeinsam gearbeitet und sind zu gemeinsamen Entscheidungen gekommen. Am Ende zählt doch das Ergebnis. Seit Anfang des Jahres sind wir wieder auf einem völlig gemeinsamen Kurs. Allen ist klar, wie wichtig der Zusammenhalt der bürgerlichen Kräfte ist angesichts der vielen Themen, wie den Fragen der inneren und äußeren Sicherheit sowie der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung. Und dieser Zusammenhalt ist nicht oberflächlich, sondern wird ehrlich gelebt.

Wie erklären Sie sich, dass die Bundeskanzlerin erst mal Urlaub macht, sich ansonsten sehr zurückhält und in der Wählergunst unangefochten an der Spitze steht – die SPD und deren Spitzenkandidat Martin Schulz sich abarbeiten und dennoch keinen Fuß auf den Boden bekommen?

Die Leute haben ein gutes Gespür dafür, ob sie gut regiert werden. Die Kanzlerin hat in zwölf Jahren bewiesen, dass gut regiert wurde. Wir sind trotz schwieriger Jahre der internationalen Finanzkrise und der Euro-Krise ein Hort der Stabilität und des Wohlstandes. Wir haben in der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik mit der Handschrift der Union die richtigen Antworten gegeben. Das sehen die Leute und bringen der Kanzlerin dieses Vertrauen entgegen. Aber das ist kein Grund, sich auszuruhen. Ausschlaggebend ist das Wahlergebnis und nicht die Umfragewerte.

Die CSU hat als größte Projekte derzeit die Mütterrente und die Einführung der Pkw-Maut. Außerdem will sie bei der Erbschaftsteuer die Anwendungsregeln eher weich auslegen. Wird das reichen, um das Land nachhaltig zukunftsfit zu machen?

Das ist ja nicht alles. Wir haben ein gemeinsames Programm, unter anderem mit deutlichen Steuerentlastungen. Wir wollen Familien weiter fördern, mit einem höheren Kindergeld, dem Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter, oder die Förderung junger Familien beim Wohnen, wie dem Baukindergeld. Im Bayernplan steht zudem die Mütterrente. Wir haben solide gewirtschaftet. Daher können wir diese echten Entlastungen jetzt leisten. Die SPD dagegen will mal wieder umverteilen und nur einen Teil entlasten, andere aber belasten. Als CSU haben wir zudem die besondere Förderung des ländlichen Raums herausgestellt. In Bayern stehen wir damit auch besser da als andere Länder.

Um 15 Milliarden Euro will die Union die Wähler steuerlich entlasten und zusätzlich den Solidaritätszuschlag abbauen. Warum kommt man mit solchen Vorschlägen immer im Wahlkampf? Da hätte man doch schon längst was umsetzen können, wenn es einem ernst ist.

In dieser Legislaturperiode haben wir versprochen, wir machen keine Steuererhöhung und nehmen keine neuen Schulden auf. Das ist eingehalten worden. Das hat die gute wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht. Dadurch haben wir jetzt die finanziellen Polster, um den Bürgern etwas zurückzugeben. Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun. Außerdem haben wir die Kommunen so sehr entlastet wie noch nie. So ein Reformwerk muss ja auch gut vorbereitet sein. Jetzt ist dafür der richtige Zeitpunkt.

Zum Thema Rente hält sich die Union ziemlich zurück. Wäre es nicht an der Zeit, hier ein klares Signal zu setzen, was Rentenniveau, Renteneintrittsalter und Rentenbeitrag angeht?

 Es ist unbestritten, dass wir bis 2030 keinen Änderungsbedarf haben, was Rentenniveau und Beitragsstabilität betrifft. Danach wollen wir – wie schon früher – eine fachliche und politische Aufarbeitung, mit einer unabhängigen Rentenkommission. Die CSU will jedoch zudem die Verbesserung bei der Mütterrente. Bei Müttern, die vor 1992 Kinder geboren haben, werden nur zwei statt drei Jahre von der Erziehungszeit anerkannt. Diese Ungerechtigkeit wollen wir beseitigen.

Viele Menschen fürchten sich vor Armut im Alter. Reichen da diese Antworten aus?

Das Wichtigste für die Absicherung im Alter ist eine gute Beschäftigung. Das gilt für den einzelnen Rentner wie für das System insgesamt. Das haben wir auch zuletzt gesehen: Die Renten sind gestiegen, die Beitragssätze stabil geblieben. Was die Sozialdemokraten vorhaben, geht zulasten der jüngeren Generation, bedeutet höhere Beiträge und einen höheren Steuerzuschuss. Beides würde die Beschäftigungslage verschlechtern.

Vor Kurzem ist Helmut Kohl gestorben. Sie waren Mitglied seines Kabinetts. Wie hat sich der Politikstil seit damals verändert?

Die politische Arbeit ist hektischer geworden. Das hängt auch mit der veränderten Medienlandschaft zusammen. Durch die Änderung bei den neuen Medien hat sich alles weiter beschleunigt. Vieles wird in erster Linie mit Schlagworten transportiert. Die Zeit nachzudenken wird immer kürzer. Auch in der Weltpolitik hat sich manches Kräfteverhältnis verschoben. Das führt dazu, dass wir gerade in Deutschland eine Stabilität – wirtschaftlich wie politisch – brauchen, die auch von unseren internationalen Freunden von uns erwartet wird. Allerdings gab es auch früher, zum Beispiel zu Zeiten der Wiedervereinigung, schwierige Entscheidungen. Geholfen hat da die zupackende Art von Helmut Kohl, aber auch der Umstand, dass er schon zuvor bei den Alliierten Vertrauen aufgebaut hat, das sich dann ausgezahlt hat.

Was empfehlen Sie Ihrem wahrscheinlichen Amtsnachfolger Alexander Dobrindt?

Jeder muss seinen Weg selber finden. Ich bin überzeugt, dass – wer auch immer mein Nachfolger wird – dieser Weg gefunden wird. Wir haben ein starkes Potenzial in der Landesgruppe, einen breiten Talentschuppen, auf den wir stolz sein können. Das hat sich gerade auch in dieser Legislaturperiode gezeigt.

Ich möchte Sie nun um einige Satzergänzungen bitten:

Der größte Erfolg meiner politischen Karriere war,... dass ich so lange politische Verantwortung in herausragenden Positionen ausüben durfte.

Als größte Niederlage empfinde ich... eigentlich nichts. Selbst kleine Dellen gehören zum politischen Alltag.

Haibach bedeutet für mich... Heimat.

Mein Leben ohne Politik wird so aussehen,... dass ich mehr Zeit für meine Familie und meine Interessen habe. Ich freue mich auf mehr Zeitsouveränität und dass ich dann nicht mehr nur von Termin zu Termin hetzen muss.

 

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